Das Happy End eines unerfüllten Versprechens
07.04.2022 | 10:52 Uhr
Ousmane Dembele galt beim FC Barcelona lange als unerfülltes Versprechen. Der für viel Geld verpflichtete Tempodribbler fand bei den Katalanen nie richtig zu seiner Form und sollte den Klub eigentlich schon verlassen. Doch nun ist ein Happy End plötzlich doch noch möglich.
Es läuft die Nachspielzeit beim Spiel des FC Barcelona gegen den FC Sevilla, als sich die Zuschauer im altehrwürdigen Camp Nou von ihren Sitzen erheben und applaudieren. Die Standing Ovations gelten einem Spieler, der eigentlich gar nicht mehr für Barca spielen sollte und der sich in der Vergangenheit oft Pfiffe der Culers gefallen lassen musste.
Doch als die rote Nummer 11 von Ousmane Dembele am vergangenen Sonntagabend erstrahlt, wird der Franzose gefeiert. Der pfeilschnelle Rechtsaußen legte rund 20 Minuten zuvor den einzigen Treffer des Abends durch Pedri auf (72.) und hat damit maßgeblichen Anteil, dass Barca die Andalusier durch den 1:0-Sieg - dem sechsten Dreier in Serie - überholt und in der Tabelle nun auf Rang zwei rangiert.
Zu Jahresbeginn hätten wohl auch die kühnsten Optimisten dies nicht einmal ansatzweise für möglich gehalten. Sevilla lag schließlich zwischenzeitlich schon zwölf Punkte vor den Blaugrana und Dembele wurde im Januar aus dem Kader gestrichen, weil sich die Parteien nicht auf eine Vertragsverlängerung des im Sommer auslaufenden Vertrags einigen konnten. Mit dieser drastischen Maßnahme wollte der Klub dafür sorgen, dass sich der Tempodribbler nach einem neuen Klub umschaut.
Dembele sollte Barca unbedingt noch im Winter-Transferfenster verlassen, damit der hochverschuldete Klub zumindest noch einen Bruchteil der einst gezahlten Ablöse reinholt. 140 Millionen Euro hatten die Katalanen im Sommer 2017 für den Franzosen an den BVB überwiesen und erhofften sich viel vom damals 20-Jährigen. Doch Dembele schien ein unerfülltes Versprechen zu bleiben. Zahlreiche Verletzungen und Formschwankungen sorgten dafür, dass der Weltmeister von 2018 sich in Spanien nie richtig durchsetzen konnte. Die Statistiken des Edeltechnikers wären mit "schaurig" jedenfalls noch höflich umschrieben.
So bestritt er von August 2017 bis Ende Januar 2022, als eine Trennung unausweichlich schien, beispielsweise gerade einmal 20 Partien über die vollen 90 Minuten. Er fehlte insgesamt 695 Tage verletzungs- oder krankheitsbedingt und stand nur 7520 von möglichen 22.320 Minuten für Barca auf dem Platz.
Möglicherweise biss aus diesem Grund auch kein Klub an und war bereit, eine Ablöse an Barcelona zu zahlen. So war Dembele auch nach dem Deadline Day noch Spieler des FC Barcelona, auch wenn an ein Happy End nicht zu denken war. Die Fans hatten genug vom Franzosen und auch Präsident Joan Laporta war sicher, dass Dembele bereits einen Vertrag bei einem neuen Klub ab kommenden Sommer unterschrieben habe.
Doch Trainer Xavi überredete Laporta, dass er Dembele wieder in den Kader berufen darf und appellierte auch an die Fans, ihn nicht mehr auszupfeifen. Und siehe da - plötzlich zeigte der andere Ex-Dortmunder doch noch, was er leisten kann. Gegen Valencia stand er am 20. Februar erstmals seit über einem Monat plötzlich wieder in der Startformation und bereitete das zwischenzeitliche 2:0 durch Frenkie De Jong derart mustergültig vor, dass der Niederländer den Ball nur noch ins leere Tor einschieben musste.
Eine Woche später war er gegen Bilbao der Mann des Spiels: Sechs Minuten nach seiner Einwechslung erzielte er per Traumtor das 2:0 und legte später noch die Treffer von Luuk De Jong und Memphis Depay perfekt vor. Es folgten zwei weitere Assists beim klaren Sieg gegen Osasuna und dann war da noch der Clasico bei Real Madrid: Dembele bereitete bei der 4:0-Demonstration die ersten beiden Treffer vor und war damit erst der zweite Barca-Spieler, dem in diesem Jahrtausend zwei Assists in einer Halbzeit gegen Real gelangen. Der andere war übrigens sein Coach. Xavi legte im Mai 2009 beim legendären 6:2 im Bernabeu ebenfalls zwei Tore auf.
Mit der Torvorlage gegen Sevilla zuletzt steht Dembele damit im Jahr 2022 schon bei stolzen acht Assists in acht Spielen. Kein Akteur in Europas Topligen kommt auf mehr - auf Platz zwei folgen Benjamin Bourigeaud von Stade Rennes und ein gewisser Lionel Messi von PSG mit je sechs Vorlagen. Über die gesamte Spielzeit kommt Dembele in LaLiga auf zehn Assists und liegt in dieser Wertung nur noch knapp hinter Reals Karim Benzema, der elf Mal als Vorbereiter glänzte.
Doch Dembele glänzt aktuell nicht nur aufgrund seiner Statistiken, sondern ist auch sonst ein ständiger Gefahrenherd. Er sorgt immer für Unruhe und bindet zu jeder Zeit mindestens einen Gegenspieler. Auch gegen den Ball ist Dembele im offensiven Pressing unter Xavi ein Aktivposten und natürlich ist er auch im Training immer für ein Kabinettstück zu haben.
Der Außenstürmer ist neben Trainer Xavi, dem aktuell ebenfalls überragenden Pedri und seinem Kumpel aus Dortmunder Tagen, Pierre-Emerick Aubameyang, einer der Hauptgründe für den Höhenflug Barcelonas. In der Primera Division ist der aktuelle Tabellenzweite seit mittlerweile 14 Spielen ungeschlagen und holte dabei von möglichen 42 Punkten 34. Noch besser läuft es seit Dembeles Rückkehr Anfang Februar. Sieben Siege und ein Remis bei einem Torverhältnis von 25:6 Toren stehen seitdem zu Buche.
Auch international ist Barca noch im Rennen. In der Europa League treten die Katalanen am Donnerstag bei Eintracht Frankfurt im Viertelfinal-Hinspiel an. Für die SGE wird es vor allem darum gehen, Dembele aus dem Spiel zu nehmen, wenn man eine Runde weiterkommen möchte. Barca geht aber als Favorit ins Duell mit der SGE und möchte am Ende möglichst auch den Pokal nach Barcelona holen, womit man auch automatisch für die Champions League qualifiziert wäre.
Und wenn dann in der kommenden Saison wieder die Hymne der Königsklasse durchs Camp Nou tönt, könnte es auch wieder Standing Ovations für Dembele geben. Denn laut übereinstimmenden Medienberichten aus Spanien haben die Parteien die Gespräche um eine Vertragsverlängerung wieder aufgenommen. Dembele will demnach unbedingt weiter unter Xavi spielen und seinem Kindheitsverein treu bleiben. In Kürze soll laut der As in Marrakesch eine erste Verhandlungsrunde stattfinden. Vieles deutet aktuell auf einen Verbleib des Franzosen hin.
Es wäre das nicht mehr für möglich gehaltene Happy End eines unerfüllten Versprechens.