Verstappen tobt, Perez schimpft: Ein Red-Bull-Tag zum Vergessen
30.07.2022 | 23:45 Uhr
Max Verstappen hat im Qualifying von Ungarn am Funk die Beherrschung verloren und schrie seinen Renningenieur an. Teamkollege Sergio Perez schimpfte derweil schon in der Mixed Zone bei seinen Interviews. Red Bull erlebte am Samstag auf dem Hungaroring einen Tag zum Vergessen.
Alles ging schief. Einfach alles.
So lässt sich der Qualifying-Samstag in Ungarn aus Sicht von Red Bull kurz aber auf den Punkt gebracht zusammenfassen. Mit P10 für Max Verstappen und P11 für Sergio Perez erlebten die Österreicher einen heftigen Nackenschlag und müssen im Rennen schon auf ein kleines Wunder hoffen.
Dabei schien es zumindest für Verstappen lange nach Plan zu laufen. Der Weltmeister fuhr problemlos in Q3 hinein. Der Rückstand zu Ferrari, der noch am Freitag uneinholbar schien, war in den ersten beiden Qualifying-Abschnitten nicht mehr erkennbar. Im Gegenteil: Es sah so aus, als ob Verstappen richtig gute Chancen auf die Pole hätte.
Doch in Q3 lief nichts mehr zusammen. "Beim ersten Run hat er sich verbremst und seine Vorderreifen haben darunter gelitten. Im zweiten Run hat ihm dann nicht die volle Motorleistung zur Verfügung gestanden", erklärte Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko bei Sky die Schwierigkeiten und fügte hinzu: "Wir glauben zu wissen, was es ist. Der Tausch dieses Teils ist ohne Strafe möglich." Immerhin eine gute Nachricht für das Spitzenteam.
Verstappen allerdings war so überhaupt nicht einverstanden mit dem Vorgehen seines Teams und kritisierte Red Bull noch am Funk für einen falschen Umgang mit dem Motorenproblem. Da Red Bull sogar Angst hatte, dass der Motor kaputt gehen könnte, konnte Verstappen im Kampf um die Pole nicht eingreifen. Wutentbrannt stieg der Niederländer im Parc ferme aus seinem Auto aus, ging anschließend kommentarlos an allen Journalisten vorbei und direkt in die Hospitality. Dabei ließ Verstappen wohl ganz bewusst auch seinen Helm auf.
"Das muss ein bekanntes Problem gewesen sein, dass man immer noch nicht in den Griff bekommen hat. Das ist extrem ärgerlich, weil er weiß, dass von da hinten nicht viel drin sein wird. Vielleicht kann ihm die Strategie ein bisschen helfen. Aber manchmal ist es einfach auch besser, den Helm mal aufzulassen und drinnen Dampf abzulassen, da wo es keiner hört. Man gewinnt und verliert zusammen, aber schlecht für Red Bull ist die Situation auf jeden Fall", meinte Sky Experte Ralf Schumacher.
Dass es in Ungarn von P10 selbst für den Weltmeister schwer sein wird, noch etwas nach vorne auszurichten, ist auch Marko bewusst. "Singapur, Monte Carlo und hier in Ungarn - das sind die drei Kurse, wo du dir so was nicht wünschst. Wir brauchen im Rennen viel Glück", machte der 79-Jährige deutlich.
Gleiches gilt natürlich auch für Perez. Der Mexikaner scheiterte vor den Toren Budapests bereits in Q2. Das Selbstbewusstsein, mit dem Perez in Monte Carlo zum Sieg gefahren ist und mit dem er zu Saisonbeginn lange Zeit auf Augenhöhe mit Verstappen war, ist längst wieder verflogen. In der theoretisch besten Runde mit den besten Sektorenzeiten der jeweiligen Piloten fehlten Perez satte 8,5 Zehntel im Qualifying auf Verstappen.
"Perez ist momentan zu weit von Max entfernt. Das war schon in den ganzen Trainingssessions eine schwierige Situation. Da müssen wir uns zusammensetzen. Das Sommerloch ist noch nicht da, aber da scheint er schon hineingefallen zu sein", äußerte Marko deutliche Kritik und schob nach: "Er muss sich in der Abstimmung eher wieder an Max halten. Er muss vom ersten Training an dabei sein. Wenn du im ersten Training eine Sekunde weg bist, holst du das nicht mehr auf."
Auch der Mexikaner selbst nahm am Sky Mikrofon Stellung zu seinem Qualifying-Aus in Q2. "Die erste Runde war schlecht. Sie wurde dann auch noch erst gestrichen, dann habe ich sie doch zurückbekommen. Und dann habe ich hinter Kevin Magnussen auf meiner zweiten Runde ein paar Zehntel in Kurve zwei verloren und konnte die Zeit auf dem Rest der Runde nicht wieder gutmachen. Das war kein toller Tag für mich", so Perez
In der Tat muss man dem 32-Jährigen zugutehalten, dass die Stewards durch die Konfusion rund um seine erste Q2-Runde die Situation ein Stück mit beeinflusst hat. Denn die Streichung der ersten Runde sorgte dafür, dass Perez verunsichert zurück auf die Strecke kam und bei seinem zweiten Versuch wurde er von Magnussen dann klar behindert. Dennoch befindet sich der Mexikaner zurzeit einfach in einem Formtief, das Ungarn-Qualifying passt dabei perfekt ins Bild.
