Von Coup bis Stirnrunzeln: Bayerns Cancelo-Transfer aus drei Blickwinkeln
01.02.2023 | 14:12 Uhr
Kurz vor Transferschluss schlägt der FC Bayern überraschenderweise noch einmal auf dem Transfermarkt zu - und wie! Die Münchner leihen Citys Joao Cancelo aus und haben zudem eine Kaufoption für den Außenverteidiger. Sky Sport betrachtet den Deal aus drei Blickwinkeln.
Cancelo verkörpert pure Weltklasse auf der Außenverteidigerposition. Der Portugiese ist mit beiden Füßen beinahe gleichstark und kann sowohl rechts als auch links in einer Vierer- oder Fünferkette agieren. Der 28-Jährige stellt für den FC Bayern eine sofortige Verstärkung dar und wird rechts hinten gesetzt sein, nachdem man sich im Kampf um seine Dienste nach Sky Informationen gegen den FC Barcelona durchgesetzt hat. Auch Sky Experte Lothar Matthäus begrüßt den Deal, wie er in seiner Kolumne auf skysport.de erklärt.
Bei Manchester City wurde er zwar meistens als Linksverteidiger eingesetzt, da die Sky Blues für die rechte Seite Kyle Walker unter Vertrag haben, aber die Umstellung dürfte dem Rechtsfuß nicht schwer fallen. In den vergangenen beiden Saisons wurde Cancelo als Linksverteidiger ins PFA Premier-League-Team des Jahres gewählt und ist auch für die Bundesliga eine Bereicherung.
Doch selbst wenn Cancelo in München aus unerfindlichen Gründen nicht funktionieren sollte, gehen die Bayern mit diesem Deal keinerlei Risiko ein, da er zunächst nur leihweise bis Saisonende beim Branchenprimus angestellt ist. Im Sommer hat der FCB dann eine Kaufoption und kann Cancelo für die zugegeben stolze Summe von 70 Millionen Euro fest verpflichten. Nach Sky Informationen wird aber im Sommer trotz der Klausel neu verhandelt und eine deutliche niedrigere Ablöse ist wahrscheinlich. Sein Vertrag in Manchester läuft noch bis 2027.
Durch diesen Coup haben die Münchner nun endlich ein Pendant zu Alphonso Davies. Cancelo ist zwar flink unterwegs, aber nicht so schnell wie der Kanadier. In Puncto Offensivdrang steht er Davies aber in nichts nach. Cancelo ist technisch sehr versiert, verfügt über ein exquisites Passspiel und kann präzise Flanken schlagen. Zudem hat er ein gutes Spielverständnis und ist auch in der Lage, den letzten entscheidenden Pass zu spielen.
Durch den Transfer ist die Zukunft von Benjamin Pavard in München fraglicher denn je. An Cancelo wird der Franzose nicht vorbeikommen und in der Mitte sind Dayot Upamecano und Matthijs de Ligt gesetzt. Zudem wurde mit Daley Blind in diesem Winter noch ein Spieler verpflichtet, der als Backup in der Zentrale in Frage kommt. Sollte Cancelo im Sommer fest verpflichtet werden, erscheint ein Pavard-Abgang unausweichlich, zumal in der neuen Saison auch Lucas Hernandez wieder zur Verfügung steht. Wie Sky bereits berichtet hat, ist Pavard ein Kandidat beim FC Barcelona.
Auch Josip Stanisic hat trotz neuen Vertrags schlechte Einsatzchancen bei der hochkarätig besetzten Defensive der Münchner. Eine Leihe ist beim Kroaten aber nicht angedacht. Er soll in München bleiben, trotz der neuen Konkurrenz.
Fazit: Der Cancelo-Deal birgt für die Münchner kein Risiko, beinhaltet aber die gewaltige Chance, einen weiteren Weltklassespieler im Team von Trainer Julian Nagelsmann zu integrieren.
Vor der WM-Pause stand Cancelo in allen (!) 14 Premier-League-Spielen von Manchester City in der Startformation. Auch in der Champions League zählte er in den ersten fünf Partien zur ersten Elf und wurde im bedeutungslosen letzten Gruppenspiel gegen Sevilla zumindest noch eingewechselt. Nach der Weltmeisterschaft hat sich dies aber geändert. Von den möglichen sechs Partien in der Liga bestritt er nur drei und davon nur eins von Beginn an. Gegen Everton, Tottenham und Wolverhampton dagegen saß er 90 Minuten auf der Bank.
Durch seinen Wechsel nach München dürfte sich das Reservistendasein erledigt haben. Cancelo muss dafür aber nicht nur von links auf rechts "umschulen", sondern auch seine Positionierung in der taktischen Formation etwas verändern. Unter Pep Guardiola rücken die Außenverteidiger oft nach innen ein und werden als verkappte Sechser eingesetzt, die das Spiel mitgestalten sollen.
Unter Nagelsmann wird Cancelo eher den traditionellen Rechtsverteidiger geben und die Seitenlinie rauf und runter beackern. Die Umgewöhnung wird ihm aber leicht fallen, da er die Rolle beispielsweise auch bei der portugiesischen Selecao so interpretiert.
Neben der (fast) garantierten Spielpraxis hofft Cancelo sicherlich auch, seine Trophäensammlung in München zu erweitern. Die Bayern tanzen noch auf allen drei Hochzeiten und gelten im DFB-Pokal und in der Meisterschaft als Favorit. Sein größtes Ziel ist aber der Gewinn des Henkelpotts, denn die Champions League konnte er mit den Citizens noch nicht gewinnen. Das machte er in Gesprächen mit den Münchner Verantwortlichen auch deutlich.
Im Achtelfinale geht es für die Bayern bekanntlich gegen Paris St. Germain mit Lionel Messi, Kylian Mbappe und Neymar. Cancelo wird also sofort gebraucht...
Der Deal macht also sowohl für den FC Bayern als auch für Cancelo selbst Sinn. Wieso Manchester City einen solchen Spieler zu einem Konkurrenten um den Champions-League-Pokal abgibt, ist dagegen völlig unklar. Auf der Rechtsverteidigerposition ist der englische Meister mit Walker und dem ersten 18-jährigen Rico Lewis zwar ordentlich aufgestellt, zumal auch John Stones oder Manuel Akanji dort einspringen könnten.
Hinten links dagegen sieht es völlig anders aus. Nach dem Sommerabgang von Oleksandr Zinchenko zum FC Arsenal und der nach wie vor ungewissen Zukunft von Benjamin Mendy, der zwar in Teilen vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde, aber nach wie vor unter Verdacht steht, hat City neben Cancelo nur noch Ex-BVB-Flop Sergio Gomez als Linksverteidiger im Kader.
Der Spanier konnte bisher aber nicht überzeugen, weshalb Cancelo vor der WM - wie oben erwähnt - absolut gesetzt war und meistens auch gut bis sehr gut performte. Aktuell hat ihm Nathan Ake den Rang dort abgelaufen, aber der Niederländer ist gelernter Innenverteidiger und kann dem Portugiesen offensiv nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen.
Möglicherweise möchte Guardiola in Zukunft über den linken Flügel etwas defensiver agieren. Denkbar ist auch, dass etwas vorgefallen ist, aber nach aktuellem Stand ist der Transfer aus City-Sicht nicht nachvollziehbar und sorgt bei Fans und Experten gleichermaßen für Stirnrunzeln und viele Fragezeichen.
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