DFB-Team News: Wie wichtig wird Thomas Müller bei der EM 2020?
Maskottchen oder MVP: Welche Rolle spielt Müller bei der Euro?
31.05.2021 | 15:11 Uhr
Thomas Müller ist zurück im DFB-Team. Für viele Fans ist der einst aussortierte Weltmeister ein absoluter EM-Hoffnungsträger. Doch spielt der Bayern-Star wirklich eine wichtige Rolle im System des Bundestrainers - oder ist der Ur-Bayer nur für die gute Stimmung verantwortlich?
Schon vor der ersten Trainingseinheit hat Müller der deutschen Nationalmannschaft einen großen Gefallen getan. Das Comeback des 31-Jährigen ist der kleine Funken, der die Flamme der Euphorie rund um das DFB-Team wieder entfachen soll. Ein erster Schritt dazu ist getan.
Durch den sympathischen Bayer bekommt die zuletzt oft für Charakterlosigkeit kritisierte Truppe wieder ein Gesicht. Und einen Leader, der Fans und "Die Mannschaft" wieder ein Stück näher zusammenbringt. Doch die Rückholaktion von Müller und auch BVB-Verteidiger Mats Hummels ist viel mehr als ein lange geforderter Marketing-Gag: Die Routiniers tragen eine Menge Verantwortung. Als Führungspersönlichkeiten - und auch als Führungsspieler?
Kein Groll: Müller und Hummels sind nie weg gewesen
Auf der Pressekonferenz nach der ersten Trainingseinheit schwärmte Noch-Bundestrainer Joachim Löw bereits von seinen Rückkehrern. "Ich erlebe sie, als wären sie nie weg gewesen. Weder Mats, noch Thomas. Sie haben keine Berührungsschwierigkeiten im Umgang mit uns, den Spielern oder dem Staff", erklärte Löw am Samstag fast erleichtert.
Nachdem der scheidende Coach die beiden Publikumslieblinge in Folge der verkorksten WM 2018 vor die Tür setzte, war der Unmut groß. Auch bei den Spielern selbst. Gerade Müller verschaffte sich Gehör, als er nach dem Gespräch mit dem Bundestrainer in den sozialen Netzwerken von einer "unsäglichen Entscheidung" sprach und monierte: "Aus meiner Sicht kein guter Stil und hat mit Wertschätzung auch nichts zu tun."
Umso freudiger, mit welcher Begeisterung sowohl Hummels als auch Müller ihre ersten Einheiten absolvierten. "Man hat das Gefühl, dass sie sich wohlfühlen. [...] Das war für alle ein Wiedersehen, das Freude gemacht hat", garantiert Löw, der auch versichert, bei der lang ersehnten Entscheidung "nicht über meinen Schatten springen" zu müssen. Denn: Der Bundestrainer träfe die Entscheidung aus vollster Überzeugung.
Top-Scorer Müller soll auf UND neben dem Platz Anführer sein
"Sie sollen eine wichtige Rolle bei uns spielen", erklärt Löw. Im Fokus stehe dabei die Führungsqualität der beiden Ex-Ex-Nationalspieler, die sie bei ihren Vereinen wöchentlich unter Beweis stellen. Dabei betonte der Übungsleiter, dass es sich um Spieler handle, die "den Ton neben und auf dem Platz angeben". Eine Einsatzgarantie gibt es allerdings nicht. Schenkt man den Worten des Bundestrainers Glauben, dann braucht es diese auch nicht.
Mit Müller holt sich der 61-Jährige einen Spielmacher ins Team, der allein in der abgelaufenen Bundesliga-Saison an 32 Treffern in 32 Spielen direkt beteiligt war. Damit ist der 31-Jährige der beste Scorer im gesamten DFB-Kader. Müller selbst jedenfalls ist sich seiner Qualitäten bewusst und streift sich das schwarz-weiße Trikot nicht als Maskottchen über.
Kein Maskottchen! "Motivierter" Müller will spielen
"Ich erwarte von mir, dass ich sowohl körperlich als auch technisch und taktisch an meine Leistungsgrenze herangehe", verspricht Müller auf der Pressekonferenz am Sonntag und präsentierte sich dabei nicht als Kicker, der nur Spaßeshalber im EM-Kader steht: "Ich bin sehr motiviert!"
Seine Rolle interpretiert der Offensivmann dabei als "Katalysator", der mit seiner Präsenz und seinen Erfahrungen das insgesamt recht junge Team nach vorne bringen will. "Ich will da so rangehen, wie man es von mir gewohnt ist. Ich bin nicht mehr der Jüngste, habe Erfahrung im Gepäck und will vorangehen. Ich will ein Katalysator sein, der nochmal den Turbo der Mannschaft zünden kann. Dass ich auch bei meinen Mitspielern noch etwas herauskitzeln kann", meint Bessermacher Müller.
Müller muss mit Weltklasse-Konkurrenz rechnen
Taktisch sehen die Löwschen Pläne mit dem WM-Helden von 2014 dabei anders aus, als noch zu den Sternstunden der Nationalmannschaft vor einigen Jahren. Damals spielte Müller noch auf dem Flügel - das ist nun nicht mehr der Fall. "Thomas Müller spielt nicht mehr rechts auf der Außenbahn, wie früher. Er spielt mehr aus dem Zentrum, da kann er das Spiel mehr lenken. Er wird eher zentral oder im Halbraum spielen", kündigte Löw an.
Wie oft Müller das Spiel von dort aus lenken darf, hängt derweil noch von anderen Personalien ab. Je nach System hat der Bayern-Profi mit City-Spielmacher Ilkay Gündogan und CL-Siegtorschütze Kai Havertz gleich zwei Weltklasse-Konkurrenten auf seiner Position. Müller schürt so auch den Konkurrenzkampf um die - anders als bei der WM 2018 - nicht in Stein gemeißelte Startelf.
"Man muss im Turnier entscheiden und reagieren, was für die Mannschaft das Beste ist. Und es kann auch mal sein, dass eine Entscheidung anders ausfällt, als manche denken. Aber sie wissen, dass sie eine wichtige Rolle im Gefüge spielen", hält Löw angesprochen auf Einsätze für das Comebacker-Duo abschließend fest.
Müller und Hummels müssen sich den Weg ins Team verdienen
Und was bedeutet das für die anstehende Europameisterschaft nun? Man muss Müller und Hummels ernst nehmen. Auch wenn Löw betont, dass ihn die Rückholaktion keine Überwindung gekostet hätte, so würde er seine Entscheidung von 2018 nicht grundlos überdenken und sich indirekt vielleicht auch einen Fehler eingestehen.
Das Duo kommt als vollwertiger Bestandteil des DFB-Teams in den Kader und hat den klaren Anspruch zu spielen. Und unwahrscheinlich ist das nicht. Aber: Die Konkurrenz in der Mannschaft ist größer, als es die Ergebnisse der letzten Jahre vermuten lassen. Als Maskottchen kommt Müller also nicht zurück. Ob er zum MVP, dem wertvollsten Spieler des Teams, werden kann, bleibt allerdings abzuwarten.