Die Jungs packen das!
09.09.2023 | 21:15 Uhr
Die deutschen Basketballer haben sich im WM-Halbfinale sensationell gegen Favorit USA durchgesetzt. Nun geht es im Endspiel gegen Serbien um alles. Sky Reporter Alex Bonengel ist zuversichtlich - ein Kommentar.
Schon direkt nach dem historischen Halbfinalsieg gegen die USA am Freitag war der Fokus der deutschen Basketballer auf das Finale gegen Serbien gerichtet: "Ein Spiel haben wir noch", entgegneten Obst und Co. nach einer kurzen emotionalen Analyse nach dem Spiel nahezu unisono.
Ich bin mir sicher, dass spätestens seit dem Samstagmorgen in Manila kaum noch Gedanken beim USA-Spiel sind, keine Gedanken über die letzten nervenzerreißenden Sekunden und auch nicht über die überwältigende Ekstase nach dem Schlusspfiff. In den Köpfen ist Serbien und damit die Gier nach dem ganz großen Wurf.
Serbien wird ein völlig anderes Spiel werden, da sind sich alle sicher. Galt es gegen die USA vor allem, sich gegen individuelle Qualität, Athletik und Schnelligkeit zu stemmen, sind die Serben deutlich mehr ein Spiegelbild der eigenen Qualitäten: Großartiger Teambasketball mit einer Mannschaft, die erfahren ist, die jeweils weiß wie der Teamkollege tickt. Eine Mannschaft, die in diesem Turnier Qualitäten einer gut eingespielten Vereinsmannschaft zeigt, auch ohne Superstar Nikola Jokic, der aufgrund mentaler und körperlicher Erschöpfung abgesagt hatte.
Somit lastet die Verantwortung vor allem auf Atlanta-Hawks-Guard Bogdan Bogdanovic, im Halbfinale gegen Kanada (95:86) mit 23 Punkten auch bester Werfer seines Teams. Doch am Ende war wieder einmal die Teamleistung der Schlüssel zum Sieg. Neben Bogdanovic punkteten vier weitere Serben gegen die Kanadier zweistellig. Serbien hat Stärken an beiden Enden des Feldes: Eine enorm "abgezockte" Offensive mit Spielern, die werfen und zum Korb penetrieren können, aber mit Nikola Milutinov auch eine 2,12 Meter große "Kante" unter dem Korb. Darüber hinaus macht es die giftige Defensive der Serben jedem Gegner schwer, zur Entfaltung zu kommen.
Dass die Serben auch verwundbar sind, haben in diesem Turnier die Italiener gezeigt, als sie in der Gruppenphase 78:76 gegen das Team von Svetislav Pesic gewonnen haben. Nach einer 16-Punkte-Führung verloren die Serben den Fokus, die Italiener hatten plötzlich einen Lauf. Bogdanovic traf nur vier von 16 aus dem Feld. Unwahrscheinlich, dass Serbien das ausgerechnet im Finale noch einmal passieren wird.
Somit wird Deutschland wieder möglichst nahe an ein perfektes Spiel herankommen müssen. Ihnen wird genau das begegnen, womit sie USA letztendlich in die Schranken weisen konnten: Eine Defense, die stresst, starke Schützen, kompromissloses Rebounden, variables Spiel, das auf jede Situation reagieren kann.
Als nahezu sicher dürfte gelten, dass der 74-jährige Trainerfuchs Svetislav Pesic die deutsche Mannschaft bis ins Detail kennt, war es doch ausgerechnet er, der Deutschland 1993 mit dem EM-Sieg zum bis dato einzigen internationalen Titelgewinn geführt hatte. Er wird um die Schwächen (auf hohem Niveau) in der Transition-Defense wissen, ebenso wird er dafür sorgen, dass seine Männer schon in der Anfangsphase alles dafür tun, um den Deutschen den Schneid abzukaufen. Das USA-Spiel ausgenommen, hatte die DBB-Auswahl gerade in dieser Zeit Probleme, ins Spiel zu finden.
Wie in jedem Mannschaftssport, werden auch bei diesem WM-Finale Kleinigkeiten und die Tagesform entscheiden. Niemand ist favorisiert. Wächst einer über sich hinaus, wie Obst für Deutschland gegen die USA? Bei wem fällt an diesem Tag der Wurf, bei wem nicht? Kommen Schlüsselspieler in Foul-Trouble? Schon die ersten Minuten können den Weg zum Ausgang des Finales ebnen. Der Kopf wird bei alledem die wichtigste Rolle spielen. So fokussiert und so selbstbewusst, wie ich die Deutschen bisher erlebt habe, sehe ich große Chancen für sie, das letzte Spiel auch noch zu wuppen.
Und dann? Diese Mannschaft hätte einen fetten Empfang am Frankfurter Römer verdient. Eine Mannschaft, die Deutschland auf die beste Weise repräsentiert. Sportlich sowieso. Darüber hinaus sympathisch, nahbar, authentisch, geerdet, ohne Egomanien und Eitelkeiten - nur bei sich selbst und dem gemeinsamen Ziel mit einer handvoll Fans, die den Weg nach Asien gefunden haben. Trainer Gordon Herbert muss sicher keine Filme über Graugänse vorführen - jeder einzelne stellt sich in den Dienst des Kollektivs.
Sporthistorisch wäre das für mich auf einer Stufe mit Boris Beckers erstem Wimbledon-Sieg 1985. Deutschland ist nämlich im internationalen Vergleich immer noch ein verhältnismäßiger Zwerg, Basketball führt hierzulande ein Dasein als Randsportart. Dementsprechend sollte der Erfolg auch gewürdigt werden, selbst wenn es am Ende "nur" Silber werden sollte.
Aber ich bin mir sicher: Die Jungs packen das!
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