Zeitreise: Draisaitls Weg ins Stanley Cup Finale
06.06.2024 | 15:24 Uhr
Leon Draisaitl steht mit den Edmonton Oilers im Stanley Cup Finale 2024 (Spiel 1 am So., ab 1.45 Uhr live auf Sky) . Er könnte der sechste Deutsche werden, der den "Holy Grail" erobern kann. NHL.com/de blickt auf die Anfänge von Draisaitls Karriere und Meilensteinen auf seinem Weg ins Finale.
Leon Draisaitl wurde am 27. Oktober 1995 in Köln geboren und ging seine ersten Schritte auf dem Eis auch beim Kölner EC. Den Feinschliff erhielt er ab 2009 in den Junioren-Abteilungen des Mannheimer ERC. In der Schüler-Bundesliga-Saison 2009/10 punktete der Stürmer in 26 Spielen dreistellig (48-55-103). Wie stark Draisaitl schon damals war, zeigte sich ein Jahr später mit 192 Punkten (97-95-192) in 29 Partien der regulären Saison sowie 31 Punkten (16-15-31) in fünf Playoff-Spielen. Zusammen mit Dominik Kahun (69-137-206) bildete Draisaitl ein Duo infernale. In einem goldenen 1995er Jahrgang, zu dem auch seine Kumpels Marc Michaelis und Frederik Tiffels zählten, zerlegten Draisaitl & Co. das deutsche Junioren-Eishockey nach allen Regeln der Kunst.
In seiner ersten vollen DNL-Saison 2011/12, der höchsten deutschen Junioren-Spielklasse, markierte Draisaitl 56 Punkte (21-35-56) in 35 Spielen. Schnell wurde klar, dass dieses Ausnahmetalent in Übersee gefördert werden müsste. Der Kölner schloss sich den Prince Albert Raiders in der kanadischen Juniorenliga WHL (Western Hockey League) an. In den zwei Spielzeiten bis zu seinem Draft-Jahr sammelte er erst 58 Punkte (21-37-58) in 64 Spielen, dann 105 Punkte (38-67-105) in 64 Einsätzen. Schon damals verwiesen diverse NHL-Scouts auf das herausragende Passspiel des jungen Deutschen.
So verwunderte es nicht, dass Draisaitl zum am frühesten gedrafteten Deutschen der NHL-Geschichte wurde, als ihn die Edmonton Oilers im Draft 2014 an dritter Stelle auswählten. Zuvor hatten die Florida Panthers mit Aaron Ekblad einen Verteidiger, und die Buffalo Sabres mit Sam Reinhart einen Stürmer gezogen. Auch wenn diese beiden Spieler einen großen Einschlag hatten, wäre Draisaitl mit dem Wissen von heute wohl sogar ein First-Overall-Pick geworden. Kurios: Ekblad und Reinhart spielen mittlerweile beide bei den Panthers und werden Draisaitl im Stanley Cup Finale 2024 gegenüberstehen.
Gleich in der ersten Saison nach dem Draft debütierte der Kölner in der NHL. Zwischen Oktober und Dezember 2014 absolvierte er 37 Spiele (2-7-9; -17), wurde danach aber zurück in den Juniorenbereich geschickt. Was nach einem Schritt zurück klingt, war für seine Entwicklung genau richtig und offenbarte sich als zwei Schritte nach vorne. In Kelowna schlug Draisaitl sofort ein (32 WHL-Spiele, 19-34-54, +25), führte sein Team zum Titel in der WHL und zur Vize-Meisterschaft im prestigeträchtigen Memorial Cup (1:2 n.V. gegen die Oshawa Generals). Draisaitl wurde WHL-Playoff- (19 Spiele, 10-18-28) und Memorial-Cup-Top-Scorer (fünf Spiele, 4-3-7) und erhielt die Auszeichnung zum MVP (wertvollster Spieler).
Draisaitl erhielt bei den Rockets den Feinschliff und war fortan aus der NHL nicht mehr wegzudenken. In seiner zweiten Saison kam er in 72 Spielen auf 51 Punkte (19-32-51), zudem kam er noch sechsmal für das Farmteam Bakersfield Condors in der AHL zum Einsatz (1-1-2).
2016/17 bestritt der Center seine erste 82-Spiele-Saison in der NHL und stellte direkt neue Bestleistungen in Sachen Tore (29), Assists (48) und Scorerpunkte (77) auf. Auch dank Draisaitl, der zusammen mit Connor McDavid ein neues schlagkräftiges Duo bildete, beendeten die Oilers ihre zehnjährige Durststrecke ohne Teilnahme an den Stanley Cup Playoffs. Edmonton drang bis in die 2. Runde vor (3-4 gegen die Anaheim Ducks). In seinen ersten 13 Auftritten in den Stanley Cup Playoffs gelangen dem Deutschen starke 16 Punkte (6-10-16).
