Der FC Bayern bereitet sich derzeit auf die Champions League vor. Bevor es ernst wird, spricht der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge exklusiv mit Sky Sport. Im ersten Teil des Interviews geht es u.a. um die Chancen der Münchner und er erklärt, warum ihn David Alaba an den Kaiser erinnert.
Sky Sport: Sind Sie überrascht über das Strafverfahren gegen Gianni Infantino? Hat sich das angedeutet und wie ist Ihr Verhältnis?
Rummenigge: Ich habe gerade erst die Meldung gelesen. Ich habe zu wenig Details, als dass ich mich dazu äußern könnte. Bei der FIFA ist man es eben gewohnt, dass es unruhig ist.
Sky Sport: Es geht um Geheimtreffen mit dem Staatsanwalt, der bereits zurückgetreten ist. Bahnt sich etwas an, das dem Fußball schaden kann?
Rummenigge: Das wünsche ich keinem. Ich kenne Gianni Infantino schon lange. Bereits aus seiner Zeit bei der UEFA, als er Generalsekretär war. Dort hat er einen guten Job gemacht und ich wünsche ihm nicht, dass er in Probleme hineingerät.
Sky Sport: Werden Sie ihn dennoch in Sachen Lewandowski anrufen?
Rummenigge: Das habe ich schon. Ich habe vor zwei Tagen mit ihm gesprochen und ihm gesagt, dass ich sehr überrascht bin, dass der Ballon d'Or in diesem Jahr nicht stattfinden soll, weil France Football das in Frankreich angekündigt hat. Ich habe ihm gesagt, dass es auch etwas mit Tradition zu tun hat und dass das jedes Jahr stattgefunden hat und die FIFA soll darüber nachdenken, ob sie es nicht trotzdem stattfinden lässt. Auch in Zeiten von Corona kann man so eine Gala zumindest in einem kleinen Kreis stattfinden lassen. Es ging mir dabei gar nicht primär um Robert, sondern einfach um den Fakt, dass ja normal Fußball gespielt wurde. Natürlich in nicht-normalen Zeiten und auch ohne Zuschauer, aber bis auf Frankreich wurde jede wichtige Liga zu Ende gespielt. Dann gibt es für mich auch keinen Grund, warum die Auszeichnung nicht vergeben werden sollte. Ich wünsche es natürlich Robert Lewandowski, der bisher eine fantastische Saison gespielt hat und vielleicht ist er dann noch ein Stück motivierter, wenn es hoffentlich nach Lissabon geht und dort beim Final-8 dabei sein dürfen.
Sky Sport: Was hat Gianni Infantino Ihnen gesagt?
Rummenigge: Dass er grundsätzlich genau so denkt wie ich und das mit seinem Panel besprechen will und ich habe den Eindruck gehabt, dass er sich das vorstellen kann.
Sky Sport: Gestern gab es die Urteilsbegründung des CAS zur Causa Manchester City. Dabei kam raus, dass zwei von Manchester City vorgeschlagene Richter tatsächlich entscheiden durften und das Urteil fiel mit 2:1 aus. Macht Financial Fairplay da noch Sinn?
Rummenigge: Man muss ein wenig in die Vergangenheit gehen. Financial Fairplay ist vor rund zehn Jahren installiert worden, in der Zwischenzeit auch mal modifiziert worden, aber wir sind nun zehn Jahre entfernt vom Ursprung. Es wurde damals installiert mit der Regel: "Gib nicht mehr aus, als du einnimmst". Wir sind jetzt im Jahr 2020 und das Financial Fairplay muss an diese Zeit angepasst werden. Wir müssen es ein Stück seriöser, stringenter, klarer und auch kommunikativer machen, damit die Klubs wissen, was sie erwartet an Strafen, wenn sie gegen Statuten verstoßen. Das ist derzeit alles etwas nebulös und nicht ganz klar und deshalb empfehle ich der UEFA dringend - gemeinsam mit den Klubs und der ECA - Financial Fairplay zu modifizieren und den heutigen Gegebenheiten anzupassen, damit wettbewerbsgleiche Bedingungen für alle vorherrschen.
Sky Sport: Könnten Teams, die von einem Scheich unterstützt werden, wie in Paris oder eben Manchester City, langfristig zu einem Schaden im Fußball führen?
