Babbel zu Lewandowski-Poker: "Dieses Rumgeheule nervt"
18.03.2022 | 17:08 Uhr
Robert Lewandowski hat seinen Vertrag beim FC Bayern noch nicht verlängert. Markus Babbel bezieht dazu klar Stellung. Zudem spricht der ehemalige Bundesliga-Coach im Interview mit skysport.de über den Titelkampf in der Bundesliga und die Zukunft von Erling Haaland.
skysport.de: Dortmund hat den Rückstand auf den FC Bayern auf vier Punkte verkürzt und den Meisterschaftskampf in der Bundesliga wieder spannend gemacht. Holt der BVB jetzt wegen Bayerns Personalproblemen den Titel?
Markus Babbel: Immer, wenn man in der Vergangenheit dachte 'jetzt kommen die Dortmunder ran', haben sie wieder einen Nackenschlag bekommen. Deshalb tue ich mich gerade so schwer, dass es nochmal ein ernsthafter Titelkampf wird, weil wir in der Vergangenheit zu oft eines Besseren belehrt worden sind. Und trotzdem ist die Chance da. Der Sieg in Mainz war ein Ausrufezeichen. Ich habe gedacht: Jetzt gewinnen sie auf einmal solche Spiele, die sie davor immer verloren haben. Das könnte jetzt schon so ein Punkt sein, dass der BVB an sich glaubt und sagt: Wir können das packen. Bayern hat Probleme. Ich bin gespannt, wie sie das Problem in der Abwehr nun hinbekommen.
skysport.de: Was sind die Probleme des BVB?
Babbel: Der BVB spielt gefühlt nicht dreimal hintereinander mit derselben Mannschaft, weil immer Spieler wegbrechen. Es sind mir viel zu viele Muskelverletzungen. Da muss man mal die Belastungssteuerung hinterfragen. Es kann nicht sein, dass die Spieler permanent auf der Massagebank liegen und nicht auf dem Platz stehen.
Skysport.de: Viel spricht dafür, dass Manchester City das Rennen um Erling Haaland machen wird. Würde er zum Team von Pep Guardiola passen?
Babbel: Mich würde dieser Move echt überraschen und irritieren. Guardiola hat es nicht so mit Mittelstürmern. Ich würde dann eher sagen, dass er in Dortmund bleiben soll. Da könnte er sich besser entwickeln, weil auch ein Haaland spielen muss. Ob das bei Guardiola so wäre, weiß ich nicht. In der Vergangenheit spielte dort jeder auf dem Mittelstürmer-Position, nur kein gelernter Stürmer. Selbst Topstürmer wie Agüero oder Jesus haben bei City nicht mit der Regelmäßigkeit gespielt. Ich glaube den Stürmer, den sich Guardiola wünscht, der muss erst noch gebacken werden. Zudem spielt City extrem dominant. Haaland muss das noch lernen, auch in so einer Mannschaft, die wenig Raum hat, seine Dynamik auszuspielen und die Wege zu finden, um seine Tore zu machen.
skysport.de: Auch über einen möglichen Abgang von Robert Lewandowski beim FC Bayern wird immer wieder spekuliert. Bisher gab es keine Gespräche mit dem Polen. Verpokern sich die Bayern gerade?
Babbel: Ich sehe es ähnlich nüchtern wie der FC Bayern. Es heißt, die Wertschätzung sei ihm nicht genug, das kann ich nicht mehr hören. So viel Wertschätzung wie Lewandowski bei den Bayern bekommt, hat in den letzten 20 Jahren kein Spieler bekommen. Thomas Müller zum Beispiel macht nicht so einen Zirkus daraus. Dieses Rumgeheule nervt. Lewandowski verdient 25 Millionen Euro und will noch mehr. Kein anderer Bayern-Spieler verdient so viel. Es gab auch schon Zeiten, als er permanent weg wollte, die Identifikation mit dem Verein war eine Zeitlang nicht besonders groß. Trotzdem stand der FC Bayern zu ihm, weil sie wahnsinnig viel von ihm halten. Er ist Champions League-Sieger und Weltfußballer beim FC Bayern geworden. Da gehört auch mal etwas Dankbarkeit dazu - nicht immer nur Fordern.
skysport.de: Kann sich der FC Bayern die Vertragsverlängerungen mit Lewandowski, Thomas Müller und Manuel Neuer in diesen Zeiten überhaupt leisten?
