Es war bezeichnend: In den entscheidenden Momenten gegen Portugal versucht es erst Frankreichs Melvyn Richardson unvorbereitet aus dem Rückraum, anschließend will Dika Mem mit dem Kopf durch die Wand. In der Schlussphase agiert Frankreich nicht als Team - das könnte das Vorrunden-Aus bedeuten.
Aber wie kann es passieren, dass die individuell vielleicht am stärksten besetzte Nation der EM gegen einen Außenseiter so versagt?
Portugiesisches Kollektiv schlägt französische Individualisten
"Wir haben nicht das getan, was der Trainer von uns gefordert hat. Wir haben zu individuell gespielt. Die portugiesische Abwehr ist wirklich stark, man muss sie bewegen, aber wir haben alles andere getan", polterte Frankreichs Kapitän Cedric Sorhaindo nach der Niederlage. Das trifft es auf den Punkt. Die Portugiesen präsentierten sich als geschlossene Mannschaft, profitierten dabei auch davon, dass viele der Stammspieler im selben Klub spielen.
Auf der anderen Seite verlassen sich die Franzosen auf ihre individuelle Klasse. Die Tore von Mem, Richardson oder Romain Lagarde waren nicht schön herausgespielt, sondern Einzelleistungen. Aufgrund des fehlenden Zusammenspiels verhungerten die Weltklasse-Außen Luc Abalo und Michael Guigou im Positionsangriff, spielten in der umkämpften Schlussphase keine Rolle mehr.
Fehlen die Leader?
Für diese Momente braucht es Leader, die wieder Spielfluss hineinbringen und die richtigen Entscheidungen treffen. Wer wäre dafür bei Frankreich prädestinierter, als der vielleicht beste Handballer des vergangenen Jahrzehnts und dreifache Welthandballer Nikola Karabatic? Nur saß der in der Schlussphase mit versteinerter Miene auf der Bank und konnte nur zusehen, wie seine jungen Kollegen die Nerven verloren.
Ein Spieler, den die Franzosen an allen Ecken und Enden vermissten, war Kentin Mahe. Der ehemalige Flensburger, der aufgrund von Knieproblemen fehlt, gehört zu den emotionalen Anführern der Mannschaft. Bei der vergangenen WM überragte der Mittelmann im Spiel um Platz drei gegen Deutschland und sicherte Frankreich Bronze. Eine Ausrede darf sein Fehlen aber nicht sein.
Frankreich vor Endspiel gegen Norwegen
Jetzt gilt es, die Niederlage schnell aus den Köpfen zu bekommen. Denn bereits am Sonntag steht gegen Norwegen womöglich ein Endspiel an. Sollten die Portugiesen vorher gegen Bosnien-Herzegowina gewinnen, wäre eine Niederlage gegen die Skandinavier gleichbedeutend mit einem französischen Vorrunden-Aus bei der EM. Eine Blamage für die erfolgreichste Handball-Nation der vergangenen zehn Jahre. Die kann nur verhindert werden, wenn die Einzelspieler wieder zu einem Kollektiv werden.