Die Kolumne von Sky Experte Stefan Kretzschmar
13.10.2019 | 22:38 Uhr
Sky Experte Stefan Kretzschmar analysiert in seiner Kolumne die wichtigsten Themen aus der Welt des Handballs. Diesmal spricht er über die erste Niederlage der Recken. Außerdem blickt er auf die anstehenden Champions League-Spiele voraus und äußert sich zum Hammer-Los für Berlin im DHB-Pokal.
Die TSV Hannover-Burgdorf hat am vergangenen Sonntag die erste Saisonniederlage kassiert. Auswärts mussten sich die Recken bei der MT Melsungen mit 25:31 (15:17) geschlagen geben. Es war klar, dass sich Hannover irgendwann eine Niederlage abholen wird. Sie sind nicht die Übermannschaft, die verlustpunktfrei durch die Bundesliga-Saison geht.
Melsungen hat gut performt, sie haben wieder mal eine starke Leistung abgerufen. Was mich überrascht hat, war das Tempo, das Melsungen gespielt hat. Vor allem mit Finn Lemke als Treiber, der sich seine Wurfchancen auch genommen hat. In der zweiten Halbzeit war die Abwehr auch sehr gut, mit einem starken Nebojsa Simic im Tor.
Auch Hannover hat es in der ersten Halbzeit gut gemacht. Das ist sicherlich ihrem Selbstvertrauen geschuldet, dass sie sich in den letzten Wochen erarbeitet haben. Aber in der zweiten Halbzeit fehlten den Recken nicht nur Morten Olsen, sondern auch die Alternativen im Rückraum, die qualitativ auf derselben Ebene sind wie die ersten Sieben.
Wenn der Anführer fehlt, ist das natürlich schon eine Schwächung. In den letzten Wochen war Olsen einfach der alles überragende Spieler, an dem sich dann auch viele aufgerichtet haben.
Die Schlusslichter HSG Nordhorn-Lingen und TVB Stuttgart konnten hingegen ihre ersten Saisonsiege in der HBL feiern. Für Stuttgart war es eminent wichtig, auswärts bei einem direkten Abstiegskonkurrenten zu punkten. Der Stein, der Stuttgart da vom Herzen gefallen ist, hat man glaube ich in ganz Deutschland gehört. Das war ein vier Punktespiel!
Und Nordhorn-Lingen holt die ersten Punkte gegen Leipzig, was auch verwunderlich ist. Der SC hat nun schon gegen zwei Mannschaften auswärts verloren, die unten drin stehen. Die HSG war sehr engagiert, hatte die bessere Torhüterleistung und zwei überragende Außenspieler.
In dieser Liga - und das ist keine Floskel - ist irgendwie alles möglich. So wie sich im oberen Teil der Tabelle die Positionen permanent abwechseln und alle noch enger zusammenrücken, ist das auch unten möglich. Da geraten vielleicht auch noch ganz andere Mannschaften in kritische Situationen, denn die Aufsteiger sind in der Lage zu punkten.
Am Mittwoch geht es in eine neue Champions-League-Runde. Ich gehe von einem Sieg in Flensburg gegen Zagreb aus. Denn die Kroaten haben sich bisher überhaupt nicht mit Ruhm bekleckert, im Gegenteil: Sie sind eher eine Mannschaft, die in der Königsklasse enttäuscht hat. Zagreb hat zuhause gegen Barcelona mit 17 Toren verloren.
Sie haben jetzt ihren Trainerwechsel vollzogen zum Altmeister Veselin Vujović, der sicherlich kein Unbekannter im Welthandball ist. Das kann durchaus nochmals für frischen Wind sorgen. Aber Zagreb hat nicht die Qualität, in dieser CL-Saison eine große Rolle zu spielen. Deswegen ist das ein Pflichtsieg für die SG.
Die Nordlichter haben es gegen Berlin sehr gut gemacht und endlich wieder Tempohandball gespielt. Doch es ist jetzt eine Frage der Kraft bei den Spielern, die Entlastung auf der Halbrechten Seite für Magnus Röd ist mit Holger Glandorf noch nicht so gegeben. Da ist Holger zum momentanen Zeitpunkt noch kein gleichwertiger Ersatz.
Jim Gottfridsson mit Aufs und Abs und auch Simon Jeppsson kann noch nicht die Entlastung bringen, die man sich von ihm erhofft hat. Es hängt viel an Göran Sögard Johannessen. Bei der Doppelbelastung ist das natürlich ein Hammer-Programm, das die Entscheidungsspieler da zu tragen haben.
Der THW Kiel trifft hingegen auf einen echten Kracher. Mit HC Vardar steht der letztjährige CL-Sieger auf dem Programm. Die sind schon eine europäische Spitzenmannschaft und wieder ein Mitfavorit auf das Final Four in Köln. Sie verlieren jedes Jahr einige Spieler, aber trotzdem stellt man immer wieder ein Team zusammen, das mit viel Biss, viel Wille und viel Abgezocktheit agiert.
Mit den heimstarken Fans im Rücken ist es ein unfassbarer Hexenkessel in Skopje, die auch Außergewöhnliches leisten können. Das wird eine unheimlich schwierige Aufgabe für Kiel, aber unheimlich schwierige Aufgaben haben sie zum Beispiel auch in Veszprem gelöst.
Die Zebras sind für mich momentan die stärkste deutsche Mannschaft. Sie sind zwar punktgleich mit Hannover, haben aber zwei Spiele Rückstand. Sie sind für mich eine Mannschaft, die in ihren Voraussetzungen, in ihrer Kadergröße ein bisschen über den anderen Vereinen steht.
Die Paarungen für das DHB-Pokal-Viertelfinale stehen fest: Als Verantwortlicher der Füchse Berlin hätte ich mir ein anderes Los gewünscht, ein Heimspiel wäre schön gewesen - Melsungen auswärts ist schon ein bisschen unglücklich. Ansonsten sind es schon Kracher-Spiele.
Eine Überraschungsmannschaft wird den Sprung nach Hamburg auf jeden Fall schaffen, das ist für Lemgo oder Ludwigshafen schon klasse. Man hat dann vielleicht nicht die großen Vier vor Ort, aber so ein Außenseiter ist ja auch immer mal das Salz in der Suppe und für den Verein freut es mich dann einfach, dass sie auch mal diese Atmosphäre in Hamburg genießen können.