"Endlich ganz oben!" - Norris beseitigt alle Zweifel
06.05.2024 | 09:38 Uhr
Jubelstürme in Papaya-Farben, ein breites Grinsen im Gesicht und den Finger in die Höhe gestreckt. Das waren die ersten Momente im Leben des Formel-1-Rennsiegers Lando Norris. Er selbst hat seinen Premierensieg in dieser Saison vorausgesagt.
Die Kollegen von Sky Sports in England haben ein beliebtes Format. Sie schließen hin und wieder Formel-1-Fahrer an einen Lügendetektor an und stellen dem Auserwählten mal mehr, mal weniger unangenehme Fragen. Was dabei rauskommt, ist in der Regel ein unterhaltsamer Videobeitrag und ein kleiner Blick ins Seelenleben der Formel-1-Piloten. Im Vorfeld des Großen Preises von Miami war Lando Norris an der Reihe. Und der 24-jährige McLaren-Fahrer brillierte am Ende mit vorherseherischen Fähigkeiten!
In einem Setting, das einem britischen Agentenfilm gleichkommen könnte, wollte Moderator Simon Lazenby von Norris wissen, ob er in der aktuellen Saison noch ein Rennen gewinnen würde. "Yes!, die knappe, aber deutliche Antwort des Wahl-Monegassen. Mit einem Augenzwinkern schob er noch nach: "Ich habe es einfach satt, nicht daran zu glauben, also habe ich beschlossen, meine Einstellung zu ändern." Damit brachte er sogar den sonst so ernst wirkenden Lügendetektor-Überwacher zum Lachen.
Er tätigte die Aussage nicht, weil er wirklich seine Einstellung geändert hatte, Norris hat immer an seine Chance geglaubt, er tätigte die Aussage, weil er sich seine gute Laune trotz immer wiederkehrender Rückschläge bewahrt hat und damit auch auf die aufkeimenden Zweifel reagieren konnte. Norris galt mit Eintritt in die Formel 1 als zukünftiger Weltmeister. Bis zum Miami-GP schaffte er es in 109 Rennen zwar 15 Mal aufs Podium, nie aber ganz nach vorne. Die Skepsis wurde größer.
Dass die Formel 1 eigentlich nur darauf wartete, dass Norris irgendwann mal einen Sieg einfahren würde, machten ausnahmslos alle der Befragten nach dem Rennen deutlich. "Es wurde Zeit. Er hat es verdient", ließen alle Konkurrenten von Max Verstappen über Lewis Hamilton und Charles Leclerc bis hin zu Daniel Ricciardo verlauten. Alle freuten sich für Norris, was zudem sein Standing innerhalb des Fahrerfeldes zeigt.
Zu diesem Riesenevent und dem unerwarteten Sieg passt auch, dass sich Ex-US-Präsident Donald Trump als Glückbringer für Norris wähnte. Der polarisierende Politiker besuchte den Miami-GP und schaute im Vorfeld bei McLaren vorbei, das sich schnell danach bemühte jeglicher Kritik entgegenzuwirken. Man sei "unpolitisch", ließ man verlauten.
"Vor dem Rennen habe ich ihn nicht gesehen, aber er mich. Er kam danach und hat mir gratuliert", so Norris. "Es ist eine Ehre, wenn so jemand kommt und sich die Zeit für dich nimmt, um dir seinen Respekt zu zeigen für das, was du getan hast. Er meinte, er wäre mein Glücksbringer gewesen. Ich weiß nicht, ob er jetzt zu mehr Rennen kommt." Der 77-Jährige sei jemand, "für den man in vielerlei Hinsicht Respekt haben muss. Man muss dankbar dafür sein und das war ich. Es war ein cooler Moment."
Wie sehr Norris selbst dieser lange Weg bis hin zum ersten Sieg beschäftigte, merkte man ihm nicht nur an der Erleichterung und dem Freudenschrei nach Überquerung der Ziellinie an, sondern auch in seinen Interviews: "Es wurde langsam Zeit (...) Endlich habe ich es geschafft. Es war ein langes Rennen. Endlich ganz oben! Ich bin überglücklich (...) Manche haben Zweifel an mir gehabt. Ich habe auch einige Fehler gemacht in den letzten fünf Jahren. Heute hat aber alles zusammengepasst."
Dabei waren die Vorzeichen zunächst gar nicht so rosig. Norris verletzte sich beim Koningsdag am 27. April in Amsterdam an der Nase und bestimmte zuvor die Medienberichterstattung. Zu hart gefeiert? Norris dementierte. "Es ist ein bisschen dumm, aber es sah viel schlimmer aus, als es war. Alle dachten, es wäre schrecklich, aber es ist nur ein kleiner Schnitt", so der 24-Jährige. "Ich wünschte, ich hätte eine coolere Geschichte, aber es ist leider nicht so."
Das Bild vom verletzten Lando Norris ging um die Welt. "Die Leute haben eine viel größere Sache daraus gemacht, als es war!", meint er. Peinlich ist ihm die Sache allerdings nicht. "Es ist kein Virus, nichts, worüber man sich schämen müsste."
Diese Last, den Erwartungen möglicherweise nicht gerecht werden zu können, ist nun weg. Mit neuem Selbstvertrauen will man nun Red Bull weiter angreifen. Wie sehr man sich im Vergleich zum letzten Miami-GP gesteigert hat, beweist die Tatsache, dass Norris 2023 noch als 17. die Ziellinie überquerte - 1:27 Minuten hinter Verstappen. Das Team aus Woking, Großbritannien, ist aktuell mit das heißeste Team im Feld und sogar Vorbild für zum Beispiel ihren Motorenlieferanten Mercedes: "Die waren so weit weg und jetzt gewinnen sie Rennen. Er war der schnellste Mann im schnellsten Auto. Und das mit Mercedes-Power. Das ist auch erfreulich. Das ist eine gute Motivation für uns."
Nichts, worüber sich Norris nach seinem Triumph in Florida Gedanken machen müsste. Der McLaren-Pilot, der sich gerade bei vielen jüngeren Fans großer Beliebtheit erfreut, will die Nacht zum Tag machen, wie er auf der Pressekonferenz nach dem Rennen verriet: "Ich werde nicht schlafen. Ich bleibe bis zum Ende! Ich werde die Zeit genießen. Man gewinnt nur einmal sein erstes Rennen. Es ist schön, es hier in Miami getan zu haben. Ich habe ein bisschen gehofft, dass es in Silverstone passieren würde." Vielleicht bekommt er ja Gesellschaft von dem Mann, den er heute geschlagen hat, denn Verstappen ("Für Lando bin ich happy. Er hat es wirklich verdient.") unterbrach ihn kurzerhand bei seinen Ausführungen: "Es ist definitiv besser, hier [zu gewinnen als in Silverstone], um danach auszugehen!" Norris blieb dann nur noch zu sagen: "Heute Nacht wird eine großartige Nacht!"
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