Im Schatten der Formel 1 sind auch die beiden Nachwuchsserien Formel 2 und Formel 3 in Bahrain in ihre neue Saison gestartet. In diesem Jahr sind wieder ein deutsches Team, zwei deutsche Piloten und eine Menge Rookies dabei.
Das erste Rennwochenende der Nachwuchsserien fand parallel zum F1-Auftakt statt. Die Teams konnten sehen, wo sie leistungsmäßig stehen und woran noch gearbeitet werden muss. Wer kann sich Chancen auf den Titel ausrechnen? Welcher Pilot sorgt für eine Überraschung? Sind es vielleicht die deutschen Fahrer, die oben mitfahren können? Und welche Ziele verfolgt das deutsch-tschechische Team PHM Racing by Charouz in dieser Saison? Sky gibt mit Motorsport-Experte Olivier Zwartyes Antworten auf diese Fragen.
Pourchaire Titelfavorit in der Formel 2
In der Formel 2 konnte sich im ersten Rennen Theo Pourchaire durchsetzen. "Nach dem ersten Wochenende hat es sich stark herauskristallisiert, dass ART Grand Prix, das Team von Pourchaire, sehr gut funktioniert. Das war schon echt beeindruckend, wie er gefahren ist", sagt der Formel-1-Experte. Der Franzose ist für Zwartyes der Favorit auf den Titel und auch mit Blick auf die Zukunft auch ein Anwärter auf einen Startplatz in der Formel 1.
Schließlich ist der 19-Jährige bereits als dritter Fahrer für Alfa Romeo im Einsatz und konnte damit schon Formel-1-Luft schnuppern. Doch eine Problematik sieht der Experte: "Für Pourchaire wird es schwierig, so gute Piloten wie Valtteri Bottas und Guanyu Zhou zu verdrängen. Er hat definitiv das Potenzial, aber es wird abhängig sein von der Leistung von Bottas und Zhou, ob man ihm eine Chance geben wird."
Auch Dennis Hauger und Ayumu Iwasa traut Zwartyes den Sprung in die Formel 1 zu. "Im vergangenen Jahr zeigten sich die beiden bereits. Sie gehen mit einem Jahr Erfahrung in die Formel-2-Saison", sagt der Kommentator, aber er weiß auch, dass es Überraschungen geben kann: "Bei Red Bull kann es ganz schnell gehen. Wir erinnern uns an Max Verstappen, der die Formel 2 übersprungen hat." Zane Maloney und Enzo Fittipaldi sind ebenfalls Namen, die man irgendwann in der Formel 1 hören könnte.
Kann sich erneut ein Rookie wie Piastri durchsetzen?
Neben dem Franzosen Pourchaire zählen für Zwartyes Hauger und Jack Doohan zum Favoritenkreis für diese Saison. Auch wenn beide im ersten Rennen nicht ihr Top-Niveau abrufen konnten, glaubt Zwartyes dennoch, dass die Piloten in den weiteren Rennen überzeugen werden. "Das ist jedes Wochenende ein bisschen anders. Ich würde Hauger und Doohan nicht abschreiben. Auch wenn vor allem bei Doohan das erste Wochenende nicht gut ausgesehen hat", sagt der Experte.
Doch was wäre eine Saison ohne Überraschungen? Diese gibt es immer wieder, wie Oscar Piastri bereits als Rookie vor zwei Jahren bewiesen hat. Zwartyes traut einigen Piloten zu, dem Favoritentrio gefährlich zu werden. Dazu gehört Maloney und Oliver Bearman, der im ersten Rennen zwar eher negativ überrascht hat, aber dennoch viel Potenzial mitbringt. Das gilt auch für Isack Hadjar. "Denen drei traue ich die größte Überraschung zu", so der Kommentator und ergänzt nach dem ersten Rennwochenende noch einen Piloten, Victor Martins: "Der amtierende Formel-3-Champion hat mich überzeugt. Die Kombination mit ART scheint gut zu funktionieren."
PHM-Racing startet in der Formel 2 und F3
2023 ist in der Formel 2 wieder ein deutsches Team am Start. Der Berliner Rennstall PHM Racing hat die Startplätze der tschechischen Charouz-Mannschaft übernommen, die allerdings in diesem Jahr noch als Einsatzteam an Bord bleibt. 2021 wurde das Team gegründet und ging bisher in der Formel 4 an den Start. Nun also auch erstmals in der Formel 2.
