Bayerns härtester Gegner im Kane-Poker
01.07.2023 | 23:27 Uhr
Der FC Bayern ist weiterhin auf Stürmer-Suche, Harry Kane ist nach Sky Infos das Transferziel Nummer eins. Doch mit Tottenham-Boss Daniel Levy haben die Verantwortlichen aus München den wohl härtesten möglichen Verhandlungspartner erwischt.
Ein erstes Angebot haben die Bayern für Harry Kane bereits abgegeben, nach Sky Informationen boten die Münchner weniger als 70 Millionen Euro plus Bonuszahlungen - und kassierten prompt eine Absage von Tottenham. Verwundern tut das bei Klub-Boss Daniel Levy nicht. Doch wer ist der harte Gegner der Bayern, der bereits in einigen Verhandlungen die Gegenseite zur Verzweiflung brachte?
Seit 2001 zieht der britische Unternehmer bei Tottenham die Fäden, er modernisierte den Verein und etablierte die Spurs als Top-Team in der Premier League. Die regelmäßige Qualifikation für die Champions League, das erreichte Finale in der Königsklasse 2019 sowie der Bau des neuen Tottenham Hotspur Stadiums sprechen für den großen Fortschritt unter Levy, der gewonnene League Cup 2008 als letzter und einziger Titel in seiner Ära dagegen.
Sein Ziel, Tottenham zu einem nationalen und internationalen Spitzenklub zu formen, hat er somit noch nicht erreicht, eigene Fans kritisieren die sparsame Einkaufspolitik des Schotten. Im Vergleich zur Konkurrenz der großen Top-Six in England haben die Spurs deutlich niedrigere Spielergehälter und mit großen Verkäufen, die nur durch den Einkauf von oft jungen Talenten kompensiert werden, zwar eine nachhaltige Finanzstrategie - doch die Sorge, sich dadurch von Großeinkäufern wie Chelsea oder Manchester City abhängen zu lassen, wächst bei einigen Anhängern.
Seine Strategie will Levy trotzdem nicht ändern, die Sturheit kommt auch bei seinen Verhandlungen mit anderen Vereinen deutlich zum Vorschein. So knallhart wie zäh präsentiert sich der Geschäftsmann und ließ etliche Verhandlungspartner bereits verzweifeln.
2006 wollte Manchester United Michael Carrick verpflichten, doch Levy trieb den Preis immer weiter in die Höhe. United-Coach Sir Alex Ferguson beschrieb dieses Verhalten als "typisch" für Levy, "ich muss sagen, dass die Verhandlungen sehr schwierig waren und lange gedauert haben", erinnerte sich Ferguson in der britischen Tageszeitung Daily Mirror.
Zwei Jahre später konnten die Red Devils den bulgarischen Stürmer Dimitar Berbatov nach langen Verhandlungen für eine stolze Ablösesumme von umgerechnet rund 34 Millionen Euro von Tottenham loseisen, Ferguson betitelte diese Erfahrung "schmerzhafter als meine Hüftoperation".
Die Verhandlungen in die Länge zu ziehen, am besten bis zum letzten Tag, auch dafür ist Levy bekannnt. Ein alter Spruch über den 61-Jährigen besagt zynisch, dass er während eines Transferfensters nur am Deadline Day zur Arbeit geht, so groß sei die Vorliebe für riskante Geschäfte und knallharte Machtpolitik.
Ein Lied von jener gnadenlosen Machtdemonstration konnte einst auch Luka Modric singen. Als der Kroate Tottenham 2011 verlassen wollte und sich bereits mit Chelsea einig war, blockierte Levy den Wechsel, Modric musste bleiben. "Er hat mich zurechtgewiesen, weil ich öffentlich verkündet habe, dass ich gehen will und hat wiederholt, dass Tottenham nicht die Absicht hat, um jeden Preis zu verkaufen", schrieb Modric in seiner Autobiografie. "Chelsea kam immer wieder mit besseren Angeboten zurück, nachdem Levy jedes Mal abgelehnt hatte. All das hat mich verärgert."
Ein Jahr später wechselte Modric für 35 Millionen Euro Ablöse zu Real Madrid, Gareth Bale folgte ein Jahr später - nach ebenfalls zähen Verhandlungen. Levy rückte nicht von seiner Ablöse-Forderung ab, Real geriet unter Druck und zahlte am Ende die damalige Weltrekordablöse von 101 Millionen Euro, um den Waliser nur Stunden vor Schließung des Transferfensters zu verpflichten.
Er selbst halte sich nicht für einen besonderen Verhandlungspartner, spielte Levy in einer Rede im April in Cambridge seinen Ruf herunter. "Ich handle nur im besten Interesse meines Vereins." Und rechtfertigte sein teils stur wirkendes Verhalten: "Wenn man einen Spieler hat, den man wirklich nicht verkaufen will, dann hat man als Eigentümer jedes Recht, nein zu sagen."
Dieses "Nein" hat auch der FC Bayern nach dem ersten Angebot zu spüren bekommen. Ob sich diese Absage noch in ein "Ja" verwandelt, bleibt abzuwarten. "Was man hier (in England, Anm. d. Red.) ein bisschen anders sieht als in Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit des Wechsels" schätzt Premier-League-Experte Raphael Honigstein bei Sky die Chancen eines Kane-Wechsels zu den Bayern ein. "Das hat damit zu tun, dass man weiß, wie schwierig es ist mit Daniel Levy zu verhandeln."
Ex-Spurs-Coach Tim Sherwood bezeichnete im Evening Standard seinen ehemaligen Boss als "Meister der Vertragsverhandlungen", Lyon-Präsident Jean-Michel Aulas, der Hugo Lloris 2012 an Tottenham verkaufte, beschrieb die Verhandlungen mit Levy als "die härtesten, die ich in 25 Jahren führen musste".
Es könnte also ein harter und zäher Sommer für die Bayern werden, wenn sie Harry Kane weiterhin als Wunschlösung ansehen. Was ein Blick auf Levys Verhalten aber auch zeigt: Wenn er am Ende verkauft, dann lieber ins Ausland - allerdings nur, wenn auch die Ablösesumme stimmt.
Da Kanes Vertrag 2024 ausläuft, Tottenham in der kommenden Saison nicht international spielt und Levy im Worst-Case Kane an einen direkten Konkurrenten aus der Premier League verlieren könnte, kann sich der Rekordmeister aus München sicherlich noch Chancen im Kane-Poker ausrechnen. Einfach wird es aber sicherlich nicht, das sieht auch Honigstein so: "Ich glaube, die Bayern werden einen ziemlich langen Atem haben müssen."