DFB Interview: Ex-Präsident Grindel: "DFB hat grundlegenden Neuanfang nötig"
Ex-Präsident Grindel: "Bibiana Steinhaus wäre für DFB ein Gewinn"
07.03.2022 | 22:09 Uhr
Ex-DFB-Präsident Reinhard Grindel hat sich im exklusiven Sky Interview unter anderem über die Wahl des neuen DFB-Präsidenten, die Rolle von Frauen im Verband und den internationalen Fußball geäußert.
Ex-DFB-Präsident Reinhard Grindel...
... über die Wahl des DFB-Präsidenten:
"Ich glaube, dass beide das Amt gut ausfüllen würden. Warten wir mal ab, wie die Delegierten entscheiden. Bernd Neuendorf ist ein erfahrener Präsident des Fußballverbandes Mittelrhein, er kennt die Situation an der Amateur-Basis. Er hat hervorragende Kontakte in die Politik, was wichtig ist, wenn Sie daran denken, dass wir dringend eine Entbürokratisierung für das Ehrenamt brauchen und eine bessere Infrastruktur. Da kann er mit seinen politischen Kontakten etwas bewegen. Auf der anderen Seite ist Peter Peters nie einer gewesen, der nur den Profifußball gesehen hat. Er hat sich im Präsidium auch immer für die Belange der Amateure eingesetzt. Ich bin sicher, dass er sich gerade bei den Beratungen über den Grundlagenvertrag für eine faire Lösung, auch für die Landesverbände, also unsere Amateur-Basis, einsetzen würde."
... über einen Neuanfang beim DFB:
"Der DFB hat einen grundlegenden Neuanfang nötig. Die Bilder vom vergangenen Donnerstag, von der neuerlichen Hausdurchsuchung wegen dieses Schein-Vertrages mit dem zwielichtigen Nachrichtendienstler Kurt Diekmann, zeigt das. Es hat in den letzten Jahren, das beklagen mehrere ehemalige Präsidenten, immer wieder die Situation gegeben, dass mit Intrigen und Durchstechereien nicht nur versucht worden ist, Präsidenten aus dem Amt zu bringen, sondern gleichzeitig auch in Kauf genommen wurde, dass der DFB und seine Integrität massiv beschädigt werden. Das muss vorbei sein! Insofern heißt Neuanfang, dass man fair miteinander umgeht. Dass man hilft, Fehler zu vermeiden und sie nicht sofort an ein Medium durchsticht. Ein Präsident macht auch mal Fehler. Das kann vorkommen bei den vielen Entscheidungs- und Drucksituationen. Teamplaying und Fairness müssend in der Führung tatsächlich gelebt werden. Dafür brauchen wir eine grundlegende Veränderung der Verbands-Kultur, im Umgang innerhalb der Führung, im Umgang zwischen Haupt- und Ehrenamt."
... über fehlende Frauen bei der Präsidenten-Wahl:
"Ich hätte mich gefreut, wenn man mehr Frauen in die Präsidiums-Arbeit einbezogen hätte. Ich hätte mir bisweilen gut vorstellen können, dass man Sylvia Schenk für den Bereich Compliance anfragt. Ich finde auch, dass man dringend mit Bibiana Steinhaus sprechen sollte, wenn sie aus England zurückkehren sollte. Ich kenne sie sehr gut aus dem Niedersächsischen Fußballverband. Auch sie wäre für den DFB ein absoluter Gewinn. In meiner Amtszeit haben wir ein Leadership-Programm für weibliche Führungskräfte in Kreis- und Landesverbänden durchgeführt, um sie mit einem Rüstzeug zu versehen, Ämter wie die eines Landes- oder Regionalpräsidenten, oder eines Schatzmeisters anzustreben. Diesen Weg auszubauen, würde ich dem neuen Präsidenten empfehlen. Es ist wichtig, dass wir eine gute Repräsentanz der Frauen im DFB-Präsidium haben."
... über seine Rückkehr ins Fußballgeschäft?
"Mit meiner sehr breiten Erfahrung und meinem großen Netzwerk mache ich im Augenblick Beratung von Unternehmen - in den Bereichen Politik, Sport und Medien. Das macht mir große Freude. Ich bin 60 Jahre alt und fühle mich so, dass ich noch eine Aufgabe übernehmen könnte. Das will ich nicht ausschließen. Aber ob das im Fußball ist oder in der Politik? Ich will es offenlassen."
... über den Ausschluss russischer Teams und Sportler:
"Es ist eine total bedrückende Situation, deswegen gab es für den Fußball neben der gelungenen Solidarität auch gar keine andere Entscheidung, als russische Mannschaften und Teams aus Belarus aus den internationalen Wettbewerben auszuschließen. Aber trotzdem sage ich immer wieder: Russland ist nicht nur Putin, wir müssen den Fußballfans in Russland deutlich machen, dass das nicht das Ende der Geschichte ist. Und es gibt sehr viele, das habe ich 2018 bei der Weltmeisterschaft erlebt, die Putin und die Entwicklung ihres Landes total kritisch sehen. Wir müssen zwischen den Menschen und der politischen Führung in Russland differenzieren."
