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FC Bayern: Andries Jonker über Flick und Nachwuchsarbeit

Jonker: "Davies ist ein guter Anfang"

Alphonso Davies (l.) wurde im Mai 2019 mit dem FC Bayern Deutscher Meister.
Image: Alphonso Davies (l.) wurde im Mai 2019 mit dem FC Bayern Deutscher Meister.  © Getty

Andries Jonker war Louis van Gaals Co-Trainer beim FC Barcelona und beim FC Bayern. In München war er Interimscoach. Heute trainiert er den niederländischen Zweitligisten Telstar. Im 1. Teil des Sky-Interviews spricht der 57-Jährige über Hansi Flicks Situation und die Nachwuchsarbeit beim FCB.

Sky Sport: Herr Jonker, beim 4:0 gegen Dortmund hat Interimstrainer Hansi Flick Coutinho und Thiago zunächst auf die Bank gesetzt. Glauben Sie, dass er auch als Chef die Befindlichkeiten der Stars so gut moderieren kann wie als Co-Trainer?

Andries Jonker: Er wird den Spielern auch erklären, warum er auf sie setzt oder nicht. Diese Kommunikation ist ganz wichtig. Gegen Dortmund hat er Coutinho und Thiago nicht erst in den letzten Minuten eingewechselt, wahrscheinlich auch um ihnen das Gefühl zu geben: Du bist mir wichtig, du bist wichtig für die Mannschaft. Um Titel zu gewinnen brauchst du mehr als nur elf Spieler, du brauchst 20 Topspieler, und die müssen alle top motiviert sein.

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Sky Sport: Sie waren erst Louis van Gaal Co-Trainer bei Bayern und dann Interimscoach. Was war der Unterschied und wie haben Sie den Spielern ihre Entscheidungen erklärt?

Jonker: Du bist als Co-Trainer ganz nah an der Mannschaft und versuchst, jedem Spieler zu helfen. Aber der Co-Trainer ist nie verantwortlich für die Aufstellung, der Cheftrainer entscheidet. Wenn sich das in der Saison ändert, hast du innerhalb von fünf Minuten eine ganz andere Position. Ich habe damals zum Beispiel Holger Badstuber und Toni Kroos aus der Mannschaft genommen und Luis Gustavo und Anatoliy Tymoshchuk aufgestellt. Badstuber war als ganz junger Spieler fußballerisch ein bisschen weiter, aber ich habe mich für die Kraft und den Charakter entschieden, den Gustavo schon hatte. Ich habe es Holger damals so erklärt: Du bist ein super Talent und wirst eine überragende Karriere haben, aber dein Verein muss nächste Saison in der Champions League spielen, das ist auch in deinem Interesse. Wenn du das erklärst, hat sich deine Position schon verändert, denn du enttäuschst den Spieler. Wichtig ist, dass du den enttäuschten Spieler mit einer ganz klaren, ehrlichen Erklärung bei dir behältst.

Sky Sport: Wie war es bei Kroos?

Jonker: Toni war damals erst 21 Jahre alt und eher ein phlegmatischer Typ. Spielerisch überragend, aber wir brauchten in der damaligen Phase den Kampfgeist von Tymoshchuk. Ich habe es ihm erklärt, und Toni hat es sehr gut angenommen. Er hat sich sofort besser im Training eingebracht und ich habe ihm mehr Spielzeit gegeben.

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Sky Sport: Wie wichtig war und ist es für Flick, einen Spieler wie Thomas Müller und die Situation beim FC Bayern schon länger zu kennen?

Jonker: Es ist immer einfacher, wenn du schon im Verein warst und dann die Mannschaft übernimmst. Wenn du dann Cheftrainer bist und die richtigen Knöpfe drückst, funktioniert das am Anfang meistens schon. Müller ist ein gestandener Spieler, und wenn er das Vertrauen bekommt, funktioniert es natürlich. Zumindest am Anfang.

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Sky Sport: Van Gaal und Sie haben damals Müller, Badstuber und David Alaba in die Profimannschaft eingebaut. Jupp Heynckes und Pep Guardiola haben quasi van Gaals Werk weiterentwickelt, aber unter Carlo Ancelotti wurde diese Philosophie gestoppt. Hat der FC Bayern es damals verpasst, diesen Weg weiterzugehen?

Jonker: Das sind die Mechanismen des Spitzenfußballs. Die Spitzentrainer müssen gewinnen und haben die Möglichkeit, ganz tolle Spieler zu holen. Wenn du mit diesen Spielern verlierst, erntest du Kritik. Aber die Vorwürfe sind härter, wenn du mit ganz jungen Spielern verlierst. Van Gaal hat sich durch den Mut ausgezeichnet, auf ganz junge Spieler zu setzen. Bei allen seinen Vereinen. Bei Barcelona hat er das Gerüst aus Xavi, Iniesta, Puyol und Valdes herausgebracht. Iniesta hat damals mit 17 Jahren bei uns debütiert. Van Gaal hat immer auf junge, talentierte Spieler gesetzt. Bei Barca, bei Bayern und auch bei Ajax. Aber es war auch eine andere Zeit.

Sky Sport: Was ist heute anders?

Jonker: Wenn du heute zweimal in Folge verlierst, wackelst du. Welcher Trainer geht heute dieses Risiko ein? Das ist die große Frage. Das ist das Problem, nicht nur bei Bayern, sondern im Spitzenfußball.

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Sky Sport: Aber dennoch gehen Barca und Ajax den Weg mit dem Nachwuchs weiter und bringen immer viele junge Spieler heraus.

Jonker: Bei Ajax stimmt das, bei Barca ist es schwieriger. Ich habe aus meiner Zeit noch das Jahrbuch der Jugendmannschaften von 2002. Damals waren Gerard Pique und Cesc Fabregas als 14/15-Jährige dabei. Sie haben es durch alle Altersstufen bis in die Weltspitze geschafft, aber viele andere nicht. Es ist teilweise eine Frage der Qualität der Arbeit, andererseits hängt es auch vom Zufall ab. Es ist gut, junge Leute hochzuziehen. Aber die Qualität muss schon da sein.

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Sky Sport: Wie lange wird es brauchen, bis bei Bayern wieder Spieler auf hohem Niveau aus den Nachwuchsteams zu den Profis hochgezogen werden können?

Jonker: Die Bedingungen sind gut, alles ist super organisiert - und jetzt ist die Zeit da, um inhaltlich zu arbeiten. Das dauert Jahre, aber der FC Bayern hat schon einige junge Spitzentalente verpflichtet. Dass ein Alphonso Davies jetzt bei den Profis spielt, ist gut und es ist ein Anfang. Es wäre natürlich schön, wenn der nächste Müller oder Badstuber aus der Region Bayern hochgezogen werden könnte.

Das Interview führte Thorsten Mesch

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