Rummenigge: Ich habe Financial Fairplay als etwas angesehen, dass ein Wettbewerb wie die Champions League unter gleichen Bedingungen gespielt wird und deshalb ist es wichtig, dass alle unter den gleichen Bedingungen spielen. Das ist die Aufgabe der UEFA, dass sie das einfordert. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, sich mit dem Präsidenten Aleksander Ceferin darüber zu unterhalten, falls wir uns für Lissabon qualifizieren. Aktuell durchleben wegen Corona alle schwierige Zeiten, aber schwere Zeiten kann man auch nutzen, um Dinge zu verbessern.
Sky Sport: Noch einmal kurz zurück zur Richter-Wahl des CAS. Ist es vielleicht auch eine Option, sich strafgerichtlich zu orientieren und unabhängige Richter hat?
Rummenigge: Ich muss zugeben, dass es mir gar nicht genau bekannt war, wie das im Detail funktioniert, aber es gibt diese Sportgerichtsbarkeit mit der letzten Instanz CAS und es ist wichtig, dass das am Ende eine auch für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Urteilsverkündung ist und nicht, dass man noch ein komisches Geschmäckle hat.
Sky Sport: Kommen wir zur Champions League. Wie ist da Ihr Bauchgefühl?
Rummenigge: Am Samstag in einer Woche haben wir das Rückspiel gegen Chelsea. Da sieht es nicht schlecht aus, denn wir haben das Hinspiel in London 3:0 gewonnen, aber wir müssen uns erstmal noch für das Viertelfinale in Lissabon qualifizieren. Ich hoffe, dass wir das schaffen und da nichts mehr anbrennt. Die Mannschaft ist gut vorbereitet. Man spürt, wenn man beim Training von oben zuschaut, dass die Mannschaft sehr motiviert ist, nachdem sie jetzt Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger geworden ist. Der dritte Pokal ist der schwerste, denn die Gegner, die in Lissabon warten, sind alle erster Güte, aber es ist alles möglich. Es ist ein neues Format und da muss man sehr konzentriert spielen, absolute Topleistung auf den Platz bringen und gut performen. Unsere Mannschaft hat in der Bundesliga und im Pokal bewiesen, dass sie in Corona-Zeiten dazu in der Lage ist.
Sky Sport: Oft wird gemunkelt, dass das Format dem FC Bayern nicht entgegenkommt. Die Form ist zwar am besten, aber in einem Spiel kann immer alles passieren. Wie sehen Sie das?
Rummenigge: Es ist einfach quasi das WM-Format, das wir nun spielen und für die Zuschauer wird es wahrscheinlich die spannendste Champions League aller Zeiten sein. Man hat in diesen Spielen die Chance, alles zu gewinnen oder wenn du Pech hast, eben früh auszuscheiden. Wir tun gut daran, step by step zu denken - das haben wir 2013 mit Jupp Heynckes auch gut gemacht. Ich erinnere nur daran, dass wir damals im Achtelfinale mit einem Bein schon draußen waren, als es auf einmal 2:0 für Arsenal stand. Wenn die das dritte Tor geschossen hätten, wären wir weg gewesen. Man muss unaufgeregt, aber hochkonzentriert in die Champions League gehen und nicht die Früchte ganz oben hinhängen, sondern von Spiel zu Spiel denken und sich dann konzentrieren.
Sky Sport: Es gibt Diskussionen, was besser ist: Durchspielen wie es die Ligen in Spanien, Italien oder England gemacht haben oder wie es hier der Fall war, dass noch ein Urlaub dazwischen war…
Rummenigge: Das wird man herausfinden müssen. Der Trainer hat die Mannschaft für zwei Wochen in Urlaub geschickt, aber die mussten ja dennoch weiter an ihrem Fitnesszustand arbeiten und kommen jetzt nicht bei Null zurück, sondern auf einem vernünftigen Niveau. Er hat jetzt gut mit ihnen in dieser Woche trainiert und wir haben noch ein Vorbereitungsspiel gegen Qlympique Marseille, dann nochmal eine Woche und dann wartet mit Chelsea der erste ernsthafte Gegner. Wir haben die Hoffnung, dass wir die Runde überstehen und dann in diesem Final-8-Turnier dabei sein werden. Das ist unser Ziel und dann warten die ganz großen Kracher auf uns und man wird sehen, wie weit wir kommen. Ob es ein Vorteil oder Nachteil ist, wird man erst beim Turnier erkennen. Ob die zwei Wochen Pause den Rhythmus unterbrochen haben oder ob man eben frische Kräfte sammeln konnte.
Sky Sport: Benjamin Pavard fällt aus. Wen würden Sie aufstellen? Kimmich zurückziehen, obwohl er im Mittelfeld alles stabilisiert hat, aber wohl der beste Rechtsverteidiger ist oder es lieber mit Lucas Hernandez versuchen? Was würden Sie machen, wenn Sie Hansi Flick wären?
