Neuer-Beben bei den Bayern! Die Analyse zum brisanten Interview
03.02.2023 | 22:22 Uhr
Darüber wird noch lange geredet werden. Manuel Neuers brisantes Interview, in dem er den FC Bayern wegen der Entlassung von Toni Tapalovic scharf kritisiert, dürfte Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic nicht geschmeckt haben. Doch worauf hat der Keeper abgezielt? Was hat ihn bewegt? Eine Analyse.
Da soll sich noch mal jemand über Manuel Neuer und seine Interviews beschweren. Gelten diese in der Regel als oberflächlich und glattgebügelt, besitzt das neuste Gespräch der zurzeit verletzten Nummer eins des FC Bayern München und der Nationalmannschaft mit der Süddeutschen Zeitung und The Athletic enorme Sprengkraft.
In der Geschäftsstelle an der Säbener Straße dürfte es mit der Veröffentlichung ähnlich gerappelt haben wie beim Lahm-Interview 2010, der damals unter anderem die fehlende Identität des deutschen Rekordmeisters kritisierte und im Anschluss zumindest für die Öffentlichkeit eine saftige Geldstrafe aufgebrummt bekam.
Gegenüber der Tageszeitung und dem englischen Sportportal hat sich Neuer erstmals ausführlich über das WM-Debakel und seinen Ski-Unfall geäußert. Für mächtig Aufsehen sorgen jedoch seine Aussagen zur Thematik Tapalovic. Der Torwart-Trainer und Neuer-Vertraute wurde kürzlich vom FC Bayern freigestellt. Ein Schock für den Weltmeister-Torwart, der seiner Enttäuschung nun Luft machte - für Sky Reporter Uli Köhler und Kommunikationsexperte Michael Cramer eine geplante Schelte Neuers gegen seinen Klub und dessen Verantwortliche.
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"Das ist ein Hammer. Und eins ist sonnenklar: Dieses Interview war nicht mit dem FC Bayern abgesprochen", so Bayern-Reporter Köhler bei "Gesagt. Gemeint!" auf Sky Sport News. "Mir war klar, als Tapalovic entlassen wurde, dass das ein Schlag gegen Manuel Neuer war. Ich war mir fast sicher, dass er das nicht auf sich sitzen lassen würde."
Die Bayern hatten Ende Januar etwas überraschend die Freistellung von Tapalovic verkündet. Kurz zuvor hatte Alexander Nübel (derzeit an die AS Monaco ausgeliehen) Neuers langjährigen Weggefährten kritisiert und die fehlende Kommunikation mit ihm vonseiten Tapalovics bemängelt.
"Insbesondere Differenzen über die Art und Weise der Zusammenarbeit haben jetzt dazu geführt, dass wir getrennte Wege gehen", begründete Sportvorstand Hasan Salihamidzic Bayerns Maßnahme. Nagelsmann äußerte, dass mit Tapalovic nie ein "Miteinander" entstanden sei.
Cramer sieht hinter Neuers Interview und dessen Veröffentlichung kurz vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg am Sonntag einen wohlgehegten Plan: "Da ist gar nichts Zufall", so der Kommunikationsexperte. "Sowas wird nicht spontan gemacht. Manuel Neuer und seine Berater haben sich überlegt: Wir haben da etwas zu sagen." Der Termin sei gewählt worden, damit kein Bayern-Verantwortlicher vor den Kameras am Wochenende davonlaufen kann, ist sich Cramer sicher. "Das Spiel interessiert [seit der Veröffentlichung des Interviews] niemanden mehr."
Doch was hat Manuel Neuer gesagt und vor allem, was hat er damit gemeint und auslösen wollen? Sky hat drei wichtige Aussagen näher beleuchtet.
Neuer darüber, wie hart ihn die Entlassung seines Torwarttrainers und Freundes Tapalovic getroffen habe: "Für mich war das ein Schlag, als ich bereits am Boden lag. Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen, das war das Krasseste, was ich in meiner Karriere erlebt habe. Und ich habe wirklich schon einiges erlebt."
