Herrmann-Wick über Karriereende: "Perfekter Abschluss"
15.03.2023 | 23:45 Uhr
Am Dienstag hat Biathlon-Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick nicht ganz unerwartet ihren Rücktritt zum Saisonende verkündet. Bei Sky sprach die 34-Jährige exklusiv über ihr Karriereende.
"Es ist schon komisch. Es wird realer. Aber so richtig real ist es natürlich noch nicht, weil dafür sind es einfach noch drei Wettkämpfe. Von daher versuche ich natürlich, den Fokus auf jeden Fall noch zu halten, um mich nicht vollends meinen Emotionen hinzugeben. Aber am Sonntag kann es natürlich schon sein, man macht es ja nicht so oft im Leben und von daher kann man sich auch nicht darauf vorbereiten und man muss sich dem hingeben. Aber trotzdem auf jeden Fall schon mal komisch, so über das zu reden, was kommen wird. Wo man auch noch nicht so ganz genau weiß, wie sich das anfühlt."
"Ich bin natürlich in dem Alter, wo man da schon mal drüber nachdenkt oder über die letzten Jahre weiß, dass der Leistungssport irgendwann endlich ist. Für mich war eigentlich seit ein paar Jahren klar, dass das meine letzte Saison sein wird. Das ist einfach der perfekte Abschluss mit der Heim-WM. Also von der emotionalen Ebene geht es jetzt nicht schöner und von der Atmosphäre. Genauso war es jetzt auch, unabhängig von den Erfolgen, die jetzt nochmal entstanden sind. Aber das ist natürlich jetzt nochmal so ein krönender Abschluss gewesen."
"Das kann ich gar nicht so genau sagen. Natürlich war Olympia das große Ziel und ich verfolge gerne Ziele, natürlich aber immer bezogen darauf, was als nächstes ansteht. Und das war jetzt in dem Moment dann auch Olympia und danach kam die WM. Aber ja, es kommt auch das Leben danach und man überlegt, wann ist der perfekte Zeitpunkt. Natürlich jetzt als Außenstehender denkt jeder, dass das irgendwie am Erfolg gemessen ist. Aber es ist natürlich so, wenn man Leistungssportlerin ist, die das schon seit Kindertagen macht, nicht nur der Erfolg, sondern das muss sich am Ende rund anfühlen. Das habe ich immer gesagt. Ich habe mir immer gedacht: Ja, Oberhof, die Saison, dann noch Oslo danach, das könnte sich rund anfühlen. Von daher war das für mich mal mindestens seit zwei Jahren definitiv klar, dass Oberhof und Oslo das letzte wird, wo ich meinen hochintensiven Kilometer in den Schnee ziehe."
"Es ist schwierig zu sagen, es ist extrem. Die Gemütslage ist total verschieden. Dann an so einem Tag, natürlich auch mit den Rücktritten der anderen Mädels. Vor allem von der Familie die Nachrichten, die ergreifen schon, weil die sind auch diejenigen, die am meisten auf mich verzichten mussten und jetzt können wir mal ein bisschen mehr Zeit verbringen. Das ist natürlich schon etwas, das einen dann extrem bewegt. Aber die ganzen Nachrichten, auch von Freunden und Bekannten, haben mich dann doch irgendwie emotional bewegt. Das ist schön zu sehen, dass es einem selber nicht nur schwerfällt zu gehen, sondern dass man da auch Leute mitreißt, die es schade finden. Aber klar, so ist der Lauf des Lebens. Aber ist natürlich trotzdem schön, dass so viele mitgefiebert haben und da jetzt schon auch sehr nahe immer dabei waren."
"Das ist eine sehr hohe Formulierung. Wir verstehen uns auch so ganz gut. Es ist schon schade, wenn man dann natürlich die Leute nicht mehr so oft sieht, aber dieser Respekt als Mensch und Athletin, der einem dann so entgegengebracht wird, das ist das Höchste, was man bekommen kann.''
