Bottas ist Hamiltons Trumpf im Kampf gegen Verstappen
02.05.2021 | 21:25 Uhr
Die Luft zwischen Mercedes und Red Bull wird dicker - nicht nur auf, sondern auch neben der Strecke. In der dritten Runde des WM-Fights zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen in Portugal könnte ausgerechnet der zuletzt stark kritisierte Valtteri Bottas zum Trumpf für den Rekordweltmeister werden.
Bereits zu Saisonbeginn in Bahrain zeichnete es sich ab: Die WM in der Formel 1 könnte in diesem Jahr zu einem knallharten Kampf zwischen Lewis Hamilton im Mercedes und Max Verstappen im Red Bull werden.
Doch dass dieser Fight bereits im Rahmen des dritten Grand Prix in Portugal für solch verbale Attacken neben und Scharmützel auf der Strecke sorgen würde, davon war nicht zwingend auszugehen.
Bevor es um die aktuellen Geschehnisse in Portugal geht, noch ein kleiner Zeitsprung zurück nach Imola. Dort kam es beim zweiten Grand Prix der Saison bereits in der ersten Runde zu einem Rad-an-Rad-Duell und letztlich einer Berührung zwischen Hamilton und Verstappen. Eine Szene, die auch noch mit zwei Wochen Abstand Thema bei Red Bull ist - wie die Worte von Boss Dr. Helmut Marko am Sky Mikrofon verraten.
"Ich war in Imola überrascht, dass Hamilton - obwohl er auf der Außenspur war - so dagegengehalten hat. Da kann er von Glück reden, dass er sich bei der Überfahrt der Curbs nicht mehr am Auto kaputt gemacht hat. Also ich glaube nicht, dass das auf Dauer gut geht."
In Portimao ist es bislang gut gegangen - allerdings nur im Hinblick auf eine Kollision oder eine Berührung. Denn im 3. Freien Training am Samstag nahmen die Psycho-Spielchen zwischen den beiden Rivalen wieder Fahrt auf. "Wir haben ja heute gesehen, dass Hamilton extra langsam gemacht und so die Runde von Max zerstört hat", erklärt Dr. Marko mit einem kritischen Unterton in Richtung Mercedes und Hamilton.
Geholfen hat die Aktion von Hamilton in diesem Fall letztendlich nichts, denn Verstappen brannte im Nachgang in der dritten Trainingssession dennoch die schnellste Zeit in den Asphalt.
Als es aber darauf ankam - im Qualifying - musste Verstappen wie bereits in Imola, als er hinter Hamilton gestartet ist, zurückstecken. Ein Fehler in seiner schnellen Runde, als er die Track Limits nicht eingehalten hat und seine Zeit somit gestrichen wurde, kostete ihm die Pole Position. So muss der Niederländer erneut hinter Hamilton starten.
Doch in Portimao ist dies nicht die einzige Problematik aus Red-Bull-Sicht. Denn mit Valtteri Bottas war ausgerechnet der Teamkollege von Hamilton noch schneller als die beiden und sicherte sich so Startplatz eins. Damit kämpft Verstappen am Sonntag an der Algarve gleich gegen zwei Konkurrenten, die ihm das Leben schwer machen werden. Sky Experte Nico Rosberg bezeichnete dieses Ergebnis für Red Bull als "große Niederlage".
Vor dem Wochenende war davon noch nicht auszugehen. Bottas sah sich nach seinem nicht ganz unverschuldeten Unfall gegen George Russell in Imola heftiger Kritik ausgesetzt. Auch sein Boss Toto Wolff zählte den Finnen öffentlich an. Doch in Portugal gelang dem 31-Jährigen zumindest vorübergehend der Turnaround.
"Wir sind richtig happy, dass wir so einen Schritt nach vorne gemacht haben. Vor allem Valtteri, der zuletzt richtig viel Kritik hat einstecken müssen, hat eine gute Runde gezeigt", lobte Wolff explizit Bottas und schob direkt hinterher: "Ich bin jedes Mal überzeugt, weil er hat den Speed. Das Fahren hat er nicht verlernt, aber er hat diese Schwankungen und das müssen wir hinkriegen. Manchmal hilft der Zucker und manchmal die Peitsche. Er muss einfach im richtigen Kopf-Space sein, dann klappt es."
Auch Bottas selbst zeigte sich nach dem erfolgreichen Qualifying und seiner ersten Pole Position seit Sakhir 2020 zufrieden. "Es ist ein tolles Gefühl auf der Pole zu stehen. Ich habe viel gearbeitet und es ist schön, dass sich das auszahlt. Das ganze Wochenende haben wir uns auf den Soft-Reifen so lala gefühlt. Der Medium-Reifen hat eben besser funktioniert. Auf diesem starten wir auch im Rennen. Da können wir den Stint entsprechend ausdehnen. Ich muss mich morgen auf den Start konzentrieren, es ist aber klar, was das Ziel sein sollte."
Für Bottas heißt dieses - zwar unausgesprochen - aber dennoch ganz klar: Sieg. Doch rein strategisch und im Hinblick auf den bereits jetzt engen und womöglich bis zum Saisonende umkämpften WM-Titel dürfte Mercedes dieses Ziel leicht modifiziert formulieren. Aus Rennstall-Sicht wäre es wichtig, dass Bottas vor Verstappen die Ziellinie überquert und sich Hamilton im Laufe des Rennens an seinem Teamkollegen vorbeischiebt.
Eine Variante dafür könnte die Boxenstopp-Strategie - in Portimao ist von einer Ein-Stopp-Strategie auszugehen - sein. Dabei könnte Mercedes die Zeitpunkte der beiden Fahrer so wählen, dass Hamilton ohne einen Kampf auf der Strecke an seinem Teamkollegen vorbeiziehen kann. Bottas hätte in diesem Fall die Aufgabe, Verstappen in Schach zu halten und so den Doppel-Sieg einzutüten - zumindest in der Theorie.
Auch Sky Experte Rosberg folgt dieser zumindest im Hinblick auf das Ergebnis. "Ich würde auf Hamilton tippen, weil er einfach im Rennen eine Maschine ist. Das hat er auch im vergangenen Jahr hier gezeigt. Für Red Bull bleibt zwar noch eine kleine Chance. Allerdings fahren alle mit den Medium-Reifen los, weswegen der erste Stint sehr lang wird. Das macht es für Red Bull strategisch schwieriger."
Auch die Historie und Statistik spricht für Hamilton - immerhin war der Brite bislang der einzige Sieger auf dem Kurs in Portimao. Der Umstand, dass er "nur" von Platz zwei ins Rennen geht, sollte allen Hamilton-Fans ebenfalls keine Kopfschmerzen bereiten, immerhin gewann der Rekordweltmeister die vergangenen drei Grands Prix allesamt, in denen er von diesem Platz aus ins Rennen ging (GP der Eifel 2020, Emilia Romagna 2020 & Sakhir 2021).
Ob Hamilton diese Statistik ausbauen kann und ob Bottas dabei wirklich zum entscheidenden Trumpf werden kann, zeigt sich dann am Sonntag (ab 14:30 Uhr LIVE und EXKLUSIV auf Sky Sport F1) in Portimao auf dem Autodromo Internacional do Algarve.