"Keine Einigkeit mehr": Ferraris Verhalten erstaunt auch Red Bull
10.07.2022 | 18:27 Uhr
Die Scuderia Ferrari hat in dieser Saison ein so gutes Auto wie schon lange nicht mehr. Doch so oft das Paket der Roten Göttin stimmt, so oft legen das Team und die Piloten ein fahrlässiges Fehlverhalten an den Tag. Der Sprint in Österreich liefert das nächste Kapitel in einem mittlerweile dicken Buch.
Die Ausgangslage vor dem Sprint in Spielberg war vielversprechend für Ferrari. Während Red Bull mit Weltmeister Max Verstappen nur ein heißes Feuer auf Startplatz eins hatte - Sergio Perez startete nur von P13 aus - waren bei der Scuderia sowohl Charles Leclerc (Startplatz zwei) als auch Carlos Sainz (Startplatz drei) in aussichtsreicher Lage.
Doch um diese Ausgangsposition auch auszunutzen, Druck auf Verstappen auszuüben und mindestens einen Piloten am Red Bull vorbeizubringen, muss neben der Power im und der Abstimmung am Auto auch sonst ein Rädchen ins andere greifen. Doch wie so oft in dieser Saison war das bei Ferrari auch in Österreich erneut nicht der Fall.
Wie bereits in Silverstone, als man Leclerc gegen Ende des Rennens während einer Safety-Car-Phase auf alten Reifen draußen ließ, während alle anderen Kontrahenten auf frische Soft-Reifen gingen, machte die Teamleitung um Mattia Binotto erneut keine gute Figur, wenn es darum ging, strategisch richtige Entscheidungen zu treffen und eine klare Richtung auf der Strecke vorzugeben. Aber auch die beiden Ferrari-Fahrer trugen dazu bei, dass der Sprint in Österreich für Verstappen zum lockeren Aufgalopp mutierte.
Besonders zu Beginn des Sprints kam es immer wieder zu Positionswechseln zwischen den beiden Ferrari-Piloten. Teilweise ging es fast schon Rad an Rad und die Gefahr eines Ausscheidens beider Fahrer war nicht ausgeschlossen. Von den heftigen Duellen profitierte aber vor allem einer: Verstappen. Der Weltmeister konnte sich von den "Streithähnen" relativ zügig absetzen, eine Lücke von zwei bis drei Sekunden herausfahren und diese bis zum Ende locker verwalten.
Somit hat sich Ferrari in der Weltmeisterschaft erneut in eine schlechtere Position gebracht, indem es keine klare Ansage aus der Box gab oder diese zu spät erfolgte. "Ich will das nicht kommentieren. Wir nehmen das mit Erstaunen, aber dankbar zur Kenntnis", freute sich Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko am Sky Mikrofon über das Verhalten der Scuderia-Piloten.
Sky Experte Ralf Schumacher blickte im Gespräch mit Dr. Marko süffisant auf die Lage im WM-Kampf: "Wenn Ferrari, euer B-Team oder C-Team, euch weiter so hilft, dann läuft es ja. Man hat den Eindruck, dass sie unbedingt wollen, dass Red Bull Weltmeister wird."
Doch warum macht Ferrari so kurz nach dem Fauxpas von Silverstone wieder solche Fehler, die einen erneuten Rückschlag im Titelkampf bedeuten? "Man will jetzt wahrscheinlich wieder Leclerc pushen", glaubt Schumacher. "Aber beide Fahrer sind sich nicht einig. Ich finde das sieht man. Sie sind sehr hart miteinander umgegangen. Das war zeitweise schon kritisch. Aber dann konnte sich Leclerc etwas lösen oder Sainz wurde zurückgepfiffen. Das weiß ich nicht."
Teamchef Mattia Binotto habe jetzt "eine Aufgabe" vor sich, wie es Schumacher formuliert. Der Ursprung der neuen Fahrer-Thematik bei Ferrari liege in Silverstone. Leclerc habe immer noch "einen dicken Hals", schildert Schumacher seine Eindrücke. "Da ist jetzt keine Einigkeit mehr. Im Moment würden die beiden auch nicht zusammen in den Urlaub fahren. Sie gucken sich auch nicht wirklich an. Das merkt man."
Bei Ferrari hängt der Haussegen somit mehr als schief. Links und rechts knirscht es im Team. Es ist nahezu nichts mehr von der gut geölten Maschinerie von Saisonbeginn übrig. Will man bei 44 (Leclerc) respektive 56 Punkten (Sainz) Rückstand kurz vor der Sommerpause nicht endgültig den Anschluss verlieren, muss in allen Bereichen ein Ruck durch das Team gehen und wieder eine echte Einheit entstehen.
Fehler wie in Silverstone und nun in Spielberg müssen abgestellt werden. Denn Red Bull und Verstappen stehen bereits aufmerksam parat, um weitere Patzer dankend auszunutzen.
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