"Ich finde es schön, dass man so in der Lage ist, bis zum letzten Tag um einen Sieg mitzukämpfen. Das ist natürlich Biathlon und das klappt auch nicht jeden Tag. Aber dass man in der Lage ist, ganz oben zu stehen, Laufzeiten zu bestimmen und auch so auf der letzten Runde dann noch mal so richtig Paroli bieten zu dürfen, wie es jetzt in dem Jahr auch war, das ist dann schon schön zu sehen. Aber man muss natürlich auch mal sagen, dass man überhaupt gesund immer so durchgekommen ist, das ist rückblickend so ein hohes Gut, was man da bekommen hat. Das ist die Grundvoraussetzung für einen langfristigen Leistungsaufbau. Ja, da kann ich froh sein, dass ich so einen Körper habe und natürlich vielleicht auch mal irgendwie vom Trainingsaufbau das systematisch so gemacht habe, dass man da stabil durchkommt und ich am Ende bis zum letzten Tag Herr der Lage war."
"Es ist ganz schwierig zu sagen, es hat jede Medaille eine Geschichte, begonnen im Langlauf natürlich. Dann über diese erste große Medaille in Östersund, über diese bestätigende Medaille in Antholz und dann natürlich mit dem Olympiasieg und jetzt bei der WM daheim. Dass ich so etwas überhaupt erleben darf. Das sind Kindheitsträume, die man mal hat. Aber dass man diese Realität erleben darf, da muss man sich selber dann auch mal kneifen. Und das hat so alles seine Geschichte. Oder dieser Weg dorthin, der war immer ein anderer. Und das ist genau das im Sport, was ihn auch ausmacht, dass man diesen Weg immer wieder sucht und dass der niemals gleich ist, aber doch sehr ähnlich. Da bin ich unglaublich dankbar dafür.''
"Ja, definitiv. In den jungen Jahren war das etwas, was mich als Mensch extrem geprägt hat. Natürlich mit sich selber hart ins Gericht zu gehen und für Fehler einzustehen. Ich glaube, das hat mich im Nachgang extrem geprägt. Natürlich gibt es auch Tiefpunkte, die man vielleicht machen muss als Sportler. Aber das ist auch immer ein langer Zeitraum, wo man mental durch muss. Gerade im Wintersport ist ja noch mehrere Monate Pause und da muss man sich schon gut über Wasser halten, dass man da wieder so gut zurückfindet. Das gehört dazu. Aber das macht es natürlich auch nicht leichter."
"Ich muss auf jeden Fall mal Frühjahrsputz machen. Definitiv. Graut mir auch ein bisschen davor. Aber gut. Sonst natürlich jetzt erst mal die drei Wettkämpfe noch machen. Das ist etwas, das eine ganz hohe Priorität jetzt noch hat. Also wirklich bis zum letzten Meter. Ich bin immer noch am härtesten Zielsprint aller Zeiten, noch bis zum letzten Tag und dann natürlich erstmal heimkommen, sich selber wieder finden. Das alles mal sacken lassen, mehr Zeit mit Familie und Freunden verbringen. Das war jetzt wirklich zu kurz gekommen in den letzten Jahren. Natürlich in den Urlaub fahren und das Hausbau-Projekt ist auch da und da gibt es ja doch auch noch einiges zu machen. (…) Ich freue mich einfach mal, nicht mehr so oft Taschen tragen zu müssen und bei meinem Mann daheim zu sein und die Zeit nachzuholen. Und ja, wie gesagt, auch ein bisschen offen zu sein im Leben auf das, was kommt. Weil ich bin ja doch immer sehr durchgeplant und deswegen versuche ich jetzt mal nicht so viele Pläne zu schmieden. Mal gucken, wie lang es klappt.''
"Ja, also als klassische Trainerin sehe ich mich nicht. Ich würde natürlich schon gerne meine Erfahrung so weitergeben und bin ja, denke ich, trotzdem noch eng an der Gruppe Ruhpolding dran. Aber jetzt ein klassischer Trainerjob wahrscheinlich eher nicht."
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