"Überraschend" - "Sprachlos" - "Nicht nachvollziehbar": Die Stimmen zum Prokop-Aus
09.02.2020 | 09:48 Uhr
Paukenschlag bei der Nationalmannschaft! Der Deutsche Handballbund (DHB) verkündet heute überraschend die Trennung von Bundestrainer Christian Prokop. Sein Nachfolger steht schon fest. Etliche Handball-Experten, darunter Martin Schwalb und Heiner Brand, haben sich zu dieser Entscheidung geäußert
"Wir haben diese schwere Entscheidung nach reichlicher Abwägung und einer ganzheitlichen Analyse aus Verantwortung für den deutschen Handball getroffen. Bei Christian Prokop bedanken wir uns ausdrücklich für die geleistete Arbeit und insbesondere für das Auftreten unserer Nationalmannschaft bei den letzten Turnieren. Wir sind allerdings auch in der Analyse der Europameisterschaft davon überzeugt, dass wir unsere kurzfristigen Ziele nur mit einem neuen Impuls erreichen können. Alfred Gislason steht aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und Erfolge für einen solchen Impuls und bringt frische Energie in die Nationalmannschaft."
"Ich glaube, man sollte das jetzt nicht dem DHB in die Schuhe schieben. Prokop hat den Kampf gegen die Windmühlen verloren, es war immer eine latente Unzufriedenheit mit ihm zu spüren, über Fehler von ihm möchte ich hier jetzt nicht sprechen. Alle haben die Entscheidung miteinander getragen und sie getroffen. Ich weiß nicht, ob man jetzt den Kopf von Hanning oder Michelmann fordern und eine neue Sau durchs Dorf treiben soll. Zu Gislason möchte mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern, ich bin emotional noch zu aufgewühlt."
... zur Entlassung: "Es war sehr überraschend, denn gegen Ende der EM gabs ja dann doch sehr viele Treueschwüre und Lippenbekenntnisse zu Prokop, sodass sich die deutsche Handball-Community klar darüber war, dass Prokop Trainer der Nationalmannschaft bleiben wird. Es ist durchaus überraschend. Es ist nur zu vermuten, dass Christian Prokop sich auch während der EM ein bisschen gewehrt hat und gesagt hat, dass das was Bob Hanning da von sich gegeben hat, nicht in seinem Interesse war und das natürlich auch kontraproduktiv war, wenn von interner Seite öffentlich Kritik geübt wird. Das kann einer der Gründe gewesen sein, warum er da nicht mehr ins System gepasst hat.
Ansonsten glaube ich, dass er ein sehr talentierter Trainer ist. Aber es ist natürlich auch schwer, nach so wenigen Jahren Bundesliga-Erfahrung schon die Nationalmannschaft zu trainieren. Man hat das an der ein oder anderen Stelle gemerkt. Das ist natürlich auch in der Handball-Gemeinde so notiert worden. Nichtsdestotrotz kam das trotzdem überraschend. Man hat immer den Eindruck gehabt, dass er sich noch steigern könnte, auch persönlich und dass die Mannschaft erfolgreich sein könnte.
Es wurde von Anfang an etwas reininterpretiert, was so nicht da war. Prokop hat eine ganz tolle Arbeit in Leipzig geleistet, das sollte man jetzt nicht vergessen. Er war dabei, ein aufgehender Stern am Trainerhimmel zu werden. Dann wurde er für viel Geld trotz seines laufenden Vertrages herausgekauft, was ja auch schon sehr umstritten war. Er wurde auf eine Position gehoben, die schwer zu besetzen war.
... zum Nachfolger: "Es gibt natürlich eine Reihe von Kandidaten, auch unter den deutschen Trainern, denen man das hätte zutrauen können. Aber Alfred Gislason ist ein super Kerl und hat einen ganz tollen Charakter. Er hat natürlich auch unglaublich viel Erfahrung, das braucht man auch für das Amt des Bundestrainers. Man muss auch in den entscheidenden Situationen mit ganz viel Druck umgehen können und das ist Alfred über all die Jahre hinweg gewohnt. Von daher bin ich mir sicher, dass er da einen sehr guten Job machen wird.
Er ist ein knochiger Typ, er weiß schon ganz genau, was er will. Er kann das Schiff so in die Bahn lenken, wie er das will. Das hat er beim THW auch immer gemacht, natürlich auch sehr erfolgreich gemacht. Er hat eine klare Ansprache. Er hat natürlich auch das Vertrauen der Spieler. Er wird, davon geh ich jetzt einfach mal aus, auch ein paar Spieler des THW einbinden, denn die kennt er ganz besonders gut.
"Ich war geschockt, als ich die Nachricht bekommen habe. Ich hatte überhaupt keine Ahnung davon und war sprachlos im ersten Moment, weil ich niemals damit gerechnet hätte und es aufgrund der Ergebnisse auch nicht für nötig gehalten habe. Ich habe das Gefühl gehabt, mit Prokop ist alles auf dem richtigen Weg gewesen. Wir haben es mehrfach angesprochen, dass wir ein gutes Verhältnis zu Christian haben und ihn sehr schätzen. Deswegen kann ich das nicht nachvollziehen - unabhängig von der Qualität seines Nachfolgers.
"Das ist schon sehr überraschend, zumal der DHB sich ja bei der EM mit der aufgekommenen Kritik gar nicht richtig auseinandergesetzt hatte. Es ist die richtige Entscheidung, Prokop war nicht der richtige Mann, er hat die Mannschaft nicht weiterentwickeln können. Alfred Gislason ist ein erfahrener und hoch angesehener Trainer, es ist ein Glück für den deutschen Handball, dass man so einen Trainer verpflichten kann. Er wird die nötigen Impulse setzen."
"Ich bin sprachlos, vor allem die Art und Weise, wie da mit Menschen umgegangen wird, kann ich nur ganz schwer nachvollziehen. Eigentlich sollte der gehen, dessen Projekt das war, der das damals initiiert hat, mit Ablösesumme und allen anderen Nebengeräuschen. Man muss sich ja auch mal fragen: Was hatten der Trainer und die Mannschaft bei der EM überhaupt für Zielsetzungen, hat das eigentlich gepasst mit den Zielsetzungen der Funktionäre?"
"Zum jetzigen Zeitpunkt ist diese Entscheidung überhaupt nicht nachvollziehbar, so eine Entscheidung hätte man wenn, dann früher treffen müssen. Christian hat sich in seiner Amtszeit sehr wohl weiterentwickelt, die Frage ist natürlich, muss nicht der Bundestrainer von Anfang an jemand sein, der sich schon weiterentwickelt hat. Für Alfred wird das eine interessante Herausforderung, er ist eine gestandene Persönlichkeit, anerkannt in allen Bereichen, aber wir wissen ja auch um die Defizite der Mannschaft."
"Ich glaube, dass Christian Prokop eine richtig gute Europameisterschaft gespielt hat mit der Mannschaft, die hinter ihm steht. Die Entscheidung des Verbandspräsidiums ist daher nach außen erst einmal schwer nachzuvollziehen. Ich kann verstehen, dass einer wie Gislason, wenn er auf dem Markt ist, natürlich interessant ist. Ich glaube aber auch, dass Christian eine richtig gute EM gespielt hat mit Spielern, die hinter ihm stehen."
"Wir kriegen einen Trainer mit einer riesigen Erfahrung und einer großen Titelsammlung, der über Jahre in mehreren Mannschaften gezeigt hat, dass er zur Spitze der Trainergilde gehört."
"Das war schon eine Überraschung, besonders nach dem Turnier und den Äußerungen, die da gemacht wurden. Ich wurde nicht mit eingebunden, ich weiß nicht, wie es bei anderen Spielern war. Alfred hat wenig Zeit, ich denke, er wird sich die nächsten Monate noch mal alle angucken und Veränderungen vornehmen, denn anscheinend war ja der Verband nicht zufrieden. Er ist einer, der die Linie vorgibt, man wird sehen, wie es läuft."
"Wir wissen, mit welchem Einsatz und welcher Akribie Alfred arbeitet. Mit seiner Erfahrung, seinen Qualitäten und seinem Charisma ist er ein Gewinn für den deutschen Handball. Wir wünschen ihm alles Gute und viel Erfolg für seine neue Aufgabe und freuen uns auf seinen nächsten Besuch in der Arena - dann als Bundestrainer!"