Tabellenletzter mit fünf Punkten Rückstand auf das rettende Ufer. Schalke muss in der Rückrunde deutlich besser punkten als bisher, wenn der erneute Abstieg verhindert werden soll. Die Knappen nutzen daher die üppige Winterpause, um einige weitreichende Entscheidungen zu treffen.
Der FC Schalke 04 hat ein miserables Halbjahr hinter sich. Nach einigen desolaten Auftritten in der Bundesliga unter dem neuen Trainer Frank Kramer war die Aufstiegseuphorie nach der Zweitliga-Meisterschaft schnell verflogen. Der Klub mit den zweitmeisten Mitgliedern Deutschlands steckte vom ersten Spieltag an im Tabellenkeller fest. Kramer musste nach dem 10. Spieltag gehen, aber noch ehe ein Nachfolger präsentiert werden konnte, warf mit Rouven Schröder der Sportdirektor und das Gesicht des Klubs völlig überraschend hin.
Unter dem neuen Coach Thomas Reis war im Endspurt zwar eine deutliche Entwicklung und Leistungssteigerung zu erkennen, aber zahlreiche Verletzungen in der Defensive verhinderten eine bessere Punkteausbeute. Das Ergebnis nach 15 Spieltagen ist ernüchternd: Tabellenplatz 18, nur neun Punkte auf dem Konto und dazu ein furchtbares Torverhältnis von 13:32. Hertha BSC auf Platz 15 liegt schon fünf Punkte vor S04 und hat eine Tordifferenz von gerade einmal Minus drei.
Schalke muss Winterpause nutzen
Es war also früh klar, dass Schalke die - wegen der WM in Katar extra lange - Winterpause dringend nutzen muss, wenn im neuen Jahr eine Aufholjagd gestartet werden soll. In den Testspielen bei Rapid Wien (2:2), Hajduk Split (3:4) und beim VfL Osnabrück (2:2) blieb man jedenfalls ohne Sieg und offenbarte defensiv zu viele Schwächen, zeigte aber immerhin offensiv gute Ansätze.
Der Kader muss dennoch dringend verstärkt werden, wenn es mit dem Wunder klappen soll. Aber auch in anderen Bereichen mussten viele wichtige Entscheidungen getroffen werden, damit S04 konkurrenzfähig ist. Einiges haben die Verantwortlichen schon abgearbeitet, aber es steht auch noch Arbeit an. Sky Sport zeigt, wie Schalke das Projekt Klassenerhalt realisieren will.
Wichtige Entscheidungen im Trainerteam
Vier Co-Trainer unterstützten Reis in der Hinrunde und saßen bei den Partien auch auf der Bank. Viel zu viele für den neuen Übungsleiter, der das Trainerteam im Winter folgerichtig deutlich verkleinerte. Sein Vertrauter Markus Gellhaus, mit dem Reis auch in Bochum schon zusammenarbeitete, bleibt wichtigster Ansprechpartner.
Matthias Kreutzer konzentriert sich in Zukunft als zweiter Co-Trainer wieder verstärkt um die Spielanalyse und verfolgt deshalb die Spiele von der Tribüne aus, soll aber "im stetigen Austausch" mit Gellhaus bleiben. Von Beniamino Molinari trennte sich Schalke komplett und Vereinslegende Mike Büskens, an dessen Rolle in der Hinrunde auch Kritik laut wurde, wird neuer "Verbindungstrainer". Er soll junge Spieler im Übergang in den Seniorenbereich begleiten und unterstützen und wird in der Rückrunde ebenfalls nicht mehr auf der Bank sitzen.
"In den vergangenen Wochen habe ich die Eindrücke, die ich bis zur Pause sammeln durfte, analysiert und mir Gedanken darüber gemacht, wie wir als Trainer-Team das Maximum aus unserem Kader herausholen können", sagte Reis dazu. Die Veränderungen seien nötig, "um in der Bundesliga zu bestehen".
Zudem hat Schalke mit Pia Malin Jensen eine Ernährungsberaterin hinzugezogen und auch einen Sportpsychologen eingestellt, den Reis gut kennt, denn er arbeitete bereits in Bochum mit Michael Grundwald zusammen.
Schröder-Abgang intern auffangen
Auch im Management mussten Entscheidungen getroffen werden, denn nach dem plötzlichen Abgang von Schröder stand Schalke kurz vor einer der wichtigsten Transferperioden der Vereinsgeschichte plötzlich ohne Sportdirektor da. Benjamnin Schmedes von Vitesse Arnheim war kurz ein Kandidat, aber schnell wurde intern die Entscheidung gefällt, dass die Nachfolge intern aufgefangen werden soll.
Sportvorstand Peter Knäbel wird einen Teil der Aufgaben wieder selbst übernehmen und dabei durch Sportreferent Rene Grotus und Chefscout Andre Hechelmann unterstützt. Das Duo ist gut vernetzt und kann sich nun profilieren. "Es ist wichtig, dass wir Leute haben, die die Mannschaft kennen. Diejenigen, die es gerade machen dürfen, haben einen Vorteil. Sie können agieren, sie können sich zeigen", erklärte Knäbel die Entscheidung.
