Stephens und Co.: US Open wird zum Turnier voller Überraschungen
Rafael Nadal König von Flushing Meadows
17.09.2017 | 00:27 Uhr
Sloane Stephens und Rafael Nadal sind die Champions des letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres. Sky Kommentator Paul Häuser zieht Bilanz und blickt auf die Highlights aus zwei Wochen Flushing Meadows.
Die Hollywood-Story
Sloane Stephens war Ende Juli noch die Nummer 957 der Weltrangliste. Am 9.9. krönte sich die 24-Jährige zur US-Open-Siegerin. In den USA lieben sie solche Geschichten ganz besonders.
Im Finale zeigte Stephens gegen ihre beste Freundin Madison Keys eine famose Leistung. Stephens leistete sich nur 6 Fehler ohne Not. Keys fand überhaupt keinen Weg durch die starke Defensive von Stephens und produzierte viel zu viele Fehler. Stephens gewann deshalb ganz klar mit 6:3, 6:0 nach 61 Minuten.
Ganz große Klasse zeigte sie aber auch nach dem Matchball, als sie ihre Freundin Madison Keys am Netz herzlich tröstete und damit für das wohl schönste Bild des gesamten Turniers sorgte. Schon lange galt Stephens als Riesentalent, durch eine fiese Fuß-Verletzung samt OP fehlte sie dann aber insgesamt elf Monate. Auf ihrem Instagram Account postete sie Ende April noch ein Video, wie sie von einem Stuhl aus Bälle schlug. Nun spielt sie besser denn je. Eine wahre Hollywood-Story.
Sloane Stephens hat enormes Starpotential mit ihrer erfrischenden, authentischen Art. Ihre Sieger-Pressekonferenz lieferte gleich mehrere Highlights (u.a. „Habt ihr den Scheck gesehen?").
Stephens unterstrich in diesem Turnier ihre Kämpfer-Qualitäten und besiegte unter anderem Julia Görges in drei Sätzen, überstand die Krimis gegen Anastasija Sevastova und Venus Williams. Im Finale ging es dann ganz schnell.
Nun ist Sloane Stephens die Nummer 17 der Weltrangliste und wir dürfen gespannt sein, welche Titel die US-Amerikanerin nun auch in Zukunft angreift.
America's got Talent
Die Damen-Konkurrenz wurde zu den Festspielen der Gastgeber. Mit Venus Williams, Coco Vandeweghe, Madison Keys und Sloane Stephens standen vier US-Amerikanerinnen unter den letzten Vier des Turniers. Und das obwohl Serena Williams, die Dominatorin der letzten Jahre, wegen der Geburt ihrer Tochter fehlte.
Vandeweghe beeindruckte mit starken Leistungen bis zum Halbfinale gegen Keys, dann ging plötzlich nichts mehr. Auch wenn Venus und Serena eines Tages nicht mehr spielen sollten, die Zukunft der US-Ladies sieht rosig aus. Coco Vandeweghe ist 25, Sloane Stephens ist 24, Madison Keys sogar erst 22. Das Finale zwischen den beiden besten Freundinnen war vielleicht erst der Anfang von vielen kommenden Endspiel-Duellen.
Der Stier aus Manacor
Wer hätte das gedacht am Ende der letzten Saison, dass sich Roger Federer und Rafael Nadal die Grand Slams 2017 schön aufteilen würden? Erst das epische Finale zwischen den Beiden bei den Australian Open mit dem historischen Sieg für Federer. Dann „La Decima" für Rafael Nadal bei den French Open mit insgesamt nur 35 abgegebenen Aufschlagspielen. Der nächste Rekord. In Wimbledon cruiste Federer ohne Satzverlust zum Turniersieg, nun war wieder Nadal an der Reihe.
Der Spanier hatte zunächst Probleme seinen Rhythmus zu finden, wurde dann aber von Match zu Match besser und ließ im Finale Kevin Anderson aus Südafrika nicht den Hauch einer Chance. Nadal musste zwar auf dem Weg zum Titel keinen Spieler aus den Top 25 besiegen, aber am Ende steht dennoch ein hochverdienter 16. Grand-Slam-Titel. Wieviele können noch folgen?
Nadal hat in jedem Fall seine Position als Nummer Eins der Weltrangliste untermauert und zudem einen perfekten Abschluss für das letzte Turnier mit Coach Onkel Toni gefunden. Ab sofort wird der Mallorquiner hauptsächlich von Carlos Moya betreut.
Der Publikumsliebling
Kein anderer Spieler konnte die Zuschauer so elektrisieren wie Juan Martin del Potro. Der Turm von Tandil sorgt mit seinem Achtelfinalmatch gegen Dominic Thiem für das Highlight des Männer-Turniers. Del Potro stand zu Beginn mit Fieber auf dem Platz, war völlig neben sich und chancenlos.
