Vor dem großen Formel-1-Finale in Abu Dhabi
27.11.2017 | 00:31 Uhr
Sky Experte Marc Surer erklärt vor dem Formel-1-Finale in Abu Dhabi, warum Lewis Hamilton trotz Titel unbedingt noch mal einen Sieg benötigt. Konkurrent Max Verstappen traut er im nächsten Jahr den großen Wurf zu. Unter einer Bedingung...
Marc, die Titel sind vergeben. Warum freust du dich trotzdem nochmal so richtig auf Abu Dhabi?
Marc Surer: Abu Dhabi ist sehr speziell. Das ist so ein bisschen wie 1001 Nacht, wenn du da als Fahrer in die Nacht hineinfährst. Dass du am Tag startest und dann irgendwann die Lichter angehen. Die Atmosphäre ist einmalig!
Was bietet uns die Strecke abgesehen von dieser Besonderheit?
Marc Surer: Es gibt viele Überholmöglichkeiten und ein paar herausfordernde Kurven. Gerade für die Zuschauer vor Ort ist der Kurs ein Highlight. Sie haben eine tolle Übersicht, es geht wie in Monaco am Hafen entlang. Und dann fahren wir unter dem Yas Hotel durch. Spektakulär!
Bei Hamilton war zuletzt der Wurm drin. Glaubst du, der neue Weltmeister kann sich mit einem Sieg verabschieden?
Marc Surer: Er wird alles daran setzen. Wir haben in Brasilien gesehen, wie schnell er ist. Er hat einen neuen Motor bekommen und muss ihn deshalb nicht schonen. Er kann Vollgas fahren und ist daher für mich definitiv der Favorit fürs Rennen.
Auf einer Skala von "total egal" bis "super wichtig": Wie relevant ist es für Hamiltons Kopf, noch mal ganz oben zu stehen?
Marc Surer: Sehr wichtig! Er wollte die Weltmeisterschaft mit einem Sieg gewinnen. Das hat in Mexiko nicht geklappt. In Brasilien ging's dann wieder schief, da hat er sich's mit einem Fehler selbst verbaut. Er will bestimmt nicht mit diesem Qualifying-Fehler im Kopf in die Winterpause gehen. Für seine Moral wäre es sehr, sehr wichtig, wenn er das letzte Rennen gewinnt.
Wenn Lewis mindestens Zehnter wird, stellt er einen Schumacher-Rekord ein. Dann ist er in jedem Rennen in die Punkte gefahren. Ein wichtiger Schlüssel für den Titel?
Marc Surer: In jeder Weltmeisterschaft ist Konstanz ein Schlüssel zum Erfolg. Aber in diesem Jahr hatte er schon eine brutale Form - da haben einfach die viele Siegen gezählt.
Und Vettel: Macht er seinen Vize-Titel in Abu Dhabi klar, oder rechnest du noch mal mit dem Fehlerteufel bei Ferrari?
Marc Surer: Nein, ich glaube diese Phase haben sie überwunden. Eigentlich passt die Strecke auch perfekt zu Ferrari: enge Kurven, lange Geraden. Es ist ja praktisch eine Mischung aus Stadtkurs und normaler Strecke. Das ist etwas, das der Ferrari mag. Für Vettel sehe ich daher definitiv Sieg-Chancen.
Red Bull will auch ein Wörtchen mitreden. Sowohl Daniel Ricciardo als auch Max Verstappen rechnen sich etwas aus. Können sie vorne mitmischen?
Marc Surer: Es wird sehr davon abhängen, wie viel Leistung Renault freigibt. In Brasilien haben sie die Motorpower wegen der vielen Ausfälle in Mexiko reduziert. Wenn die jetzt sagen, ist egal, fahrt volles Pfund und ihr seid selber Schuld, wenn ihr ausfallt - dann ist vielleicht auch ein Spitzenplatz drin. Ich glaube aber, dass es sich zwischen Vettel und Hamilton entscheidet.
Verstappen hat in den letzten fünf Rennen so viele Punkte abgesahnt wie kein anderer Fahrer (90). Davor wurde er von vielen Ausfällen ausgebremst. Wie schnell kommt seine große Zeit?
Marc Surer: Wenn er das Auto dazu hat, kann er nächstes Jahr schon die Weltmeisterschaft gewinnen. Das hängt zu großen Teilen von Motorlieferant Renault ab. Wenn sie den Leistungsnachteil im Winter killen können, dann ist er definitiv ein Kandidat. Im nächsten Jahr kommt McLaren noch zu den Spitzenteams hinzu. Das heißt, wir werden wahrscheinlich eine super breite Spitze in der Formel 1 haben. Da freue ich mich besonders drauf, das hatten wir lange nicht mehr.
Das Interview führte Sarah Zoche