Strategie-Könige! Mercedes spielt im WM-Fight seine Trumpfkarte aus
17.05.2021 | 22:16 Uhr
Seit vielen Jahren war die Formel-1-Weltmeisterschaft nicht mehr so umkämpft wie in dieser Saison. Mit Lewis Hamilton und Max Verstappen agieren zwei Ausnahme-Piloten scheinbar auf Augenhöhe. Gerade deshalb werden die Rennen auch mal an anderer Stelle entschieden - so zum Beispiel im Fall von Barcelona.
Es war die wohl spektakulärste Aktion zwischen den beiden WM-Favoriten in diesem Rennen: Verstappen erwischt auf der rechten Seite der Start- und Zielgeraden einen Fabel-Start - auch durch den starken Gummiabrieb, der sich auf der Strecke befindet. So kann der Niederländer auf der rund 600 Meter langen Anfahrt auf Kurve eins Meter für Meter auf Hamilton gut machen und diesen letztendlich am Scheitelpunkt der Kurve überholen.
Für den Ausgang des Rennens war diese Szene jedoch nicht entscheidend. Barcelona ist generell eine Strecke, auf der das Überholen extrem schwierig ist. So müssen sich die Fahrer mit ihren Teams und Renningenieure eine Strategie überlegen, die auch abseits der Strecke verspricht, Plätze gut machen zu können. Sky Experte Timo Glock bezeichnete das Rennen in Barcelona im Vorfeld in seiner Kolumne deshalb auch als Strategie-Schachspiel. Und in diesem bewies wie in der Vergangenheit so häufig erneut Weltmeister Mercedes seine herausragende Stellung.
"Mit dieser Strategie das Rennen zu drehen, ist für uns sehr zufriedenstellend", zeigte sich Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff nach Grand Prix am Sky Mikrofon glücklich. Der gebürtige Wiener ging aber noch deutlich detaillierter in die Analyse.
"Als wir nach dem ersten Stopp die Position endgültig verloren hatten, war es klar, dass wir ein bisschen länger draußen bleiben wollten, bevor wir den nächsten Stopp machen. Dann die 25 Sekunden aufzuholen, sieht auf der Strecke schwierig aus, aber mit neuen Reifen ging es dann. Wir haben im ersten Stint gesehen, dass wir knapp dranbleiben konnten und der Reifen von Max (Verstappen, Anm. d. Red.) relativ schnell abgebaut hat. Als wir den zweiten Stopp gemacht hatten, wusste er auch, dass er natürlich Gas geben musste. Dadurch hat er den Reifen noch mehr runtergefahren und dadurch hat es am Ende leicht ausgesehen. Aber das war es nicht, weil es eine toughe Entscheidung war."
Diese hat sich am Ende auch ausgezahlt. Hamilton konnte wenige Runden vor Schluss fast mühelos an Verstappen vorbeiziehen und so seinen dritten Saisonsieg einfahren.
"Es waren ganz entscheidende strategische Entscheidungen. Die Kommunikation war entscheidend und auch das Feedback, welches ich dem Team geben konnte, hat ebenfalls dazu beigetragen", freut sich Hamilton über die gelungene Zusammenarbeit zwischen ihm und seiner Box. "Da hat jeder in diesem Team einen großartigen Job gemacht. Es war eine großartige Strategie."
Aufgrund dieser hat Verstappen das Überholmanöver kurz vor Schluss gegen ihn auch "irgendwie kommen sehen. Gegen Ende war Hamilton schneller. Aber wir konnten nicht mehr viel machen. Als Mercedes dann zum zweiten Stopp gekommen ist, da war es eigentlich schon vorbei. Ich hatte Probleme mit den Reifen und man konnte es Runde für Runde sehen, er ist immer näher herangekommen. Ich war im Grunde leichte Beute."
Dies hat der Niederländer aber auch selbst mitverschuldet, wie Red-Bull-Boss Dr. Helmut Marko erklärt. "Max ist völlig unaufgefordert und unerwartet an die Box gekommen. Es war ein Missverständnis zwischen Max und dem Renningenieur. Erst als er in der Boxeneinfahrt war, hat ein Mitarbeiter gebrüllt, dass Max hereinkommt. Deshalb war der Boxenstopp länger. Dadurch waren wir mit der Rundenanzahl auch schon festgelegt, weil es war klar, dass der zweite Abschnitt mit den Reifen schwierig sein würde."
Verstappen selbst wollte diese Situation am Ende aber nicht zu hoch hängen und ihr einen zu entscheidenden Charakter verpassen. "Wir machen natürlich verschiedene Sachen auf unserem Lenkrad, damit wir nicht über Funk reden müssen. Da war dann etwas falsch abgestimmt, aber am Ende haben wir dadurch keinen Platz verloren."
Doch Red Bull konnte nach dem Fauxpas auch nicht verhindern, dass Hamilton nach seinem zweiten Stopp immer näher kommen konnte. Man hätte Verstappen zwar auch in die Box holen können, um auf die Mercedes-Strategie zu reagieren, hat sich jedoch anders entschieden.
"Wir hätten auch noch einen Satz neue weiche Reifen gehabt, aber wir wären hinter Bottas zurückgefallen und ihn zu überholen, hätte uns sicher einiges an Zeit gekostet. Wir haben dann noch gehofft, als wir draußen geblieben sind, dass vielleicht noch ein Safety-Car kommt und wir wussten, dass der nächste Reifensatz weich gewesen wäre, dann wäre das vielleicht noch eine Chance gewesen. Aber da hätten wir Glück gebraucht und das ist aktuell nicht auf unserer Seite", kommt Dr. Marko am Ende sogar noch etwas ins Hadern.
Für die Weltmeisterschaft und das kommende Rennen in Monaco blickt der Red-Bull-Boss jedoch optimistischer in die Zukunft: "Es ist zum Glück noch ein Rückstand, der bei der bevorstehenden Anzahl an Rennen nicht beängstigend ist. Aber wir müssen im Rennen den Speed finden. Wenn wir unsere Qualifying-Stärke behalten, ist es in Monaco so, dass man vorne bleibt. Da gibt es keine Überholmanöver. Das ist die Hoffnung."
Doch auch für Barcelona wurden bekanntlich kaum Überholmanöver prognostiziert, weil es auf dem Kurs so schwer zu attackieren ist. Dennoch hat es Mercedes geschafft, sich gegenüber Red Bull und Max Verstappen durchzusetzen - mit strategischem Geschick.
Auf dieses werden sie sicherlich auch auf dem Stadtkurs im Fürstentum Monaco (ab Donnerstag, 20. Mai LIVE und EXKLUSIV auf Sky Sport F1) zurückgreifen. Es wird spannend zu sehen sein, ob Verstappen und Co. diesmal eine passende Antwort parat haben werden oder ob Mercedes sie wieder Schachmatt setzt ...