Regelkonformes Chaos: Der turbulente Schluss beim Australien-GP
02.04.2023 | 21:48 Uhr
Während Max Verstappen seinen zweiten Saisonsieg in Australien einfährt, bleibt vor allem das chaotische Ende des Grand Prix in Erinnerung. Nicht alle sind mit der Entscheidung der Rennleitung zufrieden.
Bis zur 54. Runde fuhr der Niederländer seinem ersten Sieg in Down Under so bequem wie dominant entgegen, doch fünf Runden vor Schluss stellte Kevin Magnussen alles auf den Kopf. In Kurve zwei touchierte der Däne die rechte Wand so hart, dass er seinen Reifen verlor und das Rennen vorzeitig aufgeben musste.
Die herumliegenden Teile sorgten dafür, dass erneut das Safety-Car auf die Strecke fuhr, doch kurz darauf entschied sich die Rennleitung zum dritten Mal für eine komplette Rennunterbrechung. Noch nie zuvor wurde ein Grand Prix dreimal durch eine Rote Flagge unterbrochen.
Der anschließend stehende Start sorgte für großes Chaos: Logan Sargeant räumte Nyck de Vries ab, die beiden Alpine-Teamkollegen Esteban Ocon und Pierre Gasly schossen sich gegenseitig aus dem Rennen, Carlos Sainz drehte Fernando Alonso, Lance Stroll verbremste sich und landete im Kiesbett.
Es blieb ein Bild der Verwüstung, das Sky Experte Ralf Schumacher bereits kommen sah: "Das Rennen kann ohne Bedenken unter dem Safety-Car zu Ende gefahren werden, auch wenn da ein paar Teilchen liegen, das halten die Reifen aus - und dann macht man Schluss", kritisierte Schumacher die Entscheidung, das Rennen zu unterbrechen und damit einen gefährlichen stehenden Start eine Runde vor Schluss zu erzeugen. "Man darf auch nicht vergessen, wir haben einen Budget-Cap. Was bringt das jetzt? Nichts", so Schumacher weiter.
Die Entscheidung, nach der Roten Flagge das Rennen mit einem stehenden Start fortzusetzen, war zwar regelkonform - und hätte nach einigen Meinungen im Paddock dennoch verhindert werden können. "Sie haben das Problem selbst geschaffen", sagte Verstappen über die Entscheidung der Rennleitung, das Rennen nach Magnussens Crash zu unterbrechen. Auch Red Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko ergänzte bei Sky: "Man hätte das Rennen nicht abbrechen brauchen. Man hätte es einfach unter dem Safety-Car oder virtuellen Safety-Car beenden sollen."
Die Rennleitung sah dies offenbar anders, Nico Hülkenberg, der am Ende auf Platz sieben ins Ziel fuhr, wünschte sich ebenfalls mehr Fingerspitzengefühl. "Es gibt da immer zwei Seiten: Einmal die Entertainment-Seite für Fans und Fernsehen und es gibt die Seite des Fahrers, des Teams." Ein Ausscheiden so kurz vor Schluss sei "ein Horrorszenario", so der Emmericher weiter. "Wir wollen geiles Racing und Entertainment, aber wir dürfen die sportliche Komponente nicht vergessen."
Da nach dem Re-Start kein kompletter erster Sektor absolviert wurde, setzte die Rennleitung die alte Startreihenfolge wieder in Kraft - bitter für Hülkenberg, der sich nach dem Crash-Chaos auf Platz vier befand. Glücklich dagegen für Alonso und Stroll, die ihre Unfälle unbeschadet überstanden und somit das Rennen auf Platz drei und vier beendeten.
"Die Rennleitung muss nach Regelbuch vorgehen und das hat das Regelbuch vorgegeben", meinte Mercedes-Teamchef Toto Wolff bei Sky über die Entscheidung, das Rennen mit einem stehenden Start fortzusetzen. "Schade natürlich für die beiden Alpines, die beide Autos da geschrottet haben und auf guten Positionen waren, aber wenn die Regeln so sind, muss man das so machen."
Auch Ferrari-Teamchef Fred Vasseur sah den Re-Start regelkonform, "man kann der Rennleitung da keinen Vorwurf machen, denn sie halten sich an die Regeln", meinte der Franzose bei Sky. Und kritisierte dennoch die "undurchsichtig" lange Entscheidungsfindung der Rennleitung.
Die Strafe für seinen Schützling Carlos Sainz, der für die Kollision mit Alonso eine Fünf-Sekunden-Strafe aufgebrummt bekam und aus den Punkterängen fiel, bewertete er als "sehr hart." Sainz selber zeigte sich schon im Cockpit fassungslos über seine Strafe, "das ist die schlimmste Strafe, die ich in meinem Leben gesehen habe", so der konsternierte Spanier anschließend bei Sky.
Auch wenn die Wiederaufnahme des Rennens mit einem riskanten, stehenden Start regelkonform war: Die Frage, ob eine Rennunterbrechung nach Magnussens Unfall überhaupt nötig gewesen ist, bleibt offen. Für Spektakel hat die Entscheidung allemal gesorgt.