Wenn sogar der Papst grüßt: So erlebte ich Beckenbauers Gedenkfeier
19.01.2024 | 21:18 Uhr
Ein Abschied auf großer Bühne: Fußball-Deutschland ehrt Franz Beckenbauer vor großer Kulisse mit einer Gedenkfeier in der Allianz Arena. Ein Tag im Zeichen des Kaisers. Wie ich ihn erlebt habe.
"Heute ist die Welt zu Gast bei Franz", begrüßte Bayern-Präsident Herbert Hainer Tausende Fußballfans, die am Freitagnachmittag bei eisigen Temperaturen den Weg in den Münchner Norden fanden oder wahlweise zu Hause den Fernseher oder einen Stream einschalteten, um dem größten Fußballer Deutschlands die letzte Ehre zu erweisen.
Der FC Bayern München hat für Kaiser Franz Beckenbauer aufgefahren und eine der, wenn nicht sogar DIE größte Trauerfeier in der deutschen Sportgeschichte innerhalb kürzester Zeit auf die Beine gestellt. Ein wie ich finde, würdiger Rahmen für den, so war es in der vergangenen Woche häufig zu hören, einflussreichsten Sportler Deutschlands.
Den Weg nach Fröttmaning, in die Arena, die es ohne Beckenbauer wohl nie gegeben hätte, fanden über 20.000 Zuschauer. So elegant, wie sich Beckenbauer einst auf dem Platz bewegte, dürfte der Gang der vielen Teilnehmer auf den rutschigen Wegen der Esplanade nicht gewesen sein. Viele von ihnen dürften den Kaiser selbst noch haben spielen sehen. Im Vergleich zu einem Spiel des FC Bayern München ist der Altersschnitt der Zuschauer auf den Rängen entsprechend höher. Ein Fan, jenseits der 60 Jahre dürfte er gewesen sein, ist gar aus Brandenburg angereist. Doch nicht nur das. Er hatte gleich eine ganze Sammlung selbst gebastelter Pokale, drapiert auf einem "kaiserlichen" Tuch, auf einem Wagerl zur Arena gerollt und sein Kunstwerk stolz allen Interessierten präsentiert und für Fotos posiert.
Schnell ist zu spüren, wie viel den Menschen Beckenbauer bedeutet haben muss und dies auch immer noch tut. Auf dem Weg zur Pressetribüne höre ich immer wieder Anekdoten von Fans, in denen sie über "ihren Franz" und die Momente, die er ihnen schenkte, sprechen. Ähnliches griff auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in seiner Rede auf.
Ob es die Generation 60 plus ist, die erstmals erkannte, wie schön auch ein Deutscher den Ball behandeln und damit den WM-Titel '74 einfahren konnte. Oder die Generation 40 plus, die mit Bundestrainer Franz Beckenbauer den WM-Titel 1990 feiern durfte. Oder aber die Generation, die aktuell in ihren 20ern oder 30ern steckt, die Kaiser Franz zu verdanken hat, dass er ihnen 2006 und in den Jahren davor als "diplomatisches Naturtalent" (O-Ton Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier) ein Sommermärchen beschert hat. Für mich war es - und das wird mir erst jetzt bewusst - der wohl erste Anstoß für eine Karriere im Sportjournalismus. Danke Franz.
Am Freitag war es also an der Zeit, dass jede dieser Generationen die Möglichkeit hatte, Beckenbauer die letzte Ehre zu erweisen. Die Gedenkfeier, die der FC Bayern für ihren Ehrenpräsidenten veranstaltete, war detailverliebt geplant. Seien es die Darbietungen von Frank Sinatras "New York, New York", interpretiert von der Blaskapelle Höhenkirchen Siegertsbrunnen in Erinnerung an seinen Wechsel zu Cosmos oder der Tölzer Knabenchor, der die Klubhymne "Stern des Südens" in einer ganz besonderen Art und Weise zu singen wusste. Gänsehaut!
Aber auch ein großes Kompliment an die Fans, die ihren Emotionen vereinzelt freien Lauf ließen, die ihre Fanclubbanner mit schwarzen Schleifen zierten und immer ein Gespür dafür hatten, wann es galt, einen Moment innezuhalten und erkannten, wann der richtige Moment sei, um Beckenbauer mit stehenden Ovationen zu ehren (so zum Beispiel nach dem Einspieler "Spieler - Mensch - Kaiser").
Die Rede des Tages hielt Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß. Dieser schaffte es in seiner Rede, Details aus Beckenbauers Leben zu verraten, die vorher nicht in einem der zahlreichen Nachrufe zu lesen oder in Dokumentationen zu sehen war. Hoeneß war in diesen Momenten seiner Ansprache nicht der einzige mit einem dicken Kloß im Hals, zeigte - ganz Uli-like - Emotionen und schaffte es doch auch für Lacher zu sorgen. Besonders stark war seine Rede zu dem Zeitpunkt, als er im Zeichen Beckenbauers dazu aufrief, den Geist der Gemeinschaft von 2006 wiederzubeleben (O-Ton Hoeneß: "Möchte nicht die AfD dabeihaben!").
Ob Bundespräsident, Bundeskanzler, UEFA-Präsident, Weltmeister, Fußballlegenden oder die zahlreichen verschiedenen Kränze rund um den Mittelkreis (vom bulgarischen Fußballverband bis zum FC Barcelona), spätestens beim Segen durch Kardinal Marx dürfte jedem klar gewesen sein, welchen Stellenwert Beckenbauer auch außerhalb der Bundesrepublik hatte. Der Erzbischof brachte fast beiläufig Mail-Grüße von Papst Franziskus mit.
Inwiefern Deutschland seinen letzten Kaiser künftig in Erinnerung behalten wird, ist unklar. Wer diese Gedenkfeier miterlebt hat, der wird sagen, es muss etwas Bedeutendes sein. Für Sky Reporter Uli Köhler sollte man sich nicht nur auf München beschränken. "Wieso nicht den Alexanderplatz in Berlin nach Franz benennen?", so sein Vorschlag in Gesagt. Gemeint. Köhler ist einer, der den Franz mit all seinen Facetten kannte. Es gibt nicht viele, die so etwas also besser einschätzen könnten.
Was erst einmal bleibt, ist eine würdige, andächtige Gedenkfeier, deren Reden, deren Setting und deren Auftritte den anwesenden Menschen lange in Erinnerung bleiben wird.
Mehr zum Autor Max Georg Brand
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