Die 2. Bundesliga ist zurück: Der Hamburger SV gastiert am Sonntag in Fürth. Sky Sport wirft einen Blick auf die aktuelle Lage in der Hansestadt.
Einen erfreulichen Lauf würde es ganz sicher niemand nennen. Selbst die, die es mit dem HSV richtig gut meinen, hatten ab Mitte Februar bis zum Abbruch starke Zweifel daran, dass die Aufstiegsaspiranten von der Alster weiterhin eine robuste Rolle im Rennen um die Bundesliga spielen könnten.
Derby-Pleite, Haue in Aue, ein Stolper-Heimsieg gegen formschwache Regensburger - die sportliche Tendenz war mindestens ernüchternd. Ende März dann auch noch der geräuschintensive und äußerst unfreiwillige Abgang des Gesamtverantwortlichen. Bernd Hoffmann wurde vor die Tür gesetzt. Halleluja - der HSV ist wieder da, feixten die Spötter. Sechs Wochen später ist der Vorstands-Rauch verzogen - und schwächelnde oder malade Leistungsträger haben Zeit bekommen, geistig und körperlich nachzujustieren.
Corona-Katastrophe trifft auch den HSV knallhart
Natürlich wäre es ein vollkommen unangemessener Zungenschlag, die aktuelle Krise als vorteilhaften Umstand zu verklären. Die Corona-Katastrophe trifft auch den HSV knallhart. Und doch könnte für den Klub aus dem Volkspark beim Versuch, das Beste aus einer Lage zu machen, die sich keiner gewünscht hat, ein bisschen was Produktives herausspringen.
Tim Leibold zum Beispiel, ligaweit bislang einer der Top-Akteure der Saison, litt zuletzt deutlich unter Rhythmusstörungen. Ähnliches galt für Adrian Fein. Lukas Hinterseer war die Präzision beim Abschluss abhanden gekommen, Ewerton konnte im Schatten des Shutdowns seine Knieverletzung kurieren. Und vielleicht hat auch David Kinsombi, dem bei seiner Verpflichtung aus Kiel eine Anführer-Rolle zugeteilt worden war, die Handbremse gefunden - und gelöst.
Kein Trainer kann verlässlich beurteilen, wo seine Mannschaft nach den Wochen der Ungewissheit genau steht. Aber Dieter Hecking dürfte die Zeit genutzt haben, um Schwachstellen und Fehlentwicklungen zu identifizieren und Lösungsansätze zu entwickeln. Mit einer Ernstfall-Simulation im menschenleeren 57.000-Mann-Stadion im Volkspark hat der Trainer, seinen Spielern nahezubringen versucht, was am kommenden Sonntag in Fürth atmosphärisch zu erwarten ist - gar nichts nämlich. Ungewohnte Abläufe für Profis, die sich von der aufgeladenen Stimmung auch mal über den toten Punkt hieven lassen.
HSV wieder im Mannschaftstraining
Seit Donnerstag befindet sich auch der HSV wieder im Mannschaftstraining und es war Spielern und Trainerteam überdeutlich anzumerken, wie erleichtert und erfreut sie darüber waren, ein Stückchen Normalität zurückgewonnen zu haben. Ob der HSV besser aus den Re-Startlöchern kommt als die Konkurrenz aus Bielefeld und Stuttgart (Heidenheim macht von hinten Druck), ist höchstens im Kaffeesatz nachzulesen.
Dass die Hecking-Truppe vor der Corona-Auszeit am Rande der Absturzgefahr taumelte, ist hingegen Konsens unter den meisten Beobachtern. Sich während einer atemberaubenden Weltlage die Zeit zum Durchatmen zu nehmen, ist weder verboten noch moralisch verwerflich. Der HSV hat also die Chance, unter außergewöhnlichen Bedingungen, die Reset-Taste zu drücken.
Hecking unter Druck?
Bei erfolgreichem Verlauf könnte der Klub als Nebeneffekt noch einer Debatte den Nährboden entziehen, die ein wenig unverhofft den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hatte. Hecking unter Druck? Hecking in Ungnade beim neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Marcell Jansen? Hecking (die Idee hatte er selbst publik gemacht) auch im Falle des Nichtaufstiegs weiter HSV-Trainer?
Sollten die Hamburger in den verbleibenden neuen Spielen die Rückkehr ins Oberhaus perfekt machen, verlängert sich der Vertrag des 55-Jährigen automatisch um ein Jahr. Wäre dann schon mal ein elementarer Punkt weniger auf der mit wirtschaftlichen und personellen Herausforderungen prall gefüllten Agenda der beiden verbliebenen Vorstände Jonas Boldt und Frank Wettstein.