2014 galt James Rodriguez als kommender Weltstar. Mittlerweile ist der Kolumbianer zum FC Everton gewechselt. Sky Sport beleuchtet den Fall James und zeigt, wie ihm in England der Neuanfang gelingen könnte.
Der 28. Juni 2014: Ein Schuss wie ein Urknall! Es läuft die 28. Minute im WM-Achtelfinale zwischen Kolumbien und Uruguay. James Rodriguez nimmt den Ball 20 Meter vor dem Tor mit der Brust an, dreht sich und zimmert die Kugel Volley unter die Latte.
Jener Tag im Sommer 2014 ließ die Fußballwelt aufhorchen. James erzielte ein Tor, das vielen Fans noch lange in Erinnerung bleiben sollte - der Treffer zum 1:0 gegen Uruguay erhielt von der FIFA den Puskas Award und wurde zum schönsten Tor des Jahres gewählt. Zudem krönte sich der damals 22-Jährige mit sechs Treffern zum WM-Torschützenkönig.
Real zahlte einst 75 Millionen
Zwar wurde Kolumbien in Brasilien nicht Weltmeister - im Viertelfinale war gegen den Gastgeber Schluss - doch für James war es der große Durchbruch. Europas Spitzenklubs rieben sich die Hände nach ihm, Real Madrid bekam den Zuschlag, holte James für 75 Millionen Euro von der AS Monaco und stattete ihm mit einem fürstlichen Vertrag aus.
Gut sechs Jahre später sieht die Welt des Kolumbianers anders aus. Der einst aufstrebende Shootingstar war bei Real aufs Abstellgleis geraten und ist nun beim FC Everton gelandet. Sky Sport beleuchtet den Absturz des Mittelfeldspielers und zeigt, wie er in England zurück in die Spur finden könnte.
Über Porto und Monaco nach Madrid
James kam 2010 nach Europa. Damals holte ihn der FC Porto für rund sieben Millionen von Banfield aus Argentinien. 2013 zog Monaco seine Ausstiegsklausel über 45 Millionen Euro, ehe er nach einer überragenden Weltmeisterschaft 2014 bei seinem Traum-Klub ankam: Real Madrid.
Seine erste Saison bei Real 2014/15 verlief für James erfolgreich - zumindest persönlich. Er wurde zum besten Mittelfeldspieler der spanischen Liga und ins Team des Jahres in Spanien gewählt. Allerdings zog Real im Titelrennen gegen den FC Barcelona wieder einmal den Kürzeren und konnte den den Champions-League-Titel nicht verteidigen. Carlo Ancelotti musste seinen Posten als Cheftrainer räumen, Rafael Benitez übernahm, später folgte Zinedine Zidane.
Im ersten Jahr unter Zidane holte Real zum elften Mal den Titel in der Königsklasse. Doch James war dabei nur eine Randfigur. Der Kolumbianer stand in nur 21 der 52 Pflichtspiele in der Startelf.
Kein Stammspieler unter Zidane
Während Zidanes erster Amtszeit holten die Königlichen dreimal in Folge den Henkelpott. Der französische Coach blieb den Spielern treu, die ihm in seiner ersten Saison imponierten. Für James war kein Platz mehr. Es folgte im Sommer 2017 eine zweijährige Leihe zum FC Bayern, wo er auf seinen einstigen Förderer Ancelotti traf.
"Wir freuen uns, dass wir diesen Transfer in trockene Tücher bringen konnten. Die Verpflichtung von James war der große Wunsch unseres Trainers Carlo Ancelotti, nachdem beide bereits erfolgreich zusammen in Madrid gearbeitet haben", zeigte sich Karl-Heinz Rummenigge anfangs noch optimistisch. Und tatsächlich.
Aufschwung im ersten Jahr bei Bayern
Trotz Ancelottis Entlassung im September 2017 spielte James im Anschluss mit sieben Toren in der Liga und elf Vorlagen eine gute Saison. "Wir sind sehr zufrieden mit seiner Entwicklung - besonders seit Jupp Heynckes Trainer ist. Er ist ein sehr, sehr guter Transfer", lobte Rummenigge den Kolumbianer.