Babbel: Wir sprechen von einem Gesamtpaket, das geht wahrscheinlich an die 300 Millionen Euro. Das sind alles Spieler, die in einem gewissen Alter sind, wo man sich schon Gedanken machen muss, wie lange man verlängern soll. Wenn es nach den Bayern gehen würde, würden sie ihnen wohl nur ein Jahr anbieten. Das können sie aber nicht machen. Dann musst du fast schon drei Jahre anbieten. Aber Corona hat auch den Bayern wehgetan. Es ist nicht so, dass der Vertrag im Sommer ausläuft. Noch ist alles im Lot.
skysport.de: Die Defensive der Bayern ist schon die gesamte Saison die Achillesferse. Wieso bekommt Julian Nagelsmann keine Stabilität in die Defensive?
Babbel: Der FC Bayern ist von ein paar Spielern abhängig. Wenn ein Davies auf der linken Seite wegbricht, dann merkt man erst, was dort fehlt. Sein Ersatzmann Omar Richards ist noch nicht so weit. Nagelsmann hat sich jetzt dazu entschieden, dass die besten Elf spielen. Dann ist die Aufstellung eben extrem offensiv. Man kann das schon so machen, dann ist aber aus meiner Sicht Joshua Kimmich der entscheidende Mann. Wenn Kimmich diszipliniert auf seiner Position spielt, ist der FC Bayern auch kompakt und gut. Wenn er aber meint, er müsse offensiver spielen, bekommen die Bayern Probleme.
skysport.de: Nach den Ausfällen von Niklas Süle und Benjamin Pavard bekommt nun wohl auch wieder Dayot Upamecano seine Chance. Bislang hat der Franzose noch nicht überzeugt. Woran liegt das?
Babbel: Physisch bringt er alles mit, auch technisch. Aber ihm fehlt die mentale Stärke. Du wirst in München anders als in Leipzig beurteilt. Du wirst mehr beobachtet und musst alle drei Tage spielen. Da kommt der mentalen Komponente eine große Bedeutung zu. Da muss er definitiv zulegen. Wenn er das selbst nicht hinbekommt, muss er sich Hilfe holen, um da stabiler zu werden. Mit seinen Fähigkeiten muss es auch sein Anspruch sein, regelmäßig in der französischen Nationalmannschaft zu spielen. Er muss zuverlässiger werden, das ist die Kunst.
skysport.de: Wieso tun sich ehemalige Leipziger in größeren Klubs oft schwer?
Babbel: Es ist wirklich verwunderlich, wenn man sich die letzten Transfers von RB Leipzig anschaut. Ob es ein Keita oder ein Konate nach Liverpool waren. Beide haben dort große Probleme. Und jetzt auch Upamecano. Bei Marcel Sabitzer könnte man meinen, dass der Sabitzer in München ein Zwillingsbruder vom Leipziger Sabitzer ist. Manchmal meint man, dass er noch nie Fußball gespielt hat. Diese Jungs tun sich alle sehr schwer, wenn sie von Leipzig weggehen, weil dort ein ganz eigener Spielstil vorgegeben wird.
skysport.de: Mit Niklas Süle verlässt die Bayern der stabilste Spieler in der Defensive. Wenn Sie Oliver Kahn oder Hasan Salihamidzic wären, welchen Spieler würden Sie verpflichten?
Babbel: Ich kenne die finanziellen Rahmenbedingen der Bayern nicht. Ich kann nur zu den Spielern etwas sagen, die in den Medien gehandelt werden. Nico Schlotterbeck wird sicherlich 20, 25 Millionen Euro kosten. Ob er aber überhaupt kommen will, ist eine andere Frage. Ich glaube, dass er ein Spieler für den FC Bayern wäre, aber zu 100 Prozent kann man sich nicht sicher sein. Upamecano ist das beste Beispiel. Ich denke, dass sich Schlotterbeck aber leichter tun würde, da er auch der deutschen Sprache mächtig ist. Ich glaube nicht, dass Ginter kommt. Als Ergänzungsspieler wäre er super. Aber ich hätte meine Zweifel, ihn als absoluten Stammspieler bei Bayern zu sehen. Dafür hat er mich in der Vergangenheit zu wenig überzeugt. Und Antonio Rüdiger ist wohl zu teuer.
skysport.de: Seit Sonntag ist Felix Magath wieder in der Bundesliga tätig. Kann er Hertha BSC vor dem Abstieg retten?