Cramer sieht darin eine martialische Wortwahl. Mit anderen Worten heiße das laut dem Kommunikationsexperten: "Ich war wehrlos und die Bayern haben noch auf mich eingeschlagen." Das sei laut Cramer nicht mehr zurückzuholen. "Das ist in seiner Formulierung so extrem, das kennt man von Neuer gar nicht." Hier müsse sich etwas aufgestaut haben, erklärt er.
Neuer darüber, was die Entlassung von Tapalovic bei ihm hinterlassen habe: "Große Enttäuschung. Das hat mit dem Menschlichen zu tun, dem Umgang mit einem verdienten Mitarbeiter: Wir wollen als Bayern München anders - eine Familie - sein. Und dann passiert etwas, das ich so hier noch nicht erlebt habe. Das ist für alle schade: für den Verein, für Tapa, für den Staff, für alle Torhüter und somit natürlich auch für mich."
Wollten die Bayern Neuer für seine Verletzung eins auswischen und bekommen nun die Reaktion ihres Keepers zu spüren? Köhler dazu: "Ich kann Manuel Neuer verstehen. Die Bayern sind sauer auf Neuer […], weil er sich sein Bein gebrochen hat und es sie mit Sicherheit zehn bis 15 Millionen Euro gekostet hat. Das ist die eine Geschichte." Aber: "Wie gehe ich mit einem Torhüter um, der dem FC Bayern alle Titel dieser Welt gebracht hat? Seinen engsten Vertrauten zu feuern, ohne das mit ihm abgesprochen zu haben, das ist auch unprofessionell."
Den Rauswurf von Tapalovic bezeichnet Köhler als Affront gegen Neuer, der so nicht passiert wäre, wenn sich der Torhüter nicht so schwer verletzt hätte.
Neuer über sein Verhältnis mit Trainer Nagelsmann, der in der Zusammenarbeit mit Tapalovic nicht recht warm geworden zu sein scheint: "Das heißt, dass ich mich mit Julian austausche und mit ihm professionell arbeite. Wir haben offen gesprochen, er weiß, wie ich dazu stehe."
Für Cramer lässt besonders das Wörtchen "professionell" in diesem Zusammenhang die Alarmglocken schrillen: "Das erinnert mich immer an Angela Merkel [Bundeskanzlerin a. D.], kurz bevor sie Minister rausgeworfen hat. Das ist ein Affront und sagt alles aus über das Verhältnis zwischen Julian Nagelsmann und Manuel Neuer." Hier sei jedes Wort wohlüberlegt gewesen, meint Cramer. So könne man Neuer nichts vorwerfen, wenn die Interpretation doch auch deutlich ausfallen dürfte. "Das ist arbeitsvertragskonform."
Was bedeutet das Interview nun für die Münchner? Neuer habe die größtmögliche Zerstörung hier anrichten wollen, analysiert Cramer. "Er hat nicht mehr das interne Gespräch gesucht. Er hat das Gespräch mit seinem Vorgesetzten nach außen getragen und führt die Debatte nun de facto über die Süddeutsche Zeitung und die Medien insgesamt", so Cramer und weist auf ein Detail hin. "Das perfide an der ganzen Geschichte ist, dass Neuer im Interview anspricht, dass Tapalovic ja auch schon mit Kovac beim FC Bayern zusammengearbeitet hat und man solle doch Niko Kovac fragen, was er über Tapalovic denkt. Achtung, Kovac sitzt am Sonntag gegen Bayern auf der Trainerbank. Das Thema wird am Wochenende sehr groß werden."
Wie kommen die Bayern nun aus der misslichen Lage heraus? "Normalerweise würde man sagen: Leute, versucht das Thema nicht größer zu machen, als es ist. Versucht das Thema so schnell wie möglich wieder aus den Medien zu kriegen." Das sei im Sport jedoch nicht so einfach, weiß Cramer. Der Kommunikationsexperte empfiehlt deshalb: "Deeskalation. Jetzt bloß nicht wieder mit Steinen zurückwerