Die Kolumne von Sky Experte Stefan Kretzschmar
Kretzschmar: Es ist sicherlich der undankbarste Job im Handball
07.02.2020 | 15:28 Uhr
Stefan Kretzschmar analysiert regelmäßig die wichtigsten Themen aus der Welt des Handballs. Nach der Schiedsrichter-Verletzung im Topspiel am vergangenen Samstag, spricht er über eine mögliche Überbelastung. "Kretzsche" macht sich stark für eine Professionalisierung dieses "Hobbys".
Das Topspiel zwischen der TSV Hannover-Burgdorf und dem THW Kiel am vergangenen Samstag wurde ab der 21. Minute nur von einem Schiedsrichter geleitet. Tobias Tönnies hatte sich verletzt, sein Kollege Robert Schulze musste alleine weitermachen.
Straffes Programm für Schiedsrichter auf Top-Niveau
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich das jemals erlebt habe, für mich war das eine neue Situation. Man weiß nie, wie so etwas zustande kommt: Ob es eine lange Autofahrt war, nicht richtig aufgewärmt oder die Reiserei der letzten Wochen. Tönnies/Schulze haben die Vorrunde der EM in Norwegen gepfiffen, sind anschließend nach Südamerika geflogen, um das Finale Argentinien gegen Brasilien bei den Südamerika-Spielen zu pfeifen, und dann geht es wieder in der Bundesliga los. Das ist ein Wahnsinns-Pensum - die Jungs müssen heutzutage sehr fit sein.
Aber ich würde jetzt ungern eine Überbelastungsdiskussion der Schiedsrichter aufmachen. Das ist jetzt einmal passiert. Es ist ja nicht so wie bei den Vereinen, dass da reihenweise Spieler ausfallen. Aber der Reisestress und die Belastung der vielen Spiele, ist schon enorm. Das liegt aber wohl auch an dem überschaubaren Budget. Bei Handball-Schiedsrichtern ist die Gage natürlich nicht so hoch wie im Fußball, daher verdient man eben über die Quantität der Spiele. Wenn dort eine Professionalisierung bzw. eine Erhöhung des Budgets möglich wäre, dann könnten sich Schiedsrichter auch ihre Auszeiten nehmen.
Immerhin ist es für die meisten Schiedsrichter ein Zuverdienst und nicht der Hauptberuf. Deswegen haben wir sicherlich auch in Deutschland ein Mangel an jungen Menschen, die es als lohnenswert sehen, Schiedsrichter zu werden.
Respekt gegenüber Schiedsrichtern muss wachsen
Erst einmal muss der Respekt der Vereine gegenüber der Schiedsrichter wachsen bzw. sich dort auch grundlegend ändern. Zweitens muss der Anreiz, Schiedsrichter werden zu wollen, geschaffen werden. Dieser Job muss einen positiveren Anstrich bekommen. Vielleicht übernimmt auch jeder Verein eine Patenschaft für Schiedsrichter, ich weiß nicht, in welche Richtung das noch gehen kann. Man darf auf alle Fälle nicht als "die Arme Sau vom Handballfeld" durch das Dorf getrieben werden.
Aber egal wie gut du pfeifst, es gibt immer Entscheidungen, die strittig sind - am Ende ist der Schiedsrichter halt der Buhmann. Da muss man schon den Charakter für haben. Keine Ahnung, aus welchem Holz die Jungs geschnitzt sind, um sich das im Leben anzutun. Es ist sicherlich der undankbarste Job im Handball. Dass so durch zu ziehen, ist nicht ohne und auch nicht selbstverständlich.
Es sitzen alle im selben Boot
Es liegt in der Hand der Verantwortlichen, den Schiedsrichtern das Leben nicht noch zusätzlich schwer machen zu wollen und sie permanent unter Druck zu setzen. Es sitzen alle im selben Boot! Ähnlich wie die Diskussionen im Fußball kann man die in abgeschwächter Form auch im Handball führen: Man sollte den Schiedsrichtern mehr Respekt entgegenbringen. Nicht nur von Fanseite, sondern auch von Mannschaftsseite. Das fände ich grundsätzlich mal super, da haben alle eine Verantwortung. Auch im Sinne dessen, dass es demnächst noch genug Schiedsrichter gibt.
Ich würde es befürworten, dass die Liga zusammenhält und sagt: "Wir entwickeln uns in Richtung Professionalisierung". Dazu gehören natürlich auch die Schiedsrichter. Sie müssen integriert werden, denn sie sind nunmal ein ganz wichtiger Teil des Sports. Es wäre sicherlich ein Ansatz, dass Schiedsrichter-Wesen zu professionalisieren und dort ein finanzielles Budget zur Verfügung zu stellen, um das gewährleisten zu können.
Ohne Schiedsrichter geht es nicht
Im Handball wird es nie möglich sein, den ganzen Druck von den Schiedsrichtern zu nehmen. Aber wir sollten alle mehr Respekt vorleben. Das war auch nicht meine Stärke während meiner Karriere, aber ich versuche das jetzt als Kommentator schon so umzusetzen, weil man eine Verantwortung gegenüber den Schiedsrichtern hat. Man kann sie da nur schulen und unterstützen, wir alle sollten ihnen den Rücken freihalten - denn ohne Schiedsrichter geht es im Sport nicht.