Haug: ''Hamilton wird Schumachers Rekorde überbieten''
27.07.2020 | 13:44 Uhr
Im exklusiven Interview mit Sky Sport spricht der ehemalige Motorsport-Chef von Mercedes Norbert Haug über die Probleme bei Ferrari, Sebastian Vettel und Lewis Hamiltons Rekord-Jagd.
Man muss leider sagen, dass Ferrari sich einen Vorteil verschafft hat in den letzten Jahren, ganz stark im letzten Jahr. Offenbar etwas am Auto gemacht, am Motor gemacht, um mehr Leistung zu bekommen, was nicht innerhalb des Reglements war. So wie Mercedes jetzt Neunzehntel, fast eine Sekunde, pro Runde schneller geworden ist, ist Ferrari um diesen Wert langsamer geworden. Das ergibt dann ein Loch von 1,7 - 1,8 Sekunden.
Sebastian hat das Mögliche möglich gemacht am letzten Wochenende, mehr ging nicht in Ungarn. Nach 13 Runden war er 32 Sekunden hinter der Spitze. Das ist, wie er auch selbst sagt, eine andere Liga. Ich glaube auch nicht, dass sich das so schnell ändern wird und schon gar nicht in Silverstone. Das ist das Heimrennen von Lewis Hamilton, Heimrennen der Silberpfeile. Silverstone wird ein ganz schwieriger Gang für alle werden, die nicht Mercedes heißen.
Man hat Mercedes sehr provoziert. Es wurde berichtet über den stärksten Motor, den habe Ferrari. Wenn man den Jungs ein rotes Tuch vorhält, dann greifen die richtig an. Das war noch mehr Ansporn für Mercedes noch besser zu werden, noch fehlerloser zu werden. Was da in den letzten sechs Jahren an Perfektion erreicht worden ist, dass sucht einfach seines Gleichen in er Geschichte des Rennsports.
Rot wird es sehr schwer haben - es wird immer Ausnahmerennen geben, dann muss man da sein, wenn Mercedes patzen sollte - aber so deutlich wie jetzt war die Überlegenheit aus meiner Erinnerung noch nie.
Das System hat sich überholt. Die Aufstellung, die man bei Ferrari hat, unterscheidet sich einfach von einer Mercedes-Aufstellung. Dort gibt es flachere Hierarchien gibt, wo man sich breit aufstellt. Man macht dort nicht nur vieles, sondern offensichtlich alles richtig, das freut mich sehr.
Wir haben Ende 2009 dieses Silberpfeil-Werksteam gekauft und mit Michael Schumacher und Nico Rosberg angefangen. 2012 das erste Rennen gewonnen und heute fährt man dort von Sieg zu Sieg - wohlverdienter Weise. Wenn man sagt, Mercedes macht die WM langweilig, dann muss ich das richtigstellen. Die, die nicht hinterherkommen machen die WM langweilig und nicht die, die vorne rausfahren. Denn das ist Sinn und Zweck der Sache.
Sebastian hätte sich da durchgekämpft, er wäre nicht gegangen, wenn Probleme dagewesen wären. Er hat den Traum gehabt, mit Ferrari Weltmeister zu werden, der Traum ist ausgeträumt, wie es gerade aussieht. Ferrari macht es auch nicht richtig gut auf der Strecke.
Ich habe auch den sinnlosen Kampf Leclerc gegen Sebastian Vettel in Ungarn gesehen. Jede Zehntelsekunde, die dich der Teamkollege kostet, wenn du auf Platz sechs, sieben mit einer anderen Strategie unterwegs bist, also da muss der Teamchef mal Tacheles reden und klipp und klar sagen, was Sache ist auf der Strecke. Wenn sie um Platz eins und zwei fahren, um den Sieg, dann lass ich mir etwas mehr Spielraum gefallen. Aber wenn man um wenige Punkte kämpft und da ist wirklich jeder Punkt wichtig, dann darf das keine Zehntelsekunde kosten, wenn zwei Teamkollegen unterwegs sind.
Es wäre schön, wenn es mit Aston Martin klappen würde. Was da genau geplant ist, weiß ich nicht, aber ich wünsche dem Sebastian natürlich, dass es weitergeht. So wie Racing Point aktuell unterwegs ist, geht das alles in die richtige Richtung. Die sind wirklich zweite Kraft hinter Mercedes. Es ist ein cleveres Projekt, ganz sicher mit einem Bruchteil des Geldes bei Ferrari. Die haben das sehr sehr clever gemacht.
Sebastian hat mir in Ungarn gut gefallen. Leclerc war in den letzten Rennen sicher nicht besser, er kann da Paroli bieten und ist da mindestens auf Augenhöhe. Wenn der Sebastian das Mögliche möglich macht, dann ist er wirklich gut unterwegs.
Er ist bei uns seit er 14 ist. Bei Mika Häkkinens WM-Feier 1998 stand er auf der Gästeliste. Wir haben ihn damals beim Kart gefördert, danach war er bei der Formel 3 Meister, dann war er in der GP2 Meister und dann haben wir ihn in die Formel 1 befördert. In seinem ersten Jahr hat er den WM-Titel um einen Punkt verpasst, das war unsere Schuld. Wir haben ihn in China zu spät an die Box beordert, sonst hätte er die nötigen Punkte geholt. Deswegen will Lewis nie mehr in seinem Leben einen Punkt verlieren, deswegen will er auch die schnellste Rennrunde fahren.
Der Lewis ist absolut ''at his Best''. Wenn man die Startphase sieht bei einem so schwierigen Rennen mit wechselnden Bedingungen, die Strecke noch feucht, da sieht man die Klasse. Er war nach drei Sekunden acht Sekunden weg, das ist schon phänomenal. Er ist auf dem besten Weg die Rekorde von Michael Schumacher einzuholen und auch zu überbieten. Dann auch verdientermaßen natürlich. Er war Mercedes-Lehrling und ist jetzt ein großer Meister geworden und mehrfacher.
Lewis lässt keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, dass alles einen Anfang hatte. Dass Michael ganz ganz wesentliche Weichen gestellt hat. Nico Rosberg aber auch, er hat den ersten Sieg des neuen Silberpfeil-Werkteams eingefahren, das wird immer der erste Sieg dieses Teams bleiben. Es war eine gute Basis, die wir da gelegt haben, wir hatten ein ganz kleines Budget.
Was in den zehn Jahren bisher passiert ist mit dem Partner, dem Team, der Teamleitung das ist nicht eine Eins, das ist eine Eins plus, das ist eine Eins mit Stern, so wie es sich für den Stern gehört.