Vor Auftakt am Sonntag
15.06.2018 | 21:32 Uhr
Die Euphorie in Mexiko ist vor dem Duell gegen Weltmeister Deutschland am Sonntag in Moskau riesengroß. Mehrere Tausend Fans werden im Luschniki-Stadion erwartet.
Mexiko bemüht sogar übersinnliche Kräfte, um Weltmeister Deutschland ein Bein zu stellen: "El Brujo Mayor", der große Zauberer Antonio Vazquez, beschwor im mexikanischen Nationaltrikot den Schlangengott Quetzalcoatl, um El Tri bei der WM-Endrunde in Russland ins Viertelfinale zu geleiten. "Gib mir all deine Kraft, um die Türen des Himmels zu durchbrechen. Lass Mexiko das fünfte Spiel erreichen", sagte Vazquez mit eindringlicher Stimme.
Es wird allerdings nicht leicht, gegen den WM-Titelverteidiger im ersten Vorrundenspiel zu punkten, denn in der WM-Vorbereitung hat "Fiestagate" für Negativ-Schlagzeilen und Verunsicherung gesorgt.
Die Berichte über eine ausschweifende Party mit 30 Damen eines Escort-Services in Mexiko-Stadt brachten die Schützlinge von Trainer Juan Carlos Osorio in Erklärungsnot. Der Coach erklärte die Affäre nach der Ankunft in Moskau kurzerhand für "intern geklärt".
Osorio möchte sein Augenmerk auf die sportliche Herausforderung gegen Deutschland am Sonntag (ab 16:45 Uhr live auf Sky Sport UHD) richten. Schließlich gilt es, den Achtelfinalfluch zu brechen, nachdem die Lateinamerikaner zuletzt sechsmal in Folge in der ersten K.o.-Runde gescheitert waren. Doch noch gut in Erinnerung ist die 1:4-Schlappe vor Jahresfrist im Halbfinale des Confed Cup gegen die stark verjüngte Elf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).
Der 146-malige mexikanische Nationalspieler Pavel Pardo, 2007 mit dem VfB Stuttgarter deutscher Meister, glaubt trotzdem daran, dass sein Heimatland eine Überraschung zum WM-Auftakt gegen Deutschland schaffen kann. Der 41-Jährige hofft, dass El Tri eine "100-prozentige Leistung" abrufen kann.
"Wenn wir zehnmal gegen Deutschland spielen, können wir vielleicht einmal gewinnen. Aber dieses eine Mal könnte am Sonntag sein. Natürlich ist Deutschland Favorit", betonte Pardo, der am Sonntag auf Einladung der Deutschen Fußball Liga (DFL) in Moskau weilt, "aber wir haben eine gefestigte Mannschaft, die entschlossen ihre Chancen nutzen muss."
Eine mexikanische Galionsfigur feiert derweil seine fünfte WM-Teilnahme. Kapitän Rafael Marquez (39) ist zwar nicht mehr Stammspieler, aber immer noch der interne Leader. "Wir wollen Mexiko in einer schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Situation Freude schenken", betonte der Routinier, "ich will meinen Beitrag leisten."
Allerdings sorgt der Abwehr-Routinier seit rund zehn Monaten selbst für Aufregung in Mexiko. Gegen Marquez laufen nach wie vor Ermittlungen der USA, wonach er in engem Kontakt zum Drogenkartell von Raul Flores Hernandez gestanden habe. Marquez dementierte zwar immer, aber sein US-Visum wurde kurzerhand ungültig gemacht, seine Bankkonten eingefroren.
Marquez nahm sich damals eine dreimonatige Auszeit vom Fußball - kehrte aber zurück. Zuvor hatte er vor Gericht einen Erfolg verzeichnet, worauf einige der Konten wieder freigegeben wurden. Die Anschuldigungen stehen allerdings immer noch im Raum.
Trotzdem wurde Marquez für die WM nominiert und rückt mit seiner fünften WM-Teilnahme in einen erlauchten Kreis auf: Marquez' Landsmann Antonio Carabajal, Deutschlands Rekordnationalspieler Lothar Matthäus und Italiens Torwart-Ikone Gianluigi Buffon schafften dieses Kunststück schon zuvor. Viele Experten in Mexiko glauben indes, dass Marquez als Führungspersönlichkeit ohnehin nur den ungebliebten kolumbianischen Coach Osorio stützen soll: Er gilt als uneingeschränkter Boss bei El Tri. (sid)