Rummenigge im Interview: "Thiago ist ein guter Charakter"
01.08.2020 | 11:21 Uhr
Der FC Bayern bereitet sich derzeit auf die Champions League vor. Bevor es ernst wird, spricht Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge exklusiv mit Sky Sport. Im zweiten Teil des Interviews spricht er unter anderem über Thiago und die Auswirkungen von Corona.
Sky Sport: Inwieweit ist es für Sie überhaupt ein Problem, jetzt den FC Bayern für die Zukunft aufzustellen? Wo man nicht weiß, wie lang noch die Zuschauer fehlen oder die Sponsoren so liquide sind, dass sie alle ihre Verpflichtungen erfüllen können. Kann man da überhaupt im modernen Fußball - bei den Verträgen scheint es ja sehr schwer zu sein - ein Sicherheitsnetz einbauen?
Rummenigge: Darüber gilt es in Zukunft nachzudenken, ob man zum Beispiel, wenn man Verträge verlängert, eine Art Corona-Klausel einbaut. Es hat die ganze Welt betroffen. Es hat alle Sektoren betroffen, egal, ob den Automobilsektor, den Tourismus, die Gastronomie. Alle sind geschädigt, und der Fußball ist auch geschädigt. Und auch der FC Bayern steht vor einer - daraus mache ich keinen Hehl - vor einer finanziell herausfordernden nächsten Saison. Wir alle wissen nicht, wie lange uns Corona begleitet. Wir hoffen natürlich, so kurz wie möglich, aber im Moment sieht es leider so aus, als wenn sich eine zweite Welle aufbaut. Und wir hoffen trotzdem, dass wir - wenn es am 18. September in die neue Saison geht - zumindest mit einer gewissen Anzahl von Fans wieder spielen dürfen. Immer natürlich unter der Voraussetzung, dass das gesundheitlich zu verantworten ist und dass auch die Politik mitspielt.
Sky Sport: Darüber gibt es zeitnah auch eine Entscheidung. Was erwarten Sie?
Rummenigge: Ich glaube, was mir in der ganzen Corona-Pandemie gefallen hat, speziell im April, als es darum ging, die Bundesliga wieder zu starten und dann die Saison zu Ende zu spielen, war ganz einfach die Harmonie und Loyalität, mit der alle 36 Vereine damals die Sache angegangen sind. Ich wünsche mir, dass wir das jetzt auch weiter aufrechterhalten. Ich glaube, das hat uns sehr unterschieden von vielen Kollegen in Europa, sei es in Italien oder England, wo es Streitereien um viele Kleinigkeiten gab. In Deutschland war man wirklich sehr harmonisch, sehr loyal. Man muss auch sagen, dass insbesondere die DFL und da insbesondere Christian Seifert einen herausragenden Job gemacht haben.
Sky Sport: Es geht da auch um Solidarität. Ist der FC Bayern bereit, an der Einnahme-Verteilung Abstriche zu machen?
Rummenigge: Die DFL ist vor 20 Jahren gegründet worden, seitdem wird das Geld von der DFL verteilt und hier gemäß den Statuten vom gewählten DFL-Präsidium. Ich bin ja praktisch vom ersten Tag der DFL dabei und habe viele Diskussionen verfolgt, es gab immer Debatten um die Verteilung des Geldes. Das liegt in der Natur der Dinge. Jeder versucht natürlich so viel wie möglich, seine Finanzen so seriös mit nach Hause zu nehmen, wie er das für richtig hält. Aber es ist immer gelungen, bei allen Diskussionen am Ende des Tages eine seriöse und faire Verteilung zu finden, die auch von allen 36 Vereinen mitgetragen wurde. Ich bin überzeugt, bei allem, was da jetzt gerade passiert - das hängt natürlich auch mit Corona und deren Einflüsse auf die Finanzen zusammen - dass das auch diesmal wieder gelingen wird. Ich bin sehr, sehr optimistisch, dass am Ende des Tages auch alle 36 Klubs wieder zufrieden nach Hause gehen und die Saison fußballerisch zu Ende spielen.