... darüber, ob die Maßnahmen bei Putin ankommen:
"Da soll sich der Fußball nicht überheben! Aber es ist doch völlig eindeutig, dass in einer derartigen weltgeschichtlichen Kriegssituation, man im Land, das für diesen Krieg verantwortlich ist, nicht zur Tagesordnung übergeht und Fußball spielen kann. Es ist völlig richtig, dass UEFA-Präsident Ceferin entschieden hat, ein klares Zeichen zu setzen und zu sagen, dass in Sankt Petersburg kein Champions-League-Finale gespielt wird und die Mannschaften aus Russland und Belarus erstmal nicht teilnehmen werden."
... darüber, ob Gianni Infantino tragbar ist:
"Ich würde mich freuen, wenn sich der europäische, afrikanische und südamerikanische Verband, vielleicht auch Mittelamerika und Asien, zusammensetzen und ein eine Alternative zu Infantino aufbauen. Was Infantino macht, ist ein Problem. Ich vermisse zum Beispiel, dass er den DFB unterstützt. Dass endlich die Schlüsselfigur bei der Sommermärchen-Affäre, Mohamed bin Hammam, der ja in Katar lebt, sagt, was mit den zehn Millionen Schweizer Franken passiert ist. Die FIFA sollte ein Interesse daran haben, dass das endlich geklärt wird. Der DFB hat daran ein Interesse. Ich habe nie eine Reise nach Katar gemacht, weil ich immer gesagt habe, ich fahre nur dorthin, wenn ich den Herrn Bin Hammam sehe, aber das war nie möglich. Das allein zeigt, dass die Amtsführung von Gianni Infantino nicht überzeugt."
... über neue Pläne für eine Super League:
"Was mich zuversichtlich stimmt, ist, dass die Investoren für eine solche Super League sehr wohl zur Kenntnis nehmen, dass das Projekt von den Fans total abgelehnt wird. Das heißt, es sind keine hohen TV- und Sponsoring-Einnahmen zu erwarten. Dieses Modell und diese Idee der Super League wird kein finanzieller Erfolg sein."
... über Hansi Flicks Titel-Ansage:
"Man kann nicht zu einer Weltmeisterschaft fahren und sagen, dass wir mit dem Titel nichts zu tun haben wollen. Wir haben sicherlich nicht die größten Prüfsteine in der Qualifikation gehabt, insofern würde ich mit großer Demut nach Katar fahren. Wir haben aber eine qualitativ gute Mannschaft. Ich freue mich vor allem, dass wir ein paar jüngere Spieler mit Perspektive haben, insbesondere in Richtung der Euro 2024. Das ist das Leuchtturmprojekt für den deutschen Fußball. Natürlich wollen wir bei der WM in Katar gut abschneiden. Aber es sollte viel auf die Euro 2024 ausgerichtet werden. Wenn wir im eigenen Land eine gute Rolle spielen, dann hat das bis zu den Amateurvereinen, wo die Kinder wieder anfangen, mehr Fußball zu spielen als bisher, eine großartige Wirkung."
... darüber warum hat Rummenigge kein Amt beim DFB hat:
"Bei Karl-Heinz Rummenigge hätte ich mir durchaus vorstellen können, dass ihn eine solche Aufgabe interessiert. Er hat vor allem im internationalen Bereich wichtige Aufgaben betreut. Er ist Mitglied des UEFA-Exekutivkomitees für die ECA. Insofern können wir nur gut beraten sein, wenn wir uns bei vielen Fragen, die gerade internationalen Bezug haben, eng mit Rummenigge abstimmen. Zumal er ein absolutes Vertrauensverhältnis zu Aleksander Ceferin hat. Ich habe aber den Eindruck gewonnen, dass er seiner Familie nach den vielen Jahren in der Führung des FC Bayern versprochen hat, dass sich sein Bewegungsspielraum mehr zwischen München und Sylt abspielt und Abstecher in Frankfurt nicht so richtig reinpassen. Das muss man akzeptieren."
... darüber warum Hoeneß kein Amt beim DFB hat:
"Bei Uli Hoeneß habe ich es so verstanden, dass er Verbandsarbeit nicht besonders attraktiv findet. Das muss man akzeptieren. Aber ich will betonen: Rummenigge und Hoeneß haben ein Herz für den Amateurfußball. Und insbesondere Rummenigge werde ich ihn nie vergessen, dass er uns ganz entscheidend bei der Bewerbung um die Euro 2024 geholfen hat. Das Gespräch mit den Wahlmännern zu führen und uns da zu unterstützen, das war eine prima Zusammenarbeit."
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