Sky Kommentator Paul Häuser wirft nach einem aufregenden Tennis-Jahr einen genaueren Blick auf die zwei Next-Gen-Stars der ATP-Tour: Alexander Zverev und Stefanos Tsitsipas.
"It was an absolute pathetic match", sagte Alexander Zverev nach seiner Niederlage in Toronto gegen Stefanos Tsitsipas. "Lächerlich" oder auch "erbärmlich", wie auch immer man "pathetic" übersetzen möchte: Besonders nett sind die Worte nicht. Zverev präsentierte sich nicht gerade als generöser Verlierer. "Ich glaube nicht mal, dass er gut gespielt hat", sagte er weiter über Tsitsipas.
Der Grieche reagierte entspannt: "Ich habe ihn ausgetrickst und anders gespielt als er es erwartet hat." Eine Woche zuvor in Washington ließ Zverev Tsitsipas nicht den Hauch einer Chance und besiegte ihn glatt in zwei Sätzen 6:2, 6:4. In Toronto gewann dann überraschend Tsitsipas nach der Abwehr von zwei Matchbällen.
Tsitsipas bald Zverevs größter Gegenspieler?
Es war eine Niederlage, die Alexander Zverev traf. Die deutsche Nummer Eins hat hohe Ansprüche, vor allem an sich selbst. Gegen einen über ein Jahr jüngeren Spieler zu verlieren, einen dieser Next-Gen-Stars, deren Anführer er doch ist, das steht nicht im Drehbuch für kommende Grand-Slam-Champions.
Zverev hat auch schon häufig Größe in der Niederlage gezeigt. Gegen Ende der letzten Saison gratulierte er ganz herzlich dem Rumänen Marius Copil im Halbfinale von Basel. Copil wirkte besonders angefasst nach dem größten Erfolg seiner Karriere und gerührt von Zverevs Worten.
Aber gegen Stefanos Tsitsipas war Zverev dazu nicht in der Lage, vielleicht auch weil er spürte, dass dieser Grieche sein großer Gegenspieler in der Zukunft sein könnte.
Viele Gemeinsamkeiten neben dem Platz
Es gibt einige Parallelen zwischen Zverev und Tsitsipas. Beide Spieler kommen aus Tennisfamilien, sie haben mit Roger Federer das gleiche Idol, sie haben denselben Agenten, beide haben russische Wurzeln und sind besonders stark von ihren Eltern geprägt worden.
Stefanos Tsitsipas wird von seinem Vater Apostolos trainiert. Ein wichtiger Mentor und Coach in der Entwicklung des Griechen ist zudem Patrick Mouratoglou, der Trainer von Serena Williams. In Mouratoglous Akademie zwischen Nizza und Cannes trainiert nicht nur Stefanos Tsitsipas seit Jahren, sondern auch seine drei jüngeren Geschwister Elisavet, Petros und Pavlos.
Alexander, genannt Sascha (der russische Spitzname für Alexander) Zverev wird auch immer noch von seinem Vater Alexander Senior betreut. Als Supercoach fungiert dazu seit diesem Sommer Ivan Lendl, der sich mit Papa Zverev exzellent versteht.
Emotionale Reifeprüfung: Zverev mit dem nächsten Schritt
Das Ziel mit Lendl ist klar: Der ganz große Durchbruch bei den Grand-Slam-Turnieren. Der Triumph bei den World Tour Finals in London zum Abschluss der letzten Saison war der nächste Meilenstein in Zverevs Karriere. Der Deutsche besiegte in der Londoner O2 Arena im Halbfinale Roger Federer und im Finale Novak Djokovic.
Auf dem Weg zu seinem bislang größten Titel bestand Zverev eine Reifeprüfung der besonderen Art. Im Halbfinale gegen Federer wurde der 21-Jährige von einigen Federer-Ultras ausgebuht. Zverev war geschockt, denn so etwas hatte er bislang noch nicht erlebt. Aber Sascha Zverev ging gestärkt aus dieser emotional so schwierigen Situation hervor. Für seine Zukunft war dies wohl das Überschreiten der nächsten Schwelle.
Zverev ganz oben? Charakter wird entscheidend
Von seiner Familie, seinen Eltern und seinem zehn Jahre älteren Bruder Mischa (ebenfalls Tennisprofi) hat Sascha Zverev fast alle Zutaten für seine Karriere mitbekommen. Für den Weg nach ganz oben kommt es wie bei den World Tour Finals vor allem auf seinen Charakter an.
Für Zverev war der Triumph von London der nächste Schritt. Im Interview mit Sky Reporter Moritz Lang nach dem Turniersieg richtete Zverev den Blick bereits auf die Vorbereitung für die kommende Saison.
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