Mercedes kämpft mit Problemen - Besserung in Australien?
05.04.2022 | 14:24 Uhr
Porpoising und Geschwindigkeitsdefizite sind die derzeit wohl gravierendsten Baustellen bei Konstrukteurs-Meister Mercedes. Die Silberpfeile fahren bislang nur hinterher - auch beim anstehenden GP von Australien?
Mercedes legte in den vergangenen acht Jahren eine beispiellose Dominanz hin. Die Silberpfeile sicherten sich acht Konstrukteurs- und sieben Weltmeister-Titel. Bei kaum einem der 160 Rennen zwischen 2014 und Ende 2021 war Mercedes nicht in der Lage, einen Sieg einzufahren.
Auch aus diesem Grund galt der Rennstall auch nach der Regelrevolution in der Formel 1 weiterhin als Favorit auf die Titel. Doch bei den bisherigen beiden spannenden Grands Prix in dieser Saison spielten die Silberpfeile bei der Vergabe von Platz eins keine Rolle. Ganz im Gegenteil: Den negativen Höhepunkt erlebte der siebenmalige Weltmeister Lewis Hamilton im Qualifying in Saudi-Arabien, als er fast schon blamabel in Q1 die Segel streichen musste. Im Rennen sah es mit der Endplatzierung zehn nur marginal besser aus.
Nicht erst dort konstatierte Mercedes, dass man von den beiden Rivalen Ferrari und Red Bull weit entfernt sei. Doch wo liegen eigentlich die Probleme, wie reagiert Lewis Hamilton darauf und wird es eine schnelle Lösung geben? Sky Sport versucht die Antworten zu liefern.
Die Probleme waren bereits vor dem ersten Rennen im Jahr 2022 offensichtlich. Nach einem stabilen ersten Test in Barcelona sorgte Mercedes vor dem zweiten Test in Bahrain mit einem radikalen neuen Design für den W13 E Performance für Aufsehen. Die Seitenkästen wurden nahezu vollständig eliminiert, was doch für Verwunderung sorgte. Allerdings überwog die Meinung: Mercedes wisse schon, was sie tun, immerhin dominierte man die Formel 1 in den vergangenen Jahren fast nach Belieben. Deshalb werden sie auch in diesem Jahr um Siege mitfahren.
Doch es "läuteten bei mir schon ein paar Alarmglocken", erklärt Mercedes-Simulationsfahrer und Sky UK Datenanalyst Anthony Davidson. "Ich konnte schon in Bahrain auf der Strecke sehen, dass es nicht ganz so aussah wie das Auto, das ich aus dem Simulator kannte.
Mercedes hat in diesem Jahr mehr als die meisten anderen Teams mit dem Phänomen des "Porpoising" zu kämpfen. Das ständige Bouncing war bei der Entwicklung des Autos im Simulator nicht zu sehen und hat Mercedes offensichtlich unvorbereitet getroffen. Beim Rennstall gehe man davon aus, dass das Porpoising das Grundübel für weitere Probleme am Autos ist - Stichwort Geschwindigkeitsdefizit.
In Saudi-Arabien wurden die Unterschiede deutlich. Ferrari und Red Bull, die das Bouncing besser in den Griff bekommen haben bzw. nie ein solch großes Problem damit hatten, waren oft eine Sekunde pro Runde schneller als die beiden Mercedes. Dies liegt vor allem daran, dass Mercedes das Auto höher stellen muss, um dem Porpoising entgegenzuwirken. Dies wiederum führt zu Geschwindigkeitseinbußen.
"Ich denke, der Hauptpunkt ist, dass sie die Fahrhöhe des Autos nicht so einstellen können, wie sie es wollen", erklärt Davidson. "Ich sehe viele andere Teams, den Red Bull zum Beispiel. Der kann über den Boden schrammen und Funken fliegen lassen. Sie können das Auto physisch nicht tiefer auf den Boden bringen. Das sieht man bei Mercedes nicht."
Und weiter: "Ich denke, Mercedes möchte idealerweise dort fahren, wo der Red Bull ist, aber jedes Mal, wenn sie versuchen, dorthin zu kommen, beeinträchtigen das Aufschaukeln und das Aufprallen den Komfort im Auto und auch die Geschwindigkeit unglaublich stark. Und das passiert nicht nur auf der Geraden, sondern auch in den Hochgeschwindigkeitskurven."
Den wohl größten Dämpfer erhielt Hamilton beim Qualifying in Jeddah, als er in Q1 sensationell scheiterte und das Rennen von weit hinten starten musste. Der siebenmalige Weltmeister wurde von seinem neuen Teamkollegen George Russell deutlich geschlagen und machte nach dem Rennen, in dem er nur einen einzigen Punkt holte, eine niedergeschlagene Figur. In Bahrain zum Auftakt sprang immerhin noch Platz drei heraus - allerdings auch begünstigt durch den Ausfall der beiden Red Bull.
Dennoch dürfe man Hamilton auf keinen Fall unterschätzen und bereits abschreiben, betonte Davidson. "Er wird nicht aufgeben, er wird weiter an die Grenzen gehen. Er ist im Qualifying in Saudi-Arabien ziemlich extrem mit dem Auto umgegangen und hat versucht, das herauszuholen, was er wollte. Im Rennen hat er dann seinen Rhythmus gefunden. Ich erwarte, dass Lewis herausfindet, was dieses Auto in Bezug auf seinen Fahrstil braucht."
Und weiter: "Natürlich ist er sehr anpassungsfähig, er war in jeder Generation von Formel-1-Autos schnell, und es gibt keinen Grund, warum er das in der aktuellen Generation von Formel-1-Autos nicht fortsetzen sollte. Er muss nur seinen Rhythmus finden. Ich habe das Gefühl, dass er und das Team mit der Zeit hart daran arbeiten und die Sache umdrehen werden."
Mercedes plant für die nächsten Rennen "schrittweise Upgrades" und wird das erste Update am kommenden Wochenende beim Australien-GP in Melbourne einführen. Dadurch erhofft man sich eine gewisse Leistungssteigerung, doch die endgültige Lösung der Probleme wird dabei nicht erwartet.
"Das Auto ist nicht so gut wie der Red Bull und der Ferrari, es befindet sich im Niemandsland", sagt Davidson. "Es bewegt sich in einer Grauzone, in der man die Spitze nicht herausfordern kann, aber sicherlich schneller ist als das Mittelfeld hinter einem. Ich erwarte, dass sie Fortschritte machen ... aber das wird Zeit brauchen, es ist keine schnelle Lösung."
Teamchef Toto Wolff erklärte zuletzt fast schon gebetsmühlenartig, dass man versuche, so viele Punkte wie möglich einzufahren, bis man wieder um Rennsiege und Pole Positions mitkämpfen könne. Im Hinblick auf das Know-how und die Erfahrung beim Lösen von Problemen bricht bei Mercedes (noch) keine Panik aus.
Es stellt sich jedoch die Frage, wie weit Ferrari und Red Bull enteilt sein werden, bis man das gesamte Potential des Silberpfeils ausschöpfen kann. Und wird dieses dann auch reichen, um den Rückstand aufzuholen?
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