Doch die Bayern zögerten und zogen die Kaufoption über 42 Millionen nicht, so dass der Mittelfeld-Mann im vergangenen Sommer nach Madrid zurückkehrte. Dort erlebte er in der abgelaufenen Saison eine Art Mini-Deja-vu unter Zidane. James brachte es in der Liga 2019/20 lediglich auf acht Einsätze. Eine Knieverletzung, die er sich bei der Nationalmannschaft zuzog, tat ihr Übriges.
Neustart unter Ancelotti?
Nun ist James ist für 25 Millionen Euro nach Everton gewechselt, wo Ancelotti die Geschicke leitet. Der Italiener gilt als Fan des Spielmachers. Schließlich holte er ihn gleich dreimal zu einem Klub, den er trainierte.
In seiner ersten Saison in Madrid erzielte James unter Ancelotti in 46 Spielen 17 Tore. Ab Juli 2015 wendete sich das Blatt für den Mittelfeldspieler, als Rafael Benitez in Madrid das Kommando übernahm.
Schließlich holte ihn Ancelotti nach München, nachdem James bei den Königlichen unter Benitez und auch Zidane nicht die erste Geige spielte. Und auch später, während Ancelottis Zeit beim SSC Neapel, gab es immer wieder Gerüchte über eine Wiedervereinigung der beiden.
Passt James zu Everton?
Im Juli 2019 sagte Ancelotti - damals Trainer von Napoli: "Ich bin sehr verbunden mit James. Ich schätze ihn sehr und er kann unser Team verbessern". Ein Wechsel nach Neapel kam nicht zu Stande. Dafür nun zu Everton, wo beide zum dritten Mal aufeinandertreffen.
Wie kann er den Toffees weiterhelfen? Bei Real kam James - wenn er denn spielte - in der abgelaufenen Saison vorwiegend im zentralen Mittelfeld, aber auch auf dem rechten Flügel zum Einsatz. Es ist also interessant zu sehen, wie Ancelotti mit ihm bei Everton plant.
"James hat nun einen Coach, der ihn sehr gut kennt und respektiert", sagt Sky UK Reporter Alan Myers. Den Toffees fehlt es oft an Kreativität im Mittelfeld. Spielmacher Gylfi Sigurdsson ist zu inkonstant. Mit dem Kolumbianer hat Ancelotti nun eine weitere Option im zentralen Mittelfeld.
James als "Überraschungsmoment"
"Das ist ein sehr guter Transfer, wenn man bedenkt, wie Everton momentan spielt. Es ist gut vorstellbar, dass James als linker oder rechter Mittelfeldspieler in einem 4-4-2 oder in einer tieferen, zentralen Rolle zum Einsatz kommt. Er könnte das Überraschungsmoment im Spiel von Everton werden."
Vor allem Stürmer Richarlison könnte von den genialen Zuspielen des Neuzugangs profitieren. "Es ist gut vorstellbar, dass James mit Richarlison ein ähnliches Duo bildet wie mit Radamel Falcao in der kolumbianischen Nationalmannschaft", meint Myers.
Zudem haben sich die Toffees mit dem Brasilianer Allan verstärkt, der defensiver denkt als James und Sigurdsson. Zusammen mit Allan könnte James das fehlende Puzzleteil sein, das die Ancelotti-Elf auf ein anderes Niveau hebt.
Auf Valderramas Spuren
In Kolumbien hofft man indes weiter, dass James seinen einst eingeschlagenen Weg wiederfindet und Carlos Valderrama als größten Spieler des Landes beerbt. Der selbst sagte vor geraumer Zeit zu Caracol Radio: "In Madrid war er in seinem ersten Jahr der beste Spieler der Mannschaft. Dann kam ein neuer Trainer, den er nicht mochte und dann ging er nach Deutschland, wo es ihm gut ging. Wäre ich er, würde ich nach England wechseln."
Genau diesen Rat hat James nun befolgt. Der Wechsel auf die Insel ist für den 29-Jährigen der logische Schritt. Sein einstiger Mentor Ancelotti könnte vielleicht den alten James wieder zum Vorschein bringen.
(Hinweis: Dieser Text erschien erstmals am 8. April 2020)