Monfils: Ein Filou mit zwei Gesichtern
Zwischen Weltklasse-Tennis und Lethargie
11.07.2017 | 08:28 Uhr
Ein Filou kann ein Schlitzohr und ein Lausbub sein. Aber auch ein Nichtsnutz oder ein Clown. Genau das alles ist Gael Monfils. Ein Spieler auf der Tour, bei dem sich wie bei kaum einem anderen die Geister scheiden.
Mal explosives Offensivspiel einhergehend mit Weltklasse-Tennis, dann wiederum lethargisches Umherschlurfen auf dem Court mit lustlos anmutendem Ballgeschiebe. Manchmal bis häufig tritt dieses Monfils-Phänomen sogar innerhalb eines Matches auf.
So geschehen auch bei seinem Drittrunden-Duell von Wimbledon gegen den französischen Landsmann Adrian Mannarino, Nummer 51 des ATP-Ranking. Im Vorfeld der Partie viel Lob für Monfils - die Nummer 15 der Setzliste - und gegen Ende des letzten Jahres immerhin die Nummer sechs der Welt. Ein paar Verletzungen und Turnierabsagen ließen ihn in diesem Jahr aus den Top Ten rutschen. In London war dann gegen seinen Landsmann aber auch Schluß. Monfils verlor in fünf Sätzen und musste die Koffer packen.
Starker Beginn in Wimbledon
Seine Rasenform im Vorfeld aber so gut wie nie. Finale in Eastbourne, wo er nur von Novak Djokovic zu stoppen war. Klasse Tennis in den ersten beiden Runden von Wimbledon - dabei ohne Satzverlust. Das Matchup mit Landsmann Mannarino brachte die große Chance, bei seiner neunten Wimbledon-Teilnahme erstmals ins Achtelfinale einzuziehen und damit endlich die zweite Woche des wichtigsten Tennisturniers der Welt zu erleben. Eigentlich unglaublich bei seinen Anlagen.
Big Serve, gutes Volleyspiel, eine unglaubliche Dynamik gepaart mit einem starken und unvorhersehbaren Allroundpaket. Als 18-Jähriger gewann er bei den Junioren die ersten drei Grand-Slam-Turniere in Serie bis ihn bei den US-Open eine Verletzung zurückwarf und so den Jahres-Slam verhinderte. Ein Journalist fragte nach seinem klaren Dreisatz-Sieg gegen den guten Rasenspieler Kyle Edmund in Runde zwei verwundert, wie es denn überhaupt sein könnte, dass er noch nie im Achtelfinale von Wimbledon stand.
Monfils spielt nicht gerne auf Rasen
Der Pariser Monfils trocken und gerade heraus. Rasen sei einfach nicht sein Ding. Ein Belag, auf dem er nicht gerne spiele und sich nicht gut bewege. Davon war allerdings in dieser Rasensaison bisher nichts zu sehen. Im Gegenteil. Nur schien es gegen Mannarino fast so, als hätte sich Monfils durch diese Pressekonferenz selbst wieder ins Gedächtnis gerufen, dass er ja eigentlich gar kein erfolgreiches Rasentennis spielen kann. Oder will?
Zu Beginn der Partie schlurfte er mal wieder abwesend über den Außencourt Nummer zwölf und löffelte die flachen Grundlinienschläge seines Landsmannes lust- und kraftlos zurück.
Monfils bringt sein Team zum verzweifeln
So ging der erste Satz an Außenseiter Mannarino und der lethargische Auftritt von Monfils nahm seinen Lauf. Coach Tillstrom versteckte sich bewegungslos hinter seiner Sonnenbrille, während der Rest des Teams verzweifelt versuchte, Blickkontakt aufzunehmen, um auf den 30-Jährigen einzuwirken.
Anscheinend hatte die ehemalige Nummer eins der Junioren dann auf einmal höchst selbst ein Einsehen und entschied sich, beim Stand von 3:4 und 0:40 bei eigenem Aufschlag mit dem Tennisspielen zu beginnen.
Auf einmal servierte er mit gefühlt 20 km/h schneller, donnerte dem verdutzten Mannarino seine Vorhand um die Ohren, ersprintete sämtliche Stoppbälle, feuerte Winner aus allen Ecken des Courts und drehte mal eben mit überragendem Rasentennis das 3:4 in ein 6:4 zum Satzausgleich.
Achtelfinal-Teilnahme hergeschenkt
Da war er also wieder. Filou Monfils. Das Schlitzohr. Insgesamt 41 Winner nur in den Sätzen zwei und drei zur 2:1-Satzführung. Schwer zu erklären, wenn es eben nicht Monfils wäre. Einer ersten Achtelfinal-Teilnahme in Wimbledon stand nun nichts mehr im Wege. Oder eben doch. Monfils selbst.
Denn die Sätze vier und fünf schenkte er wieder komplett ab. 3:6 und 2:6. Der lange Schlacks mit den kurzen Rasta-Zotteln schlurfte wieder emotionslos über den Court, schlug in den beiden Sätzen nur noch 15 Winner und überließ es Freund Mannarino, die französischen Farben in die zweite Woche zu tragen. Quelle Tristesse. Und wieder konnte man sich nur wundern und fragen, was da eigentlich los war. Müde? Krank? Nicht fit? Keinen Bock? Alles nur Spekulation und nach dem Match die einfache Aussage von ihm: "Es war heute verdammt schwer für mich."
Monfils bleibt unvorhersehbar
Entweder man liebt ihn für sein meistens explosives und attraktives Offensivspiel, oder man winkt ab. Ein Schauspieler, ein Clown, der seine unglaublichen Anlagen nicht vollends ausschöpft.
Gestern während des Matches habe ich mal kurz an meiner Sympathie für ihn gezweifelt. Heute weiß ich wieder: Es ist eben Monfils. Ein verrückter Vogel, unvorhersehbar und einfach ein genialer Typ, den ich mir beim nächsten Turnier trotzdem wieder gerne anschaue. Filou Monfils.