Nach dem Gesamtsieg beim Giro d'Italia will das deutsche Team Bora-hansgrohe auch bei der Tour de France mit einem Radprofi aufs Podium. Drei Deutsche stehen im Aufgebot, neun deutsche Fahrer werden an der Tour teilnehmen. Einige von ihnen hoffen auf einen Etappensieg.
Nach den Rücktritten der deutschen Radsport-Routiniers Tony Martin und Andre Greipel ruhen die deutschen Hoffnungen auf Etappensiege bei der am Freitag in Kopenhagen beginnenden 109. Tour de France vor allem auf Nils Politt, Lennard Kämna, John Degenkolb und Simon Geschke.
Alle vier Radprofis haben bereits einmal eine Tour-Etappe für sich entscheiden (alle Infos zur TV-Übertragung und Etappenplan der 109. Tour de France).
Am Freitag gehen in Kopenhagen neun deutsche Radprofis an den Start. Weniger waren es zuletzt 2002. Doch das Motto heißt: Qualität statt Quantität.
Team Bora: drei Deutsche und ein russischer Kapitän
Das deutsche Team Bora-hansgrohe geht mit drei Deutschen als Etappenjäger ins Rennen - und träumt vom Podium in Paris. Teamchef Ralph Denk hat eine klare Vision - nur ans Gelbe Trikot will er nicht so wirklich glauben. "Aus Rosa mach Gelb - das Ziel ist ein bisschen hochgegriffen", sagte Denk vor dem Start der Frankreich-Rundfahrt: "Wir würden uns aber nicht wehren, wenn es ein Podium wird."
Der Gesamtsieg bei der Italien-Rundfahrt im Mai und das Rosa Trikot, gewonnen durch den Australier Jai Hindley, ist der bislang größte Erfolg des Raublinger Rennstalls. Der Russe Alexander Wlassow, der eine starke Saison fährt, zuletzt bei der Tour de Suisse aber wegen eines positiven Coronatests aussteigen musste, soll es nun in Frankreich richten. "Wir setzen voll auf eine Karte", sagt Denk.
Drei Deutsche schickt der Bora-Boss als Helfer ins Rennen, es sind die drei derzeit wohl populärsten und erfolgreichsten Fahrer hierzulande. Nils Politt und Lennard Kämna, die sich am Wochenende die nationalen Titel im Straßenrennen (Politt) und Zeitfahren (Kämna) gesichert hatten, sind bereits Tour-Etappensieger. Maximilian Schachmann hat dazu zweifellos das Zeug. Sie alle werden Freiheiten für eigene Ambitionen bekommen. "Wir wollen eine Etappe gewinnen", sagt Denk. Wlassow zu unterstützen bedeute nicht, "dass sieben Mann 3500 Kilometer neben ihm herfahren".
Kämna einer der großen Hoffnungsträger
Besonders im Fokus steht dabei Kämna. Der 25-Jährige ist im Mai einen herausragenden Giro gefahren, siegte am Ätna auf beeindruckende Weise. Er blickt aber auch auf ein sehr kompliziertes Jahr 2021 zurück, in dem er eine monatelange Pause vom Radsport einlegte.
Das Double aus Giro und Tour - zu viel für den hochveranlagten Kämna? Nein, sagt Denk: "Über sein Talent brauchen wir nicht diskutieren, das ist groß. Zum Talent gehört auch eine schnelle Regeneration. Die ist bei ihm vorhanden, sonst hätten wir es nicht gemacht."
Gute Helferdienste in den Bergen sind die Pflicht. Ein Tag in einer Fluchtgruppe, an dessen Ende er im Ziel jubelnd die Arme ausbreitet, wäre die Kür - und würde weitere Hoffnungen schüren. Mittelfristig, das deutete Denk bereits kürzlich an, ist Kämna, dessen Vertrag unlängst verlängert wurde, ein Kandidat für eine Top-Platzierung bei der Tour. Zumindest den Versuch will man in den kommenden Jahren wagen.
Schachmann, Degenkolb und Geschke mit großem Potenzial
Das ist in normalen Zeiten auch Schachmann zuzuschreiben. Doch dem Berliner haftet das Corona-Pech an. Von einer Infektion im Winter erholte er sich lange nicht. Als bei der Tour de Suisse die Form mit Platz zehn in der Gesamtwertung endlich wieder stimmte, kam der nächste positive Test. Unklar ist, wie fit Schachmann an den Start geht.
Ein bisschen weiter ist John Degenkolb. Den früheren Roubaix-Sieger erwischte das Coronavirus eine Woche früher, sodass er gut zehn Tage vor Tour-Beginn schon wieder auf dem Rad saß.
"Ich habe mich wirklich gut erholt und konnte wieder hart trainieren. Ich bin sehr glücklich, zum Tour-Aufgebot zu gehören", sagte der 33-Jährige. Für Degenkolb hat die Rückkehr zur großen Schleife eine immense Bedeutung. Vor zwei Jahren schied er nach einem Sturz schon nach der ersten Etappe aus, vergangenes Jahr verzichtete sein Team auf ihn. Natürlich schaut er besonders auf die Kopfsteinpflaster-Etappe am Mittwoch, zumal er auf fast identischem Terrain 2018 einen Tagessieg holte.
Mit großen Gedankenspielen hält sich Simon Geschke zurück. Gerade wegen des Kopfsteinpflasters. "Es ist meine zehnte Tour und ich sage immer, die erste Woche muss man erst einmal unbeschadet überstehen. Dann kann man Pläne machen", sagte der 36-Jährige. Dass die Tour-Organisatoren das Peloton über das brutale Kopfsteinpflaster Nordfrankreichs jagen, amüsiert Geschke keineswegs. Für ihn ist das nur ein unnötiges Spektakel. Seine Zeit kommt in der Bergen und er hofft noch einmal auf einen Tag mit Diamentenbeinen wie bei seinem Etappensieg 2015 (Etappenplan der Tour de France).
Mit einer nur einstelligen Zahl an Fahrern ist Deutschland allerdings nicht unbedingt in schlechter Gesellschaft. Eine Radsport-Nation wie die Niederlande ist auf demselben Niveau, einst boomende Länder wie Großbritannien und die USA wohl noch darunter.
Die Liste der deutschen Tour-Fahrer im Überblick:
John Degenkolb (DSM), Simon Geschke (Cofidis), Lennard Kämna (Bora-hansgrohe), Alexander Krieger (Alpecin Fenix), Nils Politt (Bora-hansgrohe), Jonas Rutsch (EF Education EsayPost), Maximilian Schachmann (Bora-hansgrohe), Maximilian Walscheid (Cofidis), Georg Zimmermann (Intermarche Wanty-Goubert)
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