Ob ab Februar noch eine weitere Person hinzugezogen wird, ist offen. Ein Eins-zu-Eins-Ersatz für Schröder, der dann auch das neue Gesicht Schalke wird, ist nach Sky Informationen aber unwahrscheinlich. Denkbar ist aber, dass Schalke sich mit einem Mann verstärkt, der im Hintergrund einen Kader planen kann.
Mannschaft muss verstärkt werden - aber wo?
Bei den Rahmenbedingungen hat Schalke schnell für Tatsachen gesorgt, doch wie soll die neue Mannschaft 2023 aussehen, die das Wunder Klassenerhalt schaffen soll? Bedarf besteht auf vielen Positionen: In der Offensive fehlte es oft an Geschwindigkeit über die Flügel, aber auch die Defensive war oft löchrig, da der Kader vor allem in der Innenverteidigung aufgrund von zahlreichen Verletzungen an seine Grenzen stieß. Zudem wäre auch eine weitere Alternative für das Zentrum wünschenswert, auch wenn kaum finanzielle Mittel vorhanden sind.
Positive Nachrichten gab es dann früh aus dem Lazarett. Es stellte sich heraus, dass Sepp van den Berg, im Sommer als Ersatz für Malick Thiaw vom FC Liverpool ausgeliehen, nach seinem Bänderriss im Sprunggelenk früher als geplant zurückkehren würde und möglicherweise bereits zum Rückrundenauftakt zur Verfügung steht.
Auch Marcin Kaminiski, der fast die gesamte Hinrunde fehlte, ist endlich wieder fit und eine Option für Trainer Reis. Der neue Coach hält zudem große Stücke auf den bisher kaum berücksichtigten Ibrahima Cisse und verglich ihn bereits mit WM-Fahrer Armel Bella-Kotchap, dem unter Reis in Bochum der große Durchbruch gelang. Der Fokus bei Neuzugängen sollte somit primär auf den offensiven Außen und einem Zentrumsspieler gelegt werden.
Flick wird durch Tauer ersetzt
Doch bevor man hier Nägel mit Köpfen machte, dünnte Schalke den Kader etwas aus. Zunächst verlieh man Florian Flick für die Rückrunde an den 1. FC Nürnberg, wenige Tage später wurde auch Kerim Calhanoglu leihweise für sechs Monate an den SV Sandhausen verliehen. Beide Youngster hatten in Gelsenkirchen kaum Aussichten auf Einsatzzeiten und sollen Spielpraxis sammeln. Das Duo wäre im Sommer wieder eine Option für Schalke, falls der Klassenerhalt nicht geschafft wird. Aus diesem Grund lehnte Schalke auch eine Kaufoption für die aufnehmenden Vereine rigoros ab.
Vor wenigen Tagen konnte dann auch der erste Neuzugang vorgestellt werden. Leihweise für 18 Monate kommt Niklas Tauer vom 1. FSV Mainz 05. Der 21-Jährige ist im zentralen Mittelfeld zu Hause und könnte beispielsweise den beiden Achtern Alex Kral und Tom Krauß den Rücken freihalten. Der Transfer überraschte einige Schalker Fans, da dies theoretisch auch Flick hätte machen können, aber Knäbel erklärt die beiden Transfers:
"Wir tauschen Flo Flick mit Niklas Tauer gegen einen Spieler, der in den relevanten Daten noch ein bisschen besser ist - da geht es um Themen wie Geschwindigkeit und Kopfballspiel", so der Sportvorstand, der zudem zu bedenken gab, dass man bei Flick einen "Werteverlust" befürchtete, wenn dieser weiter nur auf der Bank gesessen hätte, Beim Club habe der U21-Nationalspieler aber gute Chancen auf einen Stammplatz.
Neuzugang Tauer vielseitig einsetzbar
Ein weiterer Vorteil Tauers sei zudem seine Vielseitigkeit: Im Gegensatz zu Flick kann der U-20 Nationalspieler auch in der Innenverteidigung und rechts hinten spielen. Eine Kaufoption besitzt Schalke bei Tauer nicht, aber der Vertrag ist auch für die 2. Bundesliga gültig. Sprich: Sollte Schalke absteigen und Kral und Krauß den Verein verlassen, hätte man mit Tauer und Rückkehrer Flick auch im Unterhaus eine starke Doppel-Sechs.
Zeitnah soll noch ein weiterer Transfer unter Dach und Fach gebracht werden. Knäbel bestätigte das Interesse an Tim Skarke von Union Berlin. Der offensiven Außbahnspieler soll per Leihe inklusive Kaufoption kommen. "Wir feilschen. Jeder guckt für seinen Verein nach der besten Lösung. Wir sind uns noch nicht einig", so Knäbel.