In den folgenden zwei Jahren scheiterten die Oilers doch deutlich am Cut für die Playoffs. Draisaitl schrieb trotzdem Schlagzeilen. Während er sein Passspiel, seine Übersicht und seine Physis auf ein neues Niveau hob, zeigte er auch eine deutliche Steigerung beim Abschluss: 2018/19 erreichte der Linksschütze erstmals den Meilenstein von 50 Saisontoren und durchbrach die Schallmauer von 100 Scorerpunkten (50-55-105).
Die Entwicklung des Ausnahmetalents schritt auch danach weiter voran. Draisaitl zeigte immer neue Facetten, wie etwa ein besseres Faceoff-Spiel, und arbeitete auch an den wenigen Schwächen wie etwa seine Defensivarbeit. Längst ging er auch als Führungsspieler in Edmonton voran und trägt seit 2019/20 das "A" für den Assistenzkapitän auf dem Trikot.
In eben dieser Saison 2019/20, die vom Ausbruch der Covid-19-Pandemie überschattet wurde, avancierte Draisaitl zum besten Spieler der Welt: In einer vorzeitig abgebrochenen regulären Saison ballerte er die Oilers mit 43 Toren, 67 Assists und 110 Scorerpunkten zurück in die Playoffs und sich selbst in die Geschichtsbücher: Bei den NHL Awards 2020 wurde er als erster Deutscher überhaupt mit der Art Ross Trophy als Top-Scorer sowie mit der Hart Trophy (verliehen von Sportjournalisten weltweit) und dem Ted Lindsay Award (verliehen von der Spielergewerkschaft NHLPA, also gewählt von Mit- und Gegenspielern) gleich doppelt als MVP ausgezeichnet.
Auf all diese renommierten Auszeichnungen hätte Draisaitl gerne verzichtet, um stattdessen den Stanley Cup zu erobern. Doch für Edmonton war bereits in der Qualifikationsrunde Schluss (1-3 gegen die Chicago Blackhawks). Für seine herausragenden Leistungen wurde Draisaitl 2020 in Deutschland zum Sportler des Jahres gewählt.
Angespornt von diesem ultimativen Ziel ließ Draisaitl in den folgenden vier Jahren drei Über-100-Punkte-Saison folgen und stellte 2022/23 sogar einen neuen persönlichen Punkte-Rekord mit unglaublichen 128 Punkten (52-76-128) auf. Auch waren die Oilers nun ein Dauergast in den Stanley Cup Playoffs, wo sie wertvolle, teilweise aber auch schmerzhafte Erfahrungen sammelten: 2021 wurden sie bereits in der ersten Runde gesweept (0-4 gegen die Winnipeg Jets). 2022 ging es bis ins Western Conference Finale (0-4 gegen die Colorado Avalanche). 2023 bis in die zweite Runde (2-4 gegen die Vegas Golden Knights). Edmonton zog also zweimal in Folge gegen den späteren Stanley Cup Champion den Kürzeren. Die Torhüter-Position, die Abwehr und fehlendes Secondary Scoring wurde jeweils als Grund für das Ausscheiden ausgemacht.
Genau diese Baustellen scheinen die Oilers in den Playoffs 2024 behoben zu haben, weshalb sie nun im Stanley Cup Finale stehen. Einen großen Anteil daran hat erneut Draisaitl, der auf seine bereits fünfte Über-100-Punkte-Hauptrunde (41-65-106) in den Playoffs eine unheimliche Konstanz an den Tag legt: In 16 von bislang 18 Spielen sammelte der 28-Jährige mindestens einen Scorerpunkt und ist mit einer 10-18-28-Ausbeute der zweitbeste Playoff-Scorer und zweitbeste -Torjäger hinter seinen Teamkollegen McDavid (5-26-31) und Zach Hyman (14-4-18).
Für Draisaitl schließt sich nun ein Kreis. In der Best-of-7-Finalserie gegen Florida (alle Infos zu den Übertragungen) trifft er die im Draft 2014 vor ihm gezogenen Ekblad und Reinhart. Wie damals mit Kahun weiß er heute mit McDavid einen kongenialen Mitspieler an seiner Seite. Das ultimative Ziel, der Gewinn des Stanley Cup, scheint zum Greifen nahe. Viele Baustellen im Team sind behoben. Der Playoff-Bart ist länger geworden. Es sind "nur" noch vier Siege um eine lange und persönlich erfolgreiche Reise über zehn Jahre vom Draft bis heute mit dem Heiligen Gral zu krönen.
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