Nach 0:2 Sätzen war der Argentinier kurz vor der Aufgabe, spielte nur wegen der enthusiastischen Fans weiter. Plötzlich wirkten die Schmerztabletten, das Fieber war weg und der Argentinier drehte auf. Der Leidtragende war Dominic Thiem. Zwei Matchbälle und ein Break vor im vierten Satz konnte der Österreicher nicht über die Ziellinie bringen, aber auch weil „Delpo" über sich hinaus wuchs.
Es war eine Stimmung wie bei einem „Davis-Cup-Endspiel" und aus Del Potro wurde „Del Thortro" mit brutalen Hammervorhänden. Selbst Thor-Darsteller Chris Hemsworth reagierte auf den Hype von Del Potro im Netz und bat „Delpo" darum, ihm den magischen Hammer demnächst wieder zurückzugeben.
In New York feierte Del Potro 2009 mit dem US Open Sieg im Finale gegen Federer seinen größten Triumph. Zwischen Del Potro und diesem Turnier scheint etwas Magisches zu sein.
Der Argentinier besiegte im Viertelfinale auch noch erneut Roger Federer, verhinderte damit das erste große Duell zwischen Federer und Nadal bei den US Open. Unglaublich, dass es diesen Clash in Flushing Meadows bislang noch nie gab.
Aber auch das nahmen ihm die Fans nicht übel. Del Potro begeistert scheinbar alle Tennisfans, er hat keine „Hater", denn jeder gönnt ihm diese Erfolge nach seiner großen Leidenszeit und den fiesen Handgelenksverletzungen.
Noch immer kann Del Potro aufgrund seines lädierten linken Handgelenks die beidhändige Rückhand nicht so durchziehen wie es ihm früher gelang. Wäre Del Potro verletzungsfrei geblieben, wir würden heute wahrscheinlich von den „Big Five", anstatt von den „Big Four" sprechen.
Upset für Kerber und Zverev
Simona Halep, Angelique Kerber, Alexander Zverev, Grigor Dimitrov, Marin Cilic und mehr. Viele hoch gehandelte Spielerinnen und Spieler erwischte es deutlich früher als erwartet. Aus deutscher Sicht schmerzten vor allem die frühen Pleiten von Kerber und Zverev.
Angelique Kerber war bereits in der 1. Runde gegen Naomi Osaka chancenlos. Und das als Titelverteidigerin. Kerber hat die letzte Saison an ihrem Limit gespielt, ihr Formabfall in diesem Jahr ist trotzdem enorm. Mittlerweile ist „Angie" nur noch die Nr. 14 der Weltrangliste.
Eine Rückkehr nach ganz oben ist unrealistisch aus meiner Sicht, aber eine solide Top Ten Spielerin steckt immer noch in ihr. Findet Kerber den "Reset-Button" in der Off-Season, dann könnte sie 2018 erfrischt wieder angreifen. Denn in der Position der Jägerin scheint sich die Deutsche auch deutlich wohler zu fühlen.
Für Alexander (genannt Sascha) Zverev dürfte der Blick zurück auf die US Open 2017 aber noch mehr weh tun. Sein Aus gegen den Kroaten Borna Coric in Runde 2 war am Ende verdient, aber gleichzeitig auch sehr vermeidbar. Zverev kam mit Siegen aus Washington und Montreal nach New York, er galt als Mitfavorit auf den Titel.
Dazu öffnete sich dann auch noch die Auslosung für den 20-Jährigen, kein Nadal und kein Federer in seiner Hälfte, der Weg ins Finale schien vorgezeichnet. Doch Zverev blickte anscheinend selbst zu weit nach vorne und scheiterte letztlich an den eigenen Ansprüchen. Bruder Mischa bestätigte, dass sich Sascha selbst zu viel Druck mache und sich eigene Fehler nicht gut verzeihen könne.
Noch hat die deutsche Nummer Eins den Durchbruch bei einem Grand-Slam-Turnier nicht geschafft, es fehlt der ganz große Erfolg in einem Best-of-Five-Match. Aber dieser Durchbruch wird 2018 kommen, dafür hat Zverev einfach zu viel Qualität und dazu den nötigen Biss.
In der Weltrangliste ist Zverev mittlerweile die Nummer 4 und abgesehen von den Grand Slams schon längst auf Toplevel. Und für das Ende der Saison 2017 hat Zverev sicherlich noch einiges vor. Denn für den großen Abschluss bei den ATP World Tour Finals (das Finale der besten acht Spieler des Jahres) ist er bereits qualifiziert.