1. FC Köln gegen SC Freiburg: Andreas Rettig im Interview
"Glatte Eins": Rettig lobt Freiburg vor Duell seiner Ex-Klubs
02.02.2020 | 16:51 Uhr
Andreas Rettig hatte seinen ersten Job als Sportlicher Leiter von 1998 bis 2002 beim SC Freiburg, danach arbeitete er bis 2005 beim 1. FC Köln. Vor dem Spiel seiner beiden Ex-Klubs (So., ab 15:30 Uhr LIVE auf Sky Sport Bundesliga 1 HD) erklärt der ehemalige DFL-Geschäftsführer bei Sky Sport, was den Sportclub vom Effzeh unterscheidet.
Sky Sport: Herr Rettig, der 1. FC Köln steckte Anfang/Mitte Dezember ganz tief im Abstiegskampf und hat sich dann mit vier Siegen in Serien etwas Luft verschafft. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?
Andreas Rettig: Am Beispiel Köln sieht man, wie schnell es sich im Fußball dreht. Ich war beim 1:1 gegen Augsburg im Stadion, damals herrschte tiefe Trauer und es wurden erste Abgesänge auf den Effzeh formuliert. Danach kamen die Kölner in einen Lauf, der stark war. Dennoch ist man längst noch nicht über den Berg.
Sky Sport: Köln hat am vergangenen Spieltag 1:5 in Dortmund verloren, Freiburg unterlag gegen den SC Paderborn. Wie sind die beiden Niederlagen einzuordnen?
Rettig: Die Kölner Niederlage war keine große Überraschung, sicher nicht in der Höhe, aber beim BVB haben schon andere verloren. Freiburgs Heimniederlage hingegen war sehr überraschend, aber wird nichts daran ändern, dass der SC eine Saison ohne Sorgen spielen wird.
Sky Sport: Sie haben bei beiden Vereinen gearbeitet. Ist der Sportclub mittlerweile fast schon mehr ein Traditionsverein als der Effzeh? Oder anders gefragt: Wo unterscheiden sich die beiden Klubs?
Rettig: Es ist immer die Frage, wie man Tradition definiert. Je nach Standpunkt des Betrachters gibt es unterschiedliche Blickwinkel. Ich denke aber, das Freiburg es außerordentlich gut macht. Hier kommt ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum 1. FC Köln zum Tragen: Freiburg hat in der Führungsebene seit vielen Jahren Kontinuität und in Christian Streich arbeitet dort ein Trainer, der auch schon viele Jahre im Verein ist. Ein weiterer Beleg einer guten und weitsichtigen Managementqualität ist, dass nicht nur in Beine, sondern auch in Steine investiert wird. Zu meiner Zeit haben wir die Freiburger Fußballschule gebaut, jetzt investiert man in ein neues, modernes Stadion. Auch das wird noch einmal helfen, wettbewerbsfähig zu sein. Das, was das Management des Sportclubs macht, ist eine glatte Eins.
Sky Sport: Für viele ist Freiburg gleich Christian Streich, aber es steckt sehr viel Arbeit im Hintergrund dahinter. Was macht den Freiburger Erfolg aus?
Rettig: Es spricht für den Sportclub, dass das Thema "Jahrmarkt der Eitelkeiten" wenig ausgeprägt ist. Sie haben in Jochen Saier seit vielen Jahren einen tüchtigen und klugen Sportmanager, mit Oliver Leki haben sie einen top Geschäftsführer, der jetzt auch noch sportpolitisch Akzente setzt und ins DFL- und DFB-Präsidium gewählt wurde. Der SC Freiburg ist nicht nur Christian Streich, aber er ist sicherlich das Gesicht nach außen.
Sky Sport: Sie kennen Christian Streich sehr gut. Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Rettig: Christian passt in keine Schublade, er ist ein ganz eigener Typ. Ich kenne ihn ja noch aus meiner Zeit beim Sportclub. Damals war er unser A-Jugendtrainer und Volker Finke der Chefcoach. Man darf nicht vergessen, dass Finke zusammen mit Achim Stocker der Wegbereiter des Freiburger Aufschwungs war und ist. Freiburg war in den Neunzigern kein natürlicher Bundesligist. Durch Stocker und Finke ist dieser Verein am Ende zu dem heutigen Stellenwert gekommen. Im Hintergrund wirkt noch Dr. Heinrich Breit als Aufsichtratsvorsitzender strategisch und klug mit. Das passt.
Große und kleine Trainerkuriositäten während Streichs Amtszeit zum Durchklicken:
Sky Sport: In Köln hat es in der Vereinsführung und in der sportlichen Leitung viele Wechsel gegeben. Wie beurteilen Sie das aktuelle Team um Sportdirektor Horst Heldt und Trainer Markus Gisdol, der zunächst kritisch beäugt wurde?
Rettig: Wenn man in dieser Situation vier Spiele in Folge gewinnt, finde ich nicht, dass man irgendwo ein Haar in der Suppe suchen sollte. Wenn man auch sieht, wie kritisch der eine oder andere zu Beginn seiner Tätigkeit kritisch gesehen wurde, ist es umso höher zu bewerten, was geschafft wurde. Heldt und Gisdol haben mit der Mannschaft ein Ausrufezeichen gesetzt, aber sie sind erfahren genug um zu wissen, dass sie noch längst nicht über den Berg sind.
Sky Sport: In Köln haben die jungen Spieler wie Thielmann, Katterbach und Jakobs für Aufsehen gesorgt. Gisdol wurde für seinen Mut gelobt, auf die Youngster zu setzen. Hatte er aber vielleicht gar keine andere Wahl?
Rettig: Ich habe immer großen Respekt vor Trainer, die jungen Spielern das Vertrauen geben und sie auch stützen und stärken. Auf erfahrene Spieler zu setzen ist oftmals einfacher, aber einen Novizen in einer schwierigen Situation ins kalte Wasser zu werfen, dazu gehört etwas. Dieser Mut wurde zurecht belohnt.
Das Interview führte Thorsten Mesch