Nächster Top-Favorit scheitert
07.07.2018 | 19:15 Uhr
Brasilien und Superstar Neymar sind entzaubert, Belgiens goldene Generation nimmt nach der Sensation von Kasan ihren ersten großen Titel ins Visier. Die bis dato überzeugende Selecao unterlag in einem spektakulären WM-Viertelfinale, das gut und gerne auch als Endspiel hätte durchgehen können, den Roten Teufeln 1:2 (0:2).
Belgien mit seiner kaum zu stoppenden Offensivtroika Kevin De Bruyne, Romelu Lukaku und Eden Hazard schoss sich vor 42.873 Zuschauern in die Rolle des Top-Favoriten. Im zweiten Halbfinale der belgischen WM-Geschichte nach 1986 trifft das Team von Trainer Roberto Martinez am Dienstag (20.00 Uhr MESZ) in St. Petersburg auf die Nachbarn aus Frankreich. Gegen Kylian Mbappe und Co. dürfen sich die Zuschauer auf ein weiteres großes Schauspiel freuen.
"Unglaublich, unglaublich", jubelte Belgiens Trainer Roberto Martinez: "Das ist etwas ganz Besonderes, diese Jungs verdienen es, in der Heimat als etwas ganz Besonderes gefeiert zu werden." Der ehemalige Leverkusener Renato Augusto, als Einwechselspieler Schütze des Anschlusstreffers der Brasilianer (76.) sagte: "Es ist ein trauriger Tag. Das erste Gegentor hat uns ein bisschen aus dem Konzept gebracht."
Gegen Brasilien profitierte Belgien nach einer chaotischen Anfangsphase von einem Eigentor von Fernandinho (13.), ehe De Bruyne (31.) seine Freiheiten in der Offensive gekonnt nutzte. Weil Belgien seine Konter nicht konsequent zu Ende spielte, erzwang der Ex-Leverkusener Renato Augusto (76.) durch seinen Kopfballtreffer eine packende Schlussphase mit vielen Chancen, aber wenig Präzision im Abschluss. Thibaut Courtois hielt in der Nachspielzeit (90.+4) grandios gegen Neymar.
Coach Martinez hatte De Bruyne nach dem glücklichen 3:2 im Achtelfinale gegen Japan hinter die Spitzen beordert, und diese Maßnahme zahlte sich aus. Ebenso wie eine taktische Umstellung nach zehn turbulenten Minuten. Thomas Meunier rückte rechts in die Abwehr, an der Viererkette zerschellten fortan die Ballkünstler Neymar, Willian und Gabriel Jesus ein ums andere Mal. Die Türme in der Schlacht: Vincent Kompany und Marouane Fellaini, der ebenso wie Nacer Chadli nach seinem Treffer gegen Japan in die Startelf gerückt war.
Allerdings spielte Belgien auch die Führung in die Karten. Wer weiß, wie sich das Spiel entwickelt hätte, wenn Thiago Silva (8.) nach einer Ecke aus zwei Metern nicht den Pfosten sondern ins Tor getroffen hätte. Auch Paulinho (10.) kam nach einem ruhenden Ball völlig frei zum Schuss, traf den Ball jedoch nicht richtig. Neymar bemühte sich, doch beinahe hätten die Belgier ihren Vorsprung vor der Pause noch ausgebaut. De Bruyne (41.) mit einem Freistoß und Kompany (42.) mit der Hacke scheiterten an Alisson.
Zum Anpfiff war die beste Abwehr der WM auf den besten Angriff getroffen, doch beide Teams suchten ihr Heil in der Offensive. Fernandinhos Missgeschick bedeutete Brasiliens ersten Gegentreffer seit 322 Minuten und für Belgien einen Rekord. Nie zuvor hatten eine Auswahl des Königreichs 13 Tore bei einer WM erzielt. Sie spielten weiter nach vorne, sie hatten genug vom Status des Geheimfavoriten, der immer dann scheitert, wenn es wichtig wird.
Neymar und seine Teamkollegen, die sich bis zum Viertelfinale kaum eine Blöße gegeben hatten, müssen dagegen weiter auf den sechsten WM-Titel warten. Zwar zerbrachen sie nicht wie beim 1:7 im Halbfinale der Heim-WM vor vier Jahren gegen Deutschland, doch mehr als eine Schwalbe (52.) fiel auch Neymar lange nicht ein. Schiedsrichter Milorad Mazic zeigte dabei ebenso wenig auf den Punkt wie drei Minuten später bei einem Foul von Kompany an Jesus. Trotz Rücksprache mit dem Videoschiedsrichter. Da hatte Belgien Glück.