Sky Sport: Gibt es auch so etwas wie eine Allianz der Starken zwischen Ihnen und Hans-Joachim Watzke gegen die anderen? Sind da die Fronten, die erst aufgebrochen werden, oder gibt es da schon ein Verständnis?
Rummenigge: Ich habe jetzt gar nichts gesagt und ich möchte auch jetzt nichts sagen und auch nicht in die Opposition zu Leuten wie Röttgermann (Vorstandsvorsitzender von Fortuna Düsseldorf, Anm. d. Red.) oder Lehmann von Mainz (Kaufmännischer Vorstand beim FSV Mainz 05, Anm. d. Red.) gehen oder sonst was. Das bringt alles nichts. Ich glaube, wir müssen ein gegenseitiges Verständnis entwickeln und aus dem gegenseitigen Verständnis eine Diskussion, die hoffentlich auch in Harmonie und Loyalität geführt werden kann. Und dann Lösungen finden, die am Ende des Tages alle befriedigen. Und dann wird man sehen, ob das möglich ist. In der Vergangenheit war es immer möglich. Ich wünsche mir, dass es auch diesmal wieder möglich ist.
Sky Sport: Über Geld haben wir schon geredet. Man weiß nicht, wo es hingeht. Wie voll ist die Kasse des FC Bayern im Moment? Man sieht ja, dass in England trotzdem noch viel Geld ausgegeben wird…
Rummenigge: Vielleicht haben die eine größere Kasse als wir hier in der Bundesliga. Nein, ganz Europa ist corona-geschädigt. Ich glaube, ich habe ein sehr gutes Netzwerk zu vielen Kollegen - egal, ob das Real Madrid, Barcelona, viele englische Klubs, Frankreich, Italien ist - und kann nur klar und deutlich sagen: Jeder stöhnt, jeder leidet. Jeder hat Mindereinnahmen. Und eins kann ich auch sagen: Die größeren Klubs haben größere Mindereinnahmen als die kleineren. Das liegt natürlich in der Natur der Dinge, weil die Einnahmen bei uns allen natürlich auch ein Stück mehr in Frage gestellt sind und wir früher auch höhere Einnahmen hatten.
Sky Sport: Einen Transfer haben wir noch vergessen. Die Thiago-Seite äußert sich nicht. Was ist da plötzlich passiert, nachdem alles fast schon klar schien?
Rummenigge: Eigentlich waren die Gespräche, die Hasan mit ihm geführt hat, immer sehr produktiv. Und irgendwann hat es eigentlich auch den Anschein gehabt, dass man jetzt klar ist. Aber dann hat Thiago dem Hasan mitgeteilt, dass er nochmal etwas Neues machen möchte und dementsprechend ist das so. Das wird man akzeptieren müssen. Wir haben einen Vertrag, der noch ein Jahr Gültigkeit hat und wenn er mit irgendeinem Verein klar sein sollte und dieser Verein eine Ablöse in einer gewissen Größenordnung zahlen sollte …
Sky Sport: ... da hat man 35 Millionen Euro gehört …
Rummenigge: Darüber möchte ich jetzt in der Öffentlichkeit keinen Kommentar abgeben, welche Größenordnung uns im Hinterkopf vorschwebt. Dann werden wir uns damit befassen, aber wir werden, auch das habe ich auch schon gesagt, keinen Summer-Sale veranstalten. Es wird immer eine gewisse Summe X fließen müssen, dass wir einem Spieler auch frühzeitig die Freigabe erteilen.
Sky Sport: Ich lese so zwischen den Zeilen, dass Sie ein bisschen sauer sind, dass das so gelaufen ist?
Rummenigge: Nein, ich bin gar nicht sauer, ich mag ihn. Ich finde, er ist ein toller Fußballer, ein feiner Fußballer und er ist auch ein guter Charakter. Und man darf auch nicht vergessen: Er ist mit 29 Jahren in einem Alter, wo er, wenn er was Neues machen will, es jetzt machen muss, weil wenn man die Drei vorne stehen hat, dann wird es schwieriger, Transfers zu bewerkstelligen.
Die Fragen stellte Sky Reporter Uli Köhler.