Sky Experte Lothar Matthäus spricht in seiner Kolumne über den Transfer-Poker um Tottenhams Stürmer Harry Kane, die Torwart-Situation beim deutschen Rekordmeister, eine mögliche Sancho-Rückkehr nach Dortmund und über das Treffen der Weltmeister von 1990 - ohne Franz Beckenbauer.
Am Wochenende haben wir uns anlässlich des 33. Jahrestags im Kreis der Weltmeister von 1990 zusammengefunden. Es war wieder ein sehr schönes "Klassentreffen", aber ein perfektes wäre es mit Franz Beckenbauer gewesen.
Natürlich waren wir traurig, dass er nicht dabei war. Aber ich habe volles Verständnis, dass er sich momentan mehr um sich selbst kümmert. Ich weiß nicht, was er hat, aber ich wünsche ihm, dass es ihm bald gesundheitlich wieder besser geht.
Zusammenhalt war ein wichtiger Faktor für unseren Erfolg
Auch wenn ein paar Spieler abgesagt haben: Der Zusammenhalt bei den Weltmeistern von 1990 war und ist sehr gut. Das liegt auch daran, dass sich viele Spieler wie auch bei den 2014er-Weltmeistern schon aus den U-Mannschaften des DFB kannten. Ich hatte schon 1980 zusammen mit Andreas Brehme, Guido Buchwald, Rudi Völler und Pierre Littbarski in der U21 gespielt. Dieser Zusammenhalt und die Tatsache, dass viele Spieler von uns damals in der italienischen Liga unter Vertrag standen, waren wichtige Faktoren für unseren Erfolg.
Rudi Völler ist heute Sportdirektor beim DFB, und natürlich habe ich mich mit ihm auch über die aktuelle Nationalmannschaft und die U21 unterhalten. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir Spieler haben, die Qualität besitzen.
Flick muss die richtigen Antworten finden
Man muss die Entscheidungen von Hansi Flick respektieren. Der Bundestrainer probiert etwas aus, auch wenn seine Ideen zuletzt nicht immer die besten waren. Er muss jetzt die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Ich erwarte von ihm klare Entscheidungen, die uns dahin bringen, wo wir hinwollen und eigentlich auch hingehören.
Viele der Nationalspieler haben mit Hansi Flick beim FC Bayern große Erfolge gefeiert. Musiala, Sane, Gnabry und Süle haben zusammen mit Müller, Kimmich, Goretzka und Neuer damals schon unter Hansi gespielt. Es muss doch möglich sein, das wieder zu vereinen und die positive Energie von 2020 mitzunehmen. Dazu kommen Gündogan oder Rüdiger - alles Spieler mit Qualität, die auch noch nicht zu alt sind. Wenn ein Manuel Neuer zu alter Form finden könnte, wäre das auch sehr wichtig. Marc-Andre ter Stegen und Kevin Trapp sind super Torhüter, aber noch nicht hundertprozentig in der Nationalmannschaft angekommen.
Es ist wichtig für die Spieler zu wissen, wie der Trainer mit ihnen plant. Als Flick mit den Bayern das Triple gewonnen hat, hatte er 14, 15 Spieler, auf die er gesetzt hat. Flick muss Antworten auf die wichtigsten Fragen finden: Wie spielt man in der Defensive und wie im Angriff? Meiner Meinung nach sollte es ein System mit Viererkette, einer klaren Sechs im Mittelfeld und mit einem Mittelstürmer. Als Kandidaten für die Sechs hatte ich schon vor der WM Rani Khedira von Union Berlin genannt. Dann würde Kimmich auf der rechten Seite verteidigen. Philipp Lahm ist beim Gewinn der WM 2014 auch auf die rechte Seite gewechselt.
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Bayern muss bei Kane viel Geduld haben
Beim FC Bayern hat die Verpflichtung eines Mittelstürmers die höchste Priorität. Man wusste seit Beginn der Verhandlungen um Harry Kane, dass man sehr viel Geduld brauchen würde.
Tottenhams Eigentümer Daniel Levy ist schon lange im Geschäft. Er hat eine Vorstellung von der Ablösesumme für Kane, und die ist im dreistelligen Bereich. Wenn diese Vorstellung nicht erreicht wird, zieht er es durch und gibt Kane nicht ab. Davon gehe ich aus. Bayern hat damals auch gesagt, dass Robert Lewandowski für eine Summe X gehen kann, die sie dann auch bekommen haben. Sie haben ihn auch nicht beim ersten oder zweiten Angebot gehen lassen. Das weiß Levy auch.
