Hamann erklärt: Nur so kann man den VAR glaubwürdig machen
23.11.2021 | 11:46 Uhr
"Wir diskutieren seit Jahren über den Videobeweis. Für mich ist er immer noch sehr, sehr fehlerhaft. Das hat sich am Mittwochabend bei der Roten Karte für Mats Hummels und dem Elfmeter für Dortmund gegen Ajax wieder gezeigt", meint Sky Experte Dietmar Hamann in seinem Kommentar zum VAR.
Der Platzverweis gegen Hummels und der Elfmeter für Dortmund waren aus meiner Sicht klare Fehlentscheidungen. Hummels ging in der Szene gar nicht direkt zum Ball, sondern wollte den Pass an der Seitenlinie blocken. Dann stieg ihm Antony auf den Fuß und es schaute im ersten Moment blöd aus. Dass es ein Foul war, steht außer Frage, aber der Ajax-Spieler wurde gar nicht oder kaum getroffen, seine Reaktion war aber an Theatralik kaum zu überbieten.
Hummels blieb trotz der Aufregung sehr ruhig. Als erfahrener Spieler weiß er, dass Protestieren nichts bringt, höchstens ein zusätzliches Spiel Sperre. Er hat sich in dieser schwierigen Situation vorbildlich verhalten, aber wahrscheinlich wird er für zwei Spiele gesperrt werden (News: Dortmund erwägt Einspruch gegen Rote Karte).
Zu Hummels' Vorwurf, Antony habe sich grob unsportlich verhalten: Man kann Antony keine böse Absicht nachweisen, diese Theatralik hat aber etwas mit Moral zu tun. In England, wo ich lange gespielt habe, ist so etwas verpönt. Solch ein Verhalten durch die Regeln zu unterbinden, halte ich für fast unmöglich. Aber Antonys Reaktion hat ohne Frage dazu beigetragen, dass Hummels runter musste.
Bei aller Kritik am Platzverweis muss man im selben Atemzug aber auch sagen, dass der Elfmeter für Dortmund sehr fragwürdig war. Jude Bellingham hatte drei Gegner um sich herum und hat sich zu Boden geworfen - das war kein Strafstoß.
Der VAR wurde installiert, um grobe Fehlentscheidungen zu korrigieren. Aber es wurden zwei Entscheidungen getroffen, die grundverkehrt waren und die das Spiel beeinflusst haben. Leider haben die Dortmunder es dann nicht geschafft, den Vorsprung über die Zeit zu bringen.
Wenn der Videobeweis auf Dauer funktionieren soll, wobei ich sehr skeptisch bin, müssen wir wissen, was zwischen dem Video Assistant Referee und dem Schiedsrichter auf dem Platz gesprochen wird.
Ich gehe davon aus, dass der VAR dem Schiedsrichter gesagt hat: Das war eine eindeutige Rote Karte, bleib bei deiner Entscheidung. Wenn der VAR Zweifel gehabt hätte, dann hätte er dem Schiedsrichter gesagt, er soll es sich noch einmal selbst anschauen.
Wenn der Schiedsrichter aber kein Zeichen bekommt, gibt es keinen Grund, sich die Szene noch einmal anzuschauen. Ich würde Michael Oliver deshalb in diesem Fall keinen großen Vorwurf machen. Ihn an den Monitor rausschicken, muss der VAR machen, aber das scheint er ja nicht getan zu haben.
Die Konversation muss öffentlich gemacht werden, damit die Leute wissen, was erzählt wurde. Sonst wenden sie sich irgendwann vom Fußball ab und sagen: "Ich verstehe das nicht mehr und schaue mir eine andere Sportart oder gar nichts mehr an." Im American Football macht man die Konversation auch öffentlich. Was spricht dagegen, den Funk mitzuhören wie in der Formel 1?
Seit der Einführung des Videobeweises sind wir ein kleines Stück weiter, aber nicht da, wo wir sein sollten.
Um nachvollziehen zu können, wie man zu solchen Entscheidungen wie am Mittwochabend in Dortmund kommt, brauchen wir endlich Transparenz. Das gilt auch für die Konsequenzen von groben Fehlentscheidungen. Es gibt Sanktionen für die Schiedsrichter und die Assistenten, aber die bekommen wir gar nicht alle mit. Wenn jemand einen groben Fehler macht, muss der auch Folgen für ihn haben. Im Moment können sich alle hinter der UEFA oder dem DFB verstecken.
Wenn der Videobeweis glaubwürdig und vertrauenswürdig werden soll, muss sich das ändern.