Johannes Bitter war der große Rückhalt der deutschen Mannschaft im Spiel gegen Österreich. Der Traum des Routiniers von Olympia lebt.
Seine Schlagfertigkeit hatte Johannes Bitter auch nach einem für ihn nervenaufreibenden Arbeitstag nicht verloren. Wie alt er sich fühle, wurde er am Ende des Interview-Marathons gefragt. "Auf jeden Fall irgendwas mit einer zwei vorn", sagte der Team-Oldie - und verschwand mit einem seeligen Lächeln im Bauch der Arena.
Geht sein Comeback in die Verlängerung?
15 Paraden bei 13 Gegentoren, enorme 54 Prozent Fangquote: Bitter hatte es beim imponierenden 34:22-Erfolg der deutschen Handballer gegen Österreich mal wieder allen gezeigt. Die Huldigungen der Fans, die den 37-Jährigen nach dessen grandioser Vorstellung stehend und mit Sprechchören in die Kabine verabschiedeten, saugte Bitter auf wie ein Schwamm. "Das war wunderschön", sagte der Torhüter: "Das fühlt sich alles toll an und könnte noch ewig so weitergehen."
Die Chancen stehen gut, dass Bitters Comeback in der Nationalmannschaft in die Verlängerung geht. Vieles spricht dafür, dass er den Weg zu den Olympischen Spielen, Bitters letztem großen sportlichen Traum, mitgehen wird. Die EM wirkt wie ein Jungbrunnen für den Routinier. "Es kristallisiert sich so ein bisschen heraus, dass hier vieles passt", sagte Bitter. Vor der Olympia-Qualifikation im April müsse der Bundestrainer neu entscheiden, "aber ich glaube schon", so Bitter, "dass Andi und ich Werbung für uns als Team gemacht haben."
Duo harmoniert
Und ob: Nach neun Jahren Turnierpause hätte die EM für Bitter kaum besser laufen können. Der Weltmeister von 2007 füllte seine Rolle als Führungsspieler perfekt aus, das Duo mit dem bisweilen eigenwilligen Stammkeeper Andreas Wolff harmonierte hervorragend.
Aber auch abseits des Feldes besticht Bitter. Als Motivator, Kümmerer und absoluter Teamplayer. "Jogi hat seine Rolle perfekt ausgefüllt", sagte Coach Christian Prokop: "Er hat in jeder Mannschaftssitzung seine Meinung gesagt, gibt den jungen Spielern ganz viel Rückhalt, steckt mit neue Ziele und verkörpert diese auch. Und dazu die sportliche Leistung. Fantastisch."
Nominierung erweist sich als Glücksgriff
Die Personalie Bitter hatte vor dem Turnier viele überrascht, doch die Entscheidung von Bundestrainer Christian Prokop erweist sich dieser Tage als Glücksgriff. Menschlich ist der 2007-Weltmeister über jeden Zweifel erhaben. Und wenn es sportlich noch eines Beweises für seine Klasse bedurfte, lieferte ihn Bitter gegen Österreich eindrucksvoll.
"Das war natürlich bombastisch", sagte DHB-Kapitän Uwe Gensheimer. Und Wolff meinte über seinen Gespannskollegen: "Jogi hat die Österreicher einfach aus der Halle gehalten. Er hat der Mannschaft den nötigen Rückhalt gegeben und den Gegner fast im Alleingang besiegt."
"Ruhepol" und "Gute-Laune-Bär"
Bitter, von Mitspieler Fabian Böhm liebevoll als "Ruhepol" und "Gute-Laune-Bär" umschrieben, ist die Begeisterung für die Nationalmannschaft deutlich anzumerken. Wenn er, der in seiner langen Handball-Karriere so ziemlich alles erlebt und gewonnen hat, mit leuchtenden Augen über sein Comeback spricht, klingt er fast wie beim ersten Mal. Wie damals vor 18 Jahren, als er am 4. Januar 2002 als 19-Jähriger sein Länderspieldebüt gab.
In der Mannschaft genießt der ewige "Jogi" höchsten Respekt. "Es tut uns gut, dass er dabei ist. Auch im sozialen Umfeld", sagte Gensheimer. Bitter verfüge über eine Menge Erfahrung, "gibt wertvolle Tipps und hat immer ein Wort auch für jüngere Mitspieler. Auch mit seiner Art und Weise auf dem Feld ist er jemand, der das Team mitziehen kann."
Genau diese Tugenden dürften auch in näherer Zukunft gefragt sein. Die EM hat Bitter genutzt, sein Traum von Olympia lebt.