Die Bayern haben - auch nach außen hin - klar hinterlegt, dass Kane ihr Wunschstürmer ist. Je früher es klappt, desto besser. Aber wenn man jetzt auf einmal nervös wird und die andere Seite es merkt, wird Levy vielleicht sagen: "Okay, jetzt kostet er 110 Millionen."
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Tormaschine mit eiskaltem Abschluss
Ob Kane diese Summe wert wäre, maße ich mir nicht an zu beurteilen. Ich weiß, dass er einer der besten Stürmer der Welt ist, eine Tormaschine mit einem eiskalten Abschluss. Er ist intelligent, macht gute Laufwege und hat ein gutes Kopfballspiel, aber ob 100 Millionen für einen fast 30-Jährigen das richtige Preisschild ist, darüber kann man diskutieren. Aber wenn man damals mit Lewandowski um drei Jahre verlängert und ihm eine Gehaltserhöhung gegeben hätte, wäre es billiger gewesen als das vergangene unzufriedene Jahr plus die Summe, die man jetzt für Kane ausgeben muss.
Dass Kane zu Bayern wechseln will, zeigt, dass sie immer noch eine absolute Top-Adresse im europäischen Fußball sind. Ich gehe davon aus, dass sie nicht nur einen Stürmer und einen Innenverteidiger holen wollen. Andererseits muss auch Bayern München wissen, dass sie noch Spieler verkaufen müssen. Der Kader ist groß, nicht nur auf der Torwart-Positionen und im defensiven Mittelfeld gibt es zu viele Spieler. Ich vermute, dass nach dem Verkauf von Lucas Hernandez noch Lösungen für sechs, sieben andere Spieler gesucht werden.
Sommer ist ein super Torhüter, aber...
Auf der Torwart-Position hängt viel von Manuel Neuer ab. Solange er keine Klarheit hat, wird es auch bei den anderen keine Klarheit geben. Yann Sommer ist ein super Torhüter und war über Jahre hinweg der große Rückhalt in Gladbach, aber über ihn wird nicht nur beim FC Bayern, sondern auch in der Schweizer Nationalmannschaft diskutiert. Dort hat er in Gregor Kobel einen starken Konkurrenten und ist nicht die unumstrittene Nummer eins. Er will aber sicher bei der EM im kommenden Jahr spielen.
Die Frage ist: Wie lange wartet er, sein Management und ein potenzieller Interessent (Inter Mailand) ab? Die andere Frage lautet: Ist er der, den Bayern braucht, auch von der Persönlichkeit her? Sommer ist eher ein ruhiger Typ, der auch nie seine Teamkollegen kritisiert hat. Sollte man Alexander Nübel zum Stammtorwart machen, würde sich der FC Bayern unglaubwürdig machen und Neuer wäre hundertprozentig weg.
Der Sancho, den wir in Erinnerung haben, könnte dem BVB guttun
Eine interessante Personalie könnte es bei Borussia Dortmund geben, zumindest wurde über eine Rückkehr von Jadon Sancho zum BVB spekuliert. Ich weiß nicht, wie er in Form ist und ob er eine Verstärkung sein könnte. Ich weiß aber, dass Dortmund auf Sanchos Position mit Adeyemi und Malen zwei Außenspieler hat, die ähnliche Qualitäten haben wie Sancho. Und mit dem 17-jährigen Belgier Julien Duranville haben sie einen weiteren sehr talentierten Spieler im Kader. Der Sancho, den wir in Erinnerung haben, könnte dem BVB guttun. Aber die Frage ist, ob er Stammspieler oder Ergänzungsspieler wäre. Dortmund muss sich überlegen, ob man für einen Backup-Spieler 40 oder 50 Millionen Euro ausgeben will.
Das große Problem des BVB ist, dass sie immer wieder ihre besten Spieler abgeben müssen. So wie damals Sancho oder zuletzt Jude Bellingham. So kann keine Mannschaft zusammenwachsen, um dem FC Bayern auf Dauer ernsthaft Konkurrenz machen zu können.
Dass etwas zusammenwächst und man noch Qualität dazukauft, das wäre es, was Dortmund eigentlich bräuchte - ähnlich wie auch RB Leipzig. Dann könnte man nicht nur Bayern München national Konkurrenz machen, sondern sie auch international unterstützen und größere Erfolge erzielen.
In Dortmund und Leipzig ist zwar Geld vorhanden und man müsste Spieler wie Bellingham, Nkunku oder Gvardiol nicht aus wirtschaftlichen Gründen verkaufen, aber wenn diese dann von Klubs wie Real Madrid, dem FC Chelsea oder Manchester City umworben werden, muss man am Ende einen gemeinsamen Weg für Verein und Spieler finden.
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