Insgesamt verlief das Qualifying turbulent und dass obwohl der eigentlich angekündigte Regen ausblieb. Grund dafür waren die sich im Vergleich zu Freitag veränderten Streckenverhältnisse. Bei deutlich kühleren Luft- und Asphalttemperaturen schien vor allem Ferrari zu leiden. Der deutliche Vorsprung gegenüber der Konkurrenz war komplett dahin.
"Das war kein guter Tag für uns. Wir hatten massive Probleme mit den Reifen, haben sie nicht auf Temperatur bekommen. Ich habe dann die Runde auch nicht hinbekommen. Aber wir haben die Pace im Auto im Rennen weiter vorne zu stehen. Wir müssen jetzt die Probleme verstehen und dann stärker zurückkommen", analysierte Charles Leclerc, der noch mehr zu kämpfen hatte als Ferrari-Teamkollege Carlos Sainz.
Der Spanier landete am Ende auf P2 und war damit 1,5 Zehntel schneller als der Monegasse. "Ich fühle mich im Auto besser und besser von Rennen zu Rennen und von Qualifying zu Qualifying. Ich hatte das Gefühl, dass ich die Pace für die Pole habe, aber hatte im letzten Sektor ein paar kleine Fehler drin", meinte Sainz.
Durch diese Fehler und eine blitzsaubere Runde raste völlig überraschend George Russell zur ersten Pole seiner F1-Karriere. Und das, obwohl Mercedes am Freitag nicht nur deutlich hinter Ferrari und Red Bull lag, sondern auch langsamer als McLaren, Alpine und Aston Martin aussah. Doch im Qualifying war der Speed auf Anhieb da.
"Ich bin einfach begeistert. Der Freitag war für uns der schlechteste Trainingstag der Saison. Dann haben wir über Nacht so hart am Auto gearbeitet, obwohl wir gar nicht wussten, in welche Richtung wir gehen sollen. Und dann habe ich so eine gute Runde zusammenbekommen. Dabei dachten wir eigentlich im Qualifying wäre nicht viel drin", sagte Russell, der am Funk emotional seine Pole feierte.
Eine verbale Kampfansage an die Konkurrenz wollten aber weder Russell noch Toto Wolff aussprechen. "Es ist auch für uns eine große Überraschung. Ich habe den Ingenieuren gesagt, sie sollen schnell alles aufschreiben, was sie gemacht haben, dass wir das nicht vergessen", witzelte der Mercedes-Teamchef bei Sky und erklärte zurückhaltend: "Die Pole ist eine gute Ausgangsposition, aber wir wollen noch nicht vom Sieg träumen."
Dass die Silberpfeile aber ihr Auto immer besser in den Griff bekommen und den Abstand auf Ferrari und Red Bull verringern, zeigte der Trend bereits in den vergangenen Rennen. Auch Lewis Hamilton wäre in Ungarn um die vorderen Plätze mitgefahren, wenn sein DRS nicht gestreikt hätte. Der Rekordweltmeister reagierte am Sky Mikrofon sichtbar angesäuert und schmallippig.
Apropos angesäuert: Der unmittelbar nach dem Qualifying so wütende Verstappen meldete sich dann gut anderthalb Stunden nach der Session doch noch zu Wort. "Nachdem wir heute eine gute Pace gefunden haben, ist es sehr enttäuschend, dass wir nicht um die Pole Position kämpfen konnten. Es liegt nun eine Herausforderung vor uns, aber wir werden weiter pushen, um morgen wieder nach vorne zu kommen", schrieb der Weltmeister in den sozialen Medien.
Ironischerweise tat ausgerechnet der letztjährige WM-Rivale Mercedes Red Bull mit der Bestzeit von Russell einen Gefallen. "Für uns ist das natürlich positiv, denn er steht vor den Ferrari", meinte Motorsportchef Marko mit einem Grinsen im Gesicht. Vor einigen Monaten wäre es noch undenkbar gewesen, dass sich Red Bull mal derart über eine Mercedes-Pole freuen würde.
Um für eigene Schadensbegrenzung zu sorgen, muss Red Bull allerdings selbst einen Weg finden, auf dem schwierig zu überholenden Hungaroring noch so viele Punkte wie möglich über einen guten Start sowie die Reifen- und Boxenstrategie zu ergattern. "Wir werden kämpfen und schauen, das wir das Maximum noch herauszuholen", so Marko.
Anders als Mercedes schickten bei Red Bull sowohl Marko als auch Verstappen zumindest indirekte Kampfansagen in Richtung Ferrari. Und das nach einem völlig gebrauchten Arbeitstag.
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