Wie sagt man so schön? Dabei sein ist alles. Mit dieser Mentalität sind die marokkanischen Fans in das Turnier in Katar gegangen. Auch ich, als Deutsch-Marokkanerin, habe dem Heimatland meiner Eltern die Daumen gedrückt.
Nach Jahrzehnten ohne WM-Teilnahmen hatte sich Marokko zum zweiten Mal hintereinander für eine WM qualifiziert. Wieder ist die Mannschaft dabei und wieder können wir Fans sie auf der größten Bühne überhaupt unterstützen.
Dass Marokko in eine Hammer-Gruppe mit Belgien und Kroatien gelost wurde, hat die Stimmung nicht gedämpft. Immerhin war man bei einer Weltmeisterschaft dabei! Ob vor Ort in Katar oder in den Cafés in Marokko, oder wie ich auf dem Sofa mit meiner Familie hier in Deutschland - wir haben alle mit Vorfreude auf dieses Turnier geblickt.
Marokko hat Geschichte geschrieben - und wir durften dabei sein
Niemand, nicht mal die leidenschaftlichsten Fans, hätten sich ausmalen können, wie diese Gruppenphase ausgeht - obwohl die Mannschaft durchaus mit namhaften Spielern beschmückt ist: Achraf Hakimi, Hakim Ziyech und Noussair Mazraoui spielen alle bei Top-Klubs in Europa, aber gegen Schwergewichte wie Belgien und Kroatien mit Superstars wie Kevin de Bruyne und Luka Modric, so die Annahme, würde man keine Chance haben.
Doch eines haben die Experten vor dem Turnier nicht auf dem Zettel gehabt: Diesen unglaublichen Teamgeist und starke Disziplin, die die Marokkaner seit Beginn des Turniers zeigen. Die Spieler zerreißen sich regelrecht für das Trikot und für ihr Land. Das ist eine Eigenschaft, die bisher jede individuelle Klasse der Gegner übertraf. Marokko wurde Gruppenerster, setzte sich im Achtelfinale gegen Spanien und im Viertelfinale gegen Portugal durch und steht als erste afrikanische Mannschaft im Halbfinale. Dieses Team hat Geschichte geschrieben - und wir durften dabei sein.
Ekstase und Euphorie bei allen Marokkanern weltweit. Auf den Straßen von Paris, Brüssel (wo die Feiern leider von gewalttätigen Szenen überschattet wurden) und Frankfurt gibt es Fan-Märsche und Pyrotechnik. In Marokko geht jeder auf die Straße. Postboten, Müllmänner, Anwälte und Ärzte liegen sich in den Armen, die Klasse oder das Geschlecht spielen keine Rolle mehr.
Unterstützung aus ganz Afrika und der arabischen Welt
Sogar der König feiert im Trikot. Die marokkanische Flagge wird gehisst und "Dima Maghrib" wird gerufen: "Für immer Marokko!" Unterstützung kommt aber nicht nur von den Marokkanern, sondern aus ganz Afrika und der arabischen Welt.
Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich die Videos aus Palästina oder dem Senegal sehe, wo die sich die Menschen das Marokko-Trikot angezogen haben und lautstark das Team anfeuern. Es sind nicht nur die Siege, die die Fans so begeistern, sondern auch die Art und Weise, wie die Spieler die Siege feiern.
Rührende Jubelszenen zusammen mit den Spielermüttern
Mir ist im Kopf geblieben, wie sich Hakimi und Ziyech nach dem Spiel gegen Kanada in die Armen lagen und sich fassungslos an den Kopf fassten. Oder wie die Spieler und Trainer nach den Spielen ihre Mütter auf den Tribünen suchten, sie umarmten, küssten und mit ihnen tanzten.
Dass die Spieler trotz des Erfolges und der Euphorie-Gefühle sich die Zeit nehmen, die Person zu ehren, die sie schon immer bedingungslos unterstützt hat, zeigt eine Bescheidenheit, die mich zutiefst berührt hat.
Wenn Marokko heute Abend im Halbfinale gegen Frankreich ins WM-Endspiel einziehen möchte, dann muss die Mannschaft genauso spielen wie bisher bei der WM: mit Teamgeist, Disziplin und Bescheidenheit. Mit diesen Werten werden die Fans in den Stadien lautstark die Hymne singen, so werden die Marokkaner in den Cafés das Team unterstützen und werde so ich auf dem Sofa mitfiebern. Egal, wie das Spiel heute ausgeht, dass ich live dabei sein durfte, bedeutet für mich alles.
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