Rummenigge: Aber ich bin Karl-Heinz Rummenigge und nicht der Trainer (lacht). Ich glaube, wir sind gut beraten, dem Hansi diese Kompetenz exklusiv zu überlassen. Ich glaube und bin optimistisch, dass Benji nur für das Spiel gegen Chelsea ausfallen wird und danach wieder zur Verfügung steht, wenn wir das packen sollten. Es würde also nur ein Spiel betreffen. Pavard hat eine gute Saison gespielt, vielleicht sogar eine sehr gute und der Trainer wird sich die beste Lösung einfallen lassen. Ich habe absolutes Vertrauen zu Hansi. Er hat das wirklich mit Bravour gemacht, seitdem er den Job hat und wir sind gut beraten, ihm auch dieses Mal total das Vertrauen zu geben.
Sky Sport: Sie gehen auf der Tribüne aber schon enthusiastisch mit. Gibt es da vorher Diskussionen mit Hansi?
Rummenigge: Das habe ich mir abgewöhnt, weil wir hatten hier ja mal Pep Guardiola als Trainer. Der hat uns nicht einmal samstags die Aufstellung verraten, geschweige denn, wie er taktisch spielt. Das war so eine Geheimniskrämerei bei ihm und seitdem habe ich mir abgewöhnt, mit dem Trainer über Taktik oder Mannschaftsaufstellung zu sprechen. Die haben den besten Einblick, die trainieren jeden Tag mit den Spielern und man muss jeden Tag den Trainern das Vertrauen geben, dass sie das richtig machen und Hansi hat bewiesen, dass er dieses Jahr alles richtig gemacht hat.
Sky Sport: David Alaba wird spielen, aber wie lange wird er noch beim FC Bayern spielen? War diese überragende Saison sogar etwas schlecht für den FC Bayern, weil er sich noch stärker in den Fokus spielte? Wie laufen die Verhandlungen? Zuletzt haben wir von Pini Zahavi (Berater von Alaba; Anm. d. Red.) gehört, dass es durchaus ein an Corona angepasstes Angebot gab…
Rummenigge: Erstmal muss ich über David sagen, dass er eine großartige Saison gespielt hat. Das ist ja ein Stück weit aus der Not heraus geboren, dass er in der Innenverteidigung spielen musste, da wir mehrere Verletzte hatten. Und dann hat Hansi ihn auf diese Position gestellt. Das hat er mit Bravour gemacht. Wir haben jetzt einige Zeit keinen Häuptling mehr in der Abwehr gehabt. Also einer, der dort wirklich das Zepter in die Hand nimmt und dort den Ton angibt und einfach auch als Chef der Defensive agiert. Das hat er gemacht. Das hat man jetzt insbesondere auch in diesen Corona-Zeiten gesehen. In diesem leeren Stadion hat man mit seinen Anweisungen festgestellt, wie gut er das hinten organisiert. Auch mit seiner Spielweise ist er schon ein sehr, sehr wichtiger Spieler für uns, darüber brauchen wir nicht zu sprechen. Ich möchte auch gar nicht so sehr über Verhandlungsdinge sprechen, weil ich glaube, das wäre nicht fair der anderen Partei gegenüber und es liegt in der Natur der Dinge, dass der Berater des Spielers so viel rausholt wie rauszuholen ist und es liegt auch in der Natur der Dinge, dass der FC Bayern - speziell in diesen Zeiten - versucht, seine Finanzen ein Stück zusammenzuhalten.
Ich bin trotzdem optimistisch, dass wir am Ende des Tages eine Lösung finden werden, dass David hier sogar seine Karriere beendet. Ich habe immer gesagt, der David ist für mich eigentlich so etwas wie der schwarze Franz Beckenbauer. Er ist der erste Spieler, der wieder auf diesem Niveau wie der Franz damals gespielt hat, mit dem ich ja noch selber auf dem Platz spielen durfte, der dieses Zepter so in die Hand nimmt. Auch von der Persönlichkeit hat er eine tolle Entwicklung genommen und hat die Chance - gerade in Zeiten von Black Lives Matter - auch durch seine Hautfarbe nochmal eine besondere Rolle einzunehmen. Ich glaube, David weiß, was er am FC Bayern hat, und wir wissen, was wir an David haben.
Die Aussage in der Analyse in "Transfer Update - Die Show" - Montag, ab 18:00 Uhr auf Sky Sport News HD und im Stream auf skysport.de!
Die Fragen stellte Sky Reporter Uli Köhler.