Ein großer Sprung wie Zwartyes weiß: "Der Unterschied ist enorm. Deshalb muss man ihnen Zeit geben, sich daran zu gewöhnen." Der Aufwand ist angestiegen im Vergleich zur anderen Klasse mit vielen neuen Prozessen wie Reifensätze und Boxenstopp. Deshalb ist die Unterstützung von Charouz für das Team von Vorteil. "Es ist eine Lernsaison. Zu viel darf nicht erwartet werden", meint der Experte.
PHM arbeitet Non-Profit und will sich damit auf die Förderung der Piloten konzentrieren. Ziel wird es sein, diese Saison viel zu lernen, die Abläufe zu verstehen und auch im kommenden Jahr weiter durch diesen Lernprozess zugehen und dies dann auch in Ergebnisse und Punkte umzusetzen. "Langfristig werden sie sich etablieren. Von ihnen ist einiges zu erwarten", ist sich Zwartyes sicher.
Gleiche Ziele gelten für das deutsche Team übergreifend auch für die Formel 3. Allerdings ist dort alles etwas leichter. Hier könnte sich Zwartyes vorstellen, dass PHM Racing by Charouz auch für eine kleine Überraschung bei dem ein oder anderen Rennen sorgen könnte: "Es gibt weniger taktische Elemente, keinen Pflicht-Boxenstopp und die Rennen sind etwas kürzer. Deshalb traue ich ihnen durch den Reverse-Grid den einen oder anderen Überraschungserfolg zu."
Collet, O'Sullivan und Colapinto in der Favoritenrolle
Neben dem neuen Team sind in der Formel 3 wieder viele neue Namen im Rennen dabei. Doch wer zählt zu den Favoriten? Sky Experte Zwartyes stellt seine Top 3 vor: "Caio Collet, Zak O'Sullivan und Franco Colapinto sind die Jungs, die mit ihrer Erfahrung um die Meisterschaft mitfahren sollten."
Hinter den Favoriten gibt es natürlich weitere Fahrer, auf die ein Auge geworfen werden sollte. Dazu gehören Paul Aron und Dino Beganovic. "Die beiden Youngster können für Überraschungen sorgen", glaubt der F2- und F3-Kommentator. Bereits am ersten Wochenende fuhr ein Pilot auf den zweiten Rang, der zuvor nicht auf dem Podium vermutet wurde: Oliver Goethe - ein Nachfahre von Johann Wolfgang von Goethe.
Der deutsche Fahrer "hat echt Talent. Er schafft es in seinem ersten Rennen als Stammfahrer direkt aufs Podium", so Zwartyes und fügt hinzu: "Er bringt Talent mit und hat das Motorsportblut sowieso - sein Vater ist Motorsportler. Und er hat ein Team, mit dem man um das Podest kämpfen kann." Deshalb zählt der Experte den in London geborenen Goethe ebenfalls zu den Überraschungspiloten in dieser Saison dazu, denn die Kombination des jungen Piloten und Trident ist vielversprechend.
Flörsch kehrt in die Formel 3 zurück
Zudem ist eine deutsche Fahrerin ist dieser Saison wieder am Start: Sophia Flörsch. Die Münchnerin war zuletzt 2020 in der Formel 3 für eine volle Saison dabei und anschließend unter anderem bei der Langstreckenmeisterschaft aktiv, wo sie wichtige Erfahrungen sammeln und sich fahrerisch weiterentwickeln konnte. Die 22-Jährige muss zunächst in den Rhythmus finden und sich an das Feld in der Formel 3 gewöhnen.
"Jede Erfahrung, die du sammeln kannst, macht dich zu einer besseren Rennfahrerin", weiß Zwartyes und fügt hinzu: "Es wird eine ganz interessante Aufgabe für Sophia Flörsch, weil sie mit PHM Racing an einem tollen Projekt teilnimmt. Und sie bekommt Unterstützung durch die Alpine Academy. Das sind zwei Faktoren, die in der Kombination mit Sophia vielversprechend aussehen. Das wird interessant wie sie sich zusammen entwickeln und ich glaube, dass sie nach ein paar Rennen zur Eingewöhnung, auch für die ein oder andere Überraschung sorgen kann."
Neben der vielen Rookies die in beiden Rennserien an den Start gehen, gibt es sowohl in der Formel 2 als auch in der Formel 3 keine grundlegenden Änderungen. Lediglich der Umstieg auf synthetische, nachhaltige Kraftstoffe. Dabei sollen sie als Vorreiter für die Formel 1 gelten, wo diese 2026 eingeführt werden sollen. Im Rennkalender findet sich zudem zum ersten Mal ein Rennwochenende in Australien wieder.