"Weltklasse"-Knorr vor Frankreich: Müssen um unser Leben spielen
24.01.2023 | 13:13 Uhr
Youngster Juri Knorr und Routinier Andreas Wolff schworen die deutsche Nationalmannschaft auf den Kampf um die erste WM-Medaille seit dem Gold-Triumph vor 16 Jahren ein. "Von diesem Spiel haben wir geträumt", sagte Knorr vor dem Viertelfinale gegen Rekordweltmeister Frankreich.
"Ich kann versprechen, dass wir da noch einmal mit einer ganz anderen Energie auftreten werden. Es hört sich vielleicht martialisch an, aber wir müssen um unser Leben spielen, denn natürlich wollen wir weiterkommen", sagte Knorr vor dem Klassiker am Mittwoch (20.30 Uhr) gegen den Olympiasieger.
Am Dienstagmorgen machte sich der DHB-Tross direkt nach dem Frühstück von Kattowitz auf den Weg nach Krakau, von wo es mit dem Flieger weiter nach Danzig ging, wo Tim Zechel, Kreisläufer des HC Erlangen, als 17. Spieler das DHB-Team verstärkt. In Danzig erwartet Wolff im Duell mit dem sechsmaligen Weltmeister "brutale 60 Minuten Kampf und Emotion".
Das schreckt die Schützlinge von Alfred Gislason jedoch ebenso wenig ab wie die Klasse des Rivalen, über den der Bundestrainer urteilte: "Das ist aus meiner Sicht der schwerstmögliche Gegner. Die sind super besetzt, in der Breite überragend besetzt. Da müssen wir ein überragendes Spiel machen, um eine Chance zu haben."
Dennoch wollen Wolff & Co. das 75. Länderspiel gegen die Equipe tricolore mit allen Mitteln siegreich gestalten und die Euphorie in der Heimat ein Jahr vor der Heim-EM weiter befeuern. "Wir müssen das Spiel mit Leidenschaft angehen. Wir werden unser Herz in die Hand nehmen und die vielleicht fehlende Erfahrung gegenüber den Franzosen mit Kampf wettmachen", kündigte Wolff an und forderte: "In solch einem Spiel muss man nicht nur ans Limit gehen, sondern seine Grenzen ausweiten."
Das war beim 26:28 im letzten Hauptrundenspiel gegen Norwegen am Montagabend, bei dem fast sieben Millionen TV-Zuschauer mitfieberten, nicht gelungen. "Das war unser schwächstes Spiel. In der ersten Halbzeit war die Abwehr viel zu durchlässig, in der zweiten Halbzeit verwerfen wir viel zu viele Bälle", resümierte Kapitän Johannes Golla.
Noch einmal soll das der jungen und weitgehend unerfahrenen deutschen Mannschaft nicht passieren. "Ich denke, es war der richtige Zeitpunkt für einen kleinen Dämpfer, damit man sich bewusst macht, dass das alles kein Selbstläufer ist", sagte Wolff. "Jetzt heißt es, Mund abwischen und es besser machen, um mit einem Sieg wieder in die Spur zu finden."
Der 31-Jährige präsentierte sich bei der ersten Niederlage im Verlauf der Endrunde in Polen und Schweden erneut als starker Rückhalt, auf den es auch gegen die mit Topstars wie Dika Mem, Kentin Mahe oder Nikola Karabtic erstklassig besetzten Franzosen ankommen wird. "Wir spielen gegen eine der besten Mannschaften der Welt, da müssen wir konzentrierter, abgezockter und lockerer agieren. Dann haben wir auch eine Siegchance", sagte Wolff.
Der Routinier soll den Kasten vernageln, Knorr im Angriff die Akzente setzen. Der 22-Jährige spielt bei seiner zweiten WM bisher groß auf und ist Vorbereiter und Vollstrecker in Personalunion. Das bringt auch Experten wie Markus Baur, der das deutsche Spiel beim WM-Triumph 2007 dirigierte, zum Schwärmen.
"Er verfügt über eine große individuelle Klasse. Er ist ein kompletter Spieler, der sehr viele Dinge auf dem Feld wahrnimmt und immer versucht, das Maximum herauszuholen. Er hat ein gutes Gespür für Situationen. Er ist torgefährlich, setzt seine Nebenleute gut in Szene und spielt überragend mit dem Kreis zusammen", sagte der 52-Jährige in einem Interview der Handballwoche und attestierte Knorr "Weltklasse".
Sebastian Hinze, Knorrs Vereinstrainer bei den Rhein-Neckar Löwen, teilt Baurs Meinung (noch) nicht. "Er hat ohne Frage alles, was es dazu braucht. Ich glaube aber, dass der Stempel 'Weltklasse' noch etwas zu früh kommt. Er ist jedoch auf dem Weg zur Weltklasse", sagte Hinze (43) und ergänzte: "In meinen Augen gehört mehr Erfahrung - gerade bei diesen internationalen Events - dazu."
Knorrs starke Auftritte bei dieser WM kommen für Teamkollege Wolff nicht überraschend. "Über Juri bin ich nicht erstaunt. Er hat oft gezeigt, welch riesiges Potenzial er hat. Er hat das Zeug, ein ganz Großer zu werden", sagte der Klasse-Keeper.
Knorr - mit 37 Toren bester deutscher Werfer im bisherigen Turnierverlauf - ist die Freude am Spiel deutlich anzumerken. Sein Motto: "Ich probiere, meinen Job zu machen. Wenn ich mich gut fühle, will ich natürlich Verantwortung übernehmen, die Zeit auf der Platte gut nutzen, Spaß haben und einfach ich selbst sein."
Das ist ihm bisher eindrucksvoll gelungen. Und auch gegen Frankreich wird es auf die individuellen Fähigkeiten von Knorr ankommen. "Das ist wahrscheinlich das größte Spiel meiner Karriere", sagte der Rückraumspieler.