Leroy Sane glänzt beim FC Bayern nicht nur mit seinen offensiven Qualitäten. Eine Szene aus dem Spiel gegen den FC Barcelona steht exemplarisch für seine Entwicklung.
Es läuft die Nachspielzeit der ersten Halbzeit in der Allianz Arena. Barcelona kontert, Ousmane Dembele nimmt am Mittelkreis Fahrt auf. Er hat nur noch Dayot Upamecano und Niklas Süle vor sich. Was er aber nicht ahnt: Zehn Meter hinter ihm setzt Leroy Sane zum Sprint an. Wie von der Tarantel gestochen jagt der Bayern-Stürmer zurück in die eigene Hälfte. Rund 25 Meter vor dem eigenen Tor hat er Dembele eingeholt und dem Franzosen den Ball abgeluchst. Eine Szene, die symptomatisch für die Entwicklung beider Spieler steht.
Während der eine, Dembele, der sich einst für 135 Millionen aus Dortmund nach Barcelona streikte, den erhofften Sprung zum Weltstar nicht geschafft hat, ist Sane (2020 für 45 Millionen Euro zu den Bayern gewechselt) eben genau auf dem Weg dahin.
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"Wenn ich sehe, wie ein Leroy Sane heute defensiv arbeitet, wie er ansprintet, vor allem in den ersten 60 Minuten. Das ist für mich Charakterstärke", lobte ihn sein Trainer Julian Nagelsmann auf der Pressekonferenz nach dem hochverdienten 3:0-Sieg gegen Barcelona.
Sane hat gerade noch rechtzeitig die Kurve bekommen. Die Worte von Hasan Salihamidzic vor der Saison scheinen ihn angestachelt zu haben. Der Nationalspieler stehe vor einem "Jahr der Wahrheit", hatte der Sportvorstand im Kicker gesagt. Und es ist jetzt schon ein sehr gutes Jahr für Sane. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen.
Beeindruckende Sane-Werte
Sane hat seine Werte aus dem letzten Jahr egalisiert, wie die Grafik zeigt - und das nach nicht einmal der Hälfte der Saison!
Auf eine solche Leistungsexplosion deutete im Sommer wenig hin. Sane stand oft in der Kritik - auch bei den Teamkollegen. So musste er sich während des Testspiels der deutschen Nationalmannschaft vor der Europameisterschaft gegen Dänemark zunächst einen Anpfiff von Niklas Süle ob seines laschen Zweikampfverhaltens gefallen lassen und später gab es dann auch noch einen Satz heiße Ohren von Joshua Kimmich: "Hör' auf zu jammern, Alter!".
Nagelsmann: "So etwas liebe ich"
Das ist aber längst Vergangenheit, was wohl auch an Nagelsmann liegt, der bei Sane wohl genau die richtigen Knöpfe drückt. "Die Dinge, die ihm angekreidet wurden, hat er gar nicht mehr in seinem Spiel. Von seiner Emotion, von seinem Anlauftempo und von der Geschwindigkeit: So etwas liebe ich einfach. Das ist der Unterschied zwischen einem guten und einem sehr, sehr guten Spieler", sagt der Bayern-Coach.
Nagelsmann findet nicht nur die richtigen Worte, er hat auch die Position von Sane verändert. Der Nationalspieler ist kein reiner Flügelspieler mehr. Unter Nagelsmann wird ihm oft eine etwas zentralerer halblinke Position zuteil. Dadurch ist er besser eingebunden. "Er spielt viel zentrumslastiger. Dann hat er viel mehr Aktionen im Spiel und kürzere Gegenpressingwege", hatte Nagelsmann im November nach dem 5:2 gegen Benfica in der Champions League gesagt.
Es ist also kein Zufall, dass er seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0 gegen Barcelona eben genau aus rund 25 Metern halblinker Position mit seinem starken linken Fuß erzielte. Es war ein typischer Treffer der Marke Sane. Bereits gegen Bielefeld hatte er mit einem ähnlich strammen Linksschuss aus der Distanz das Spiel entschieden.
Erinnerungen an Ribery werden wach
Und so ein bisschen erinnert die Entwicklung des Ex-Schalkers an die Zeit von Franck Ribery beim FC Bayern. Der Franzose legte - ähnlich wie Sane in seiner Anfangszeit bei den Bayern - eine lasche Einstellung in puncto Defensive an den Tag. Das änderte sich zunehmend mit dem Beginn der Triple-Ära unter Jupp Heynckes ab 2011.
Riberys ehemaliger Teamkollege Bastian Schweinsteiger beschreibt das sehr gut. "Es war tatsächlich so bei seiner Anfangszeit beim FC Bayern, dass Franck sobald er den Ball verlor, meistens stehen blieb und wartete, dass es die Defensivspieler für ihn richten. Und dann ist er nicht einfach zehn Meter nach hinten gelaufen, sondern er hat mit Vollsprints nach hinten gearbeitet und verteidigt. Dann habe ich mir gedacht, dass er sich sicherlich auf dem richtigen Weg befindet", wird Schweinsteiger im Buch "Franck" des französischen Journalisten Alexis Menuge zitiert.
"Eindeutig der Schlüssel zum Erfolg"
Und auch Riberys einstiger Coach Jean Fernandez schildert dort diese Beobachtungen. "Bei Ballbesitz waren die Bayern immer sehr stark, aber beim Verlust des Balls gab es Defizite. An dem Tag, wo Heynckes seinen Spielern erklärt hat, dass man auch bei Ballverlust sofort umschalten muss, um den Ball so schnell wie möglich zurückzuerobern, ist der FC Bayern die Nummer eins in Europa geworden. Das war eindeutig der Schlüssel zum Erfolg."
Einen ähnlichen Weg scheint Sane nun einzuschlagen und der FC Bayern ist nach sechs Siegen aus sechs Gruppenspielen im Begriff, vielleicht erneut die Nummer eins in Europa zu werden. Allerdings gibt es bei allem Lob für Sane immer noch Luft nach oben.
Verbesserungspotenzial vorhanden
Das zeigen einige Szenen aus dem Spiel gegen Barcelona, wie jene aus der 48. Minute, als er aus drei Metern Marc-Andre ter Stegen den Ball leichtfertig in die Arme schiebt oder, als er in der 87. Minute sehr frei mit dem Ball am Fuß auf den Barca-Kasten zustürmt und die Kugel über das Tor schießt.
Sollte Sane sich aber weiterhin so prächtig unter Nagelsmann entwickeln, ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er solche Chancen in naher Zukunft nicht mehr liegen lässt und ihm - wie einst Ribery - der Sprung zum Weltstar gelingt.
Mehr zum Autor Thomas Goldmann
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