Neues WM-Duell elektrisiert - auch Hamilton nimmt indirekt Einfluss
28.03.2022 | 00:12 Uhr
Die Formel-1-Saison 2022 ist gerade einmal zwei Rennen alt, doch schon jetzt ist zu erahnen, dass der diesjährige Kampf um die WM-Krone nicht minder spannend wird als im vergangenen Jahr - wenn auch auf eine (noch) andere Art und Weise.
Weltmeister Max Verstappen im Red Bull gegen Herausforderer Charles Leclerc im Ferrari: Bereits nach zwei Rennen in der F1-Saison 2022 deutet vieles daraufhin, dass diese beiden Fahrer die Hauptakteure im Kampf um die Weltmeister sein werden. "Nach jetzigem Stand wird das ganz sicher DAS Duell werden", ist sich Red Bulls Motorsportkonsulent Dr. Helmut Marko sicher.
Nachdem Leclerc zum Auftakt in Bahrain den Sieg eingefahren hatte, konnte Verstappen nun in Saudi-Arabien nachziehen und seinerseits den ersten Saisonerfolg vor seinem neuen direkten Rivalen verbuchen.
Doch nicht nur die reinen Ergebnisse lassen auf einen spannenden, elektrisierenden Zweikampf hoffen. Auch die Art und Weise, wie sich die beiden Piloten - die übrigens beide im gleichen Alter (24) sind - auf der Strecke duellieren, kann jedem Motorsport-Fan nur Freude bereiten.
Bereits in Bahrain vor einer Woche schenkten sich die beiden Kontrahenten, die sich seit vielen Jahren kennen und schon im Kart gegeneinander angetreten sind, nichts. Innerhalb von wenigen Runden überholten sie sich auf teils spektakuläre Art und Weise gegenseitig und lieferten sich sehenswerte Rad-an-Rad-Duelle. Einem Verstappen-Angriff folgte in Bahrain immer wieder ein Leclerc-Konter.
Beim GP von Saudi-Arabien stand nun Teil zwei des Duells an. Lange sah es danach aus, als ob auch die zweite Runde an den Monegassen im Ferrari gehen würde. Bis drei Runden vor Schluss führte Leclerc vor Verstappen, der aber nie abreißen ließ und im letzten Rennviertel immer wieder Überholmanöver startete - zunächst aber ohne Erfolg.
Dies lag hauptsächlich am taktischen Vorgehen von Verstappen, der stets an einer für ihn ungünstigen Stelle überholte, so dass Leclerc immer wieder mit DRS kontern konnte. "Da hat der Max Fehler gemacht", analysiert Sky Experte Ralf Schumacher. "Das ist ihm nun schon wiederholt passiert, auch schon in Bahrain. Charles konnte immer wieder kontern. Max hat es nicht schon früher andersherum versucht. Das habe ich nicht verstanden. Er hat sich damit das Leben schwer gemacht und sich fast die Reifen ruiniert."
Dabei bezieht sich Schumacher auf das spektakuläre Brems-Duell zwischen Leclerc und Verstappen, die in die Eisen gestiegen sind, um nicht als Erster über die DRS-Linie zu fahren. Denn nur, wer als Zweiter und innerhalb einer Sekunde zum Vordermann die Linie überquert, kann die Überholhilfe nutzen.
Drei Runden vor Schluss änderte Verstappen seine Strategie, überholte Leclerc am Ausgang der Lagune nicht, sondern blieb bis zur DRS-Linie hinter dem Ferrari, nur um dann auf der Start-Ziel-Gerade zuzuschlagen und entscheidend zu überholen. Denn nach einer Gelben Flagge in Sektor eins hatte Leclerc die restlichen Runden nicht mehr die Chance, auf der Start-Ziel-Geraden das DRS zu benutzen. Letztlich beendete der Monegasse das Rennen mit lediglich 0,549 Sekunden Rückstand auf Verstappen, was gleichzeitig der engste Rennausgang seit dem GP von Italien 2020 war.
Wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Rennen durch strategische Entscheidungen im Hinblick auf Reifenwahl oder durch Boxenstopps gewonnen, scheint durch die veränderten Autos der Faktor Fahrleistung auf der Strecke eine gewichtigere Rolle zu spielen, da das Hinterherfahren mit den Ground-Effect-Boliden erleichtert wird und somit Duelle auf dem Asphalt zunehmen - wie bereits mehrfach zwischen Leclerc und Verstappen gesehen. "Es ist besser als letztes Jahr", erklärte der Weltmeister nach dem Rennen, schob aber auch hinterher: "Es ist jetzt aber härter, ein Überholmanöver zu planen als im vergangenen Jahr."
"Solche Rennen sind unglaublich", schwärmte Dr. Marko am Sky Mikrofon. "Man hätte im letzten Jahr noch gedacht, dass es keine Steigerung geben kann. Diese haben wir aber jetzt."
Auch Sky Experte Schumacher zeigt sich ob der engeren Duelle durch die Änderungen zufrieden: "Das hat funktioniert, das kann man jetzt schon so sagen. Und dann ist es ja noch ein Zufall, dass mit Max und Charles zwei solch tolle Fahrer in zwei tollen Autos sitzen. Auch, dass zwei Teams so nahe beieinander sind. Wenn ich mich recht erinnere, war das zuletzt 2010 der Fall und da waren es auch Red Bull und Ferrari."
Und weiter: "Beide Fahrer sind fahrerisch auf einem extrem hohen Niveau - genau wie die Autos." Dies sieht bei Konstrukteurs-Meister Mercedes (noch) ganz anders aus. Die Silberpfeile fahren derzeit der Musik hinterher und können nicht ums Podium und schon gar nicht um den Sieg mitfahren. Dennoch war man indirekt an dem Erfolg von Verstappen beteiligt, wie Dr. Marko verriet.
"Wir haben genau beobachtet, wie der Reifenverschleiß bei Hamilton war." Der Brite war sehr lange auf den harten Reifen unterwegs, mit denen er auch nach zahlreichen Runden noch zulegen konnte. Dies war letztlich der Grund, warum Red Bull Verstappen den entscheidenden Call geben konnte. "Wir haben Max dann gesagt, dass er richtig pushen kann."
Gab es im vergangenen Jahr bei vor allem knappen Erfolgen wie jetzt in Jeddah noch Spitzen und Giftpfeile zwischen den Kontrahenten Red Bull und Mercedes, verlaufen die bisherigen Duelle zwischen Ferrari und Red Bull ohne große Nebengeräusche. Trotz der knappen Niederlage fand beispielsweise Leclerc nur lobende Worte im Hinblick auf den Zweikampf. "Es war hartes Racing, aber fair. Jedes Rennen sollte so sein. Max hat einen super Job gemacht. Der Respekt ist und war immer da. Vor allen Dingen, wenn ein Rennen so zu Ende geht. Wir sind auf einem Stadtkurs, pushen wie selten zuvor und gehen hohe Risiken ein. Deswegen der Respekt."
Und auch bei Ferrari-Teamchef Binotto war kein Frust ob des knapp verpassten Sieges zu hören. Ganz im Gegenteil. Der Italiener beglückwünschte Verstappen und Red Bull am Sky Mikrofon.
Man könnte dabei sogar fast von Harmonie zwischen den Kontrahenten sprechen. Doch fraglich ist, wie lange diese anhält, sollten Red Bull und Ferrari sowie Verstappen und Leclerc auch zu einem späteren Zeitpunkt in den beiden Meisterschaften eng beieinander liegen.
Die kommenden Monate werden es zeigen. Und bis dahin dürfen sich alle Formel-1-Fans weiter über einen neuen, elektrisierenden Zweikampf in der Königsklasse freuen ...