Shootingstar Kozuki
Hinzu kommt noch der bisherige Shootingstar der Vorbereitung: Soichiro Kozuki dürfte zeitnah einen Profivertrag unterschreiben. Ich halte es für sehr wahrscheinlich", verrät Knäbel. Der Japaner, der am heutigen Donnerstag 22 Jahre alt wird, wechselte im Januar aus der zweiten japanischen Liga von Kyoto Sanga nach Deutschland zu Fünftligist 1. FC Düren. Im August ging es weiter zu Schalkes U23 in die vierte Liga, wo er mit acht Toren und fünf Assists der beste Scorer des Teams ist.
Wegen seiner Geschwindigkeit durfte er unter Reis in der Vorbereitung bei den Profis mittrainieren, kam zudem in sämtlichen Testspielen zum Einsatz und befand sich in allen drei Partien auch unter den Torschützen. Nun soll der Japaner auch mit ins Trainingslager ins türkische Belek. Sollte er dort auch überzeugen, könnte er in der Rückrunde voll bei den Profis integriert werden und vielleicht auch für die oder andere Überraschung sorgen.
Tauer und Skarke - reicht das?
Mit Tauer und möglicherweise bald Skarke hätte Schalke die zwei Transfers getätigt, die man unbedingt auch stemmen wollte. Hinzu kommt Kozuki. Aber reicht das? Skarke durfte schließlich in der Hinrunde nur in drei Bundesligaspielen und nur für 49 Minuten bei Union ran. Hinzu kommen zwei Partien in der Europa League (28 Minuten) und ein Spiel im DFB-Pokal (27 Minuten). Bei Tauer sieht es nicht viel besser aus: Zu drei Einsätzen in der Bundesliga, bei denen er insgesamt 90 Minuten auf dem Platz stand, gesellt sich noch ein Kurzeinsatz im DFB-Pokal über zehn Minuten. Und bei Kozuki ist nicht abzuschätzen, ob es für die Bundesliga überhaupt reicht.
Dennoch ist man auf Schalke von der Qualität überzeugt: Skarke hat schließlich in der vergangenen Rückrunde der 2. Bundesliga starke Leistungen bei Darmstadt 98 abgeliefert, kam aber einfach im System der Eisernen nicht zurecht. Er bringt aber vor allem eine Eigenschaft mit, die Reis dringend benötigt: Speed.
Und auch bei Tauer, der als großes Talent angesehen wird, ist Knäbel sicher, dass er als Soforthilfe taugt: "Niklas erfüllt alle Voraussetzungen, die wir uns für das Profil gesetzt hatten: Ein Spieler, der die Bundesliga kennt und der keine lange Eingewöhnungszeit benötigt", lobt der 56-Jährige.
Schalke sucht weiter nach Verstärkungen
Doch bei zwei Transfers wird es auch nicht bleiben, wie Knäbel bestätigt: Auf Nachfrage, ob die Planungen damit abgeschlossen seien, erwidert er deutlich: "Nein, denn wir sehen schon, dass wir aufgrund der Rehabilitationszeiten der Spieler durchaus noch etwas tun sollten. Wir haben die Angel weiterhin im Teich und es nicht mit zweien abrupt fertig, sondern da geht es ja eigentlich erst los, was die Transferzeit als solches betrifft. Da musst du immer Möglichkeiten haben, einzugreifen."
Knäbel hat bei diesen Worten speziell Rodrigo Salazar im Sinn, der nicht nur den Rückrundenauftakt verpassen wird, sondern wohl erst im März eingreifen kann. Schalke fahndet somit nach einem variablen Akteur für die Offensive, der den Unterschied ausmachen kann. Da solche Spieler sicherlich nicht ganz günstig sind, dürfte es aber noch dauern, bis hier Vollzug gemeldet werden kann.
Trainingslager steht an
Erst wenn die finanzstarken Klubs ihre Planungen abgeschlossen haben, wird der ein oder andere Spieler auch für Schalkes Geldbeutel erschwinglich. Denkbar ist zudem, dass der bisher enttäuschende Jordan Larsson oder auch weitere Akteure den Verein noch verlassen, was die Finanzen etwas entlasten würde und die Chance auf den von den Fans gewünschten "Kracher" etwas erhöht. Doch Stars werden nicht nach Gelsenkirchen kommen. Man werde sich an die finanziellen Rahmenbedingungen von Finanzvorstand Christina Rühl-Hamers, die ihren Vertrag vor Kurzem vorzeitig verlängerte, halten.
Zunächst steht aber erst einmal das Trainingslager vom 2. bis 11. Januar in Belek mit Testspielen gegen den FC Zürich und den 1. FC Nürnberg an. Reis arbeitete bisher enorm im konditionellen Bereich, im Trainingslager soll der nötige Feinschliff dazu kommen, dass das erste Halbjahr 2023 nicht ähnlich miserabel wird wie das gerade abgelaufene...