Babbel: Ob Felix Magath es schlussendlich schaffen wird, das wird die große Frage sein. Ich fand den Schachzug von Fredi Bobic erst einmal genial. Magath ist ein absoluter Profi, der unglaubliches großes Fachwissen hat. Nur weil er zehn Jahre nicht in der Bundesliga gearbeitet hat, heißt das nicht, dass er sich jetzt nicht mehr auskennt. Ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass Magath bestens vorbereitet ist. Er ist ein Typ Mensch, mit dem man sich auch gerne über Fußball unterhält. Er hat sehr gute Sichtweisen auf die Dinge, hinterfragt viele Sachen. Ich habe ihn als einen neugierigen Menschen kennengelernt. Viele haben sich über diese Personalie lustig gemacht. Ich sehe es nicht so lustig. Hertha war mausetot. Je länger ich über die Magath-Verpflichtung nachgedacht habe, desto genialer fand ich die Idee.
skysport.de: Steht Fredi Bobic nun noch einmal besonders unter Druck? Falls der Schachzug mit Magath nicht klappt, spielt Hertha BSC in der kommenden Saison nicht mehr in der Bundesliga.
Babbel: Der ganze Verein steht unter Druck, nicht nur Fredi. Vor der Saison war nicht abzusehen, dass Hertha ein Abstiegskandidat sein würde. Mit den Möglichkeiten, die Sie in den letzten Jahren bekommen haben von Lars Windhorst, dachte man, dass es irgendwann in die richtige Richtung gehen wird. Das Problem von Bobic ist auch ein Stück weit die Planlosigkeit der Berliner Vergangenheit. Er muss wahnsinnig viele Altlasten in die richtige Richtung lenken. Gefühlt ist von diesen Wahnsinnssummen, die geflossen sind, nichts mehr da.
skysport.de: Am Samstag gegen die TSG Hoffenheim kann Magath zunächst nicht auf der Bank sitzen, da er sich mit dem Coronavirus infiziert hat. Ist das ein Nachteil?
Babbel: Das ist ein kleiner Wermutstropfen. Auf der anderen Seite ist ein Mark Fotheringham dabei, den ich als Spieler kannte. Er ist ein unglaublicher toller Mensch. Ihn als Co-Trainer zu holen, war auch ein genialer Schachzug. Ich kann mir gut vorstellen, dass Mark die Mannschaft so einstellen kann, dass sie am Samstag auch performen kann.
skysport.de: Wie sieht es eigentlich bei Ihnen persönlich aus? Wann sehen wir Sie wieder auf der Trainerbank?
Babbel: Es ist höchstunwahrscheinlich, dass ich da noch einmal auftauche, auch wenn es genügend Angebote gab. Es würde bei mir dann wohl auf eine Fernbeziehung hinauslaufen. Darauf habe ich keine Lust mehr. Ich war jetzt so viele Jahre unterwegs. Ich bin jetzt einfach auch gerne zuhause. Ich freue mich über meine Tätigkeit als Experte. Ich schaue wahnsinnig viel Fußball, bin total auf dem neuesten Stand. Als Experte kannst du deine Sicht der Dinge kundtun. Und das ohne Druck. Das ist auch mal sehr angenehm.
skysport.de: Hätten Sie den Hörer abgenommen, wenn Sie Fredi Bobic letzte Woche nach dem Aus von Tayfun Korkut angerufen hätte?
Babbel: Ich war ja schon in Berlin. Das Hertha-Kapitel liegt hinter mir. Deshalb hätte Fredi gar nicht anzurufen brauchen. Ich hätte nicht zur Verfügung gestanden.
Das Interview führte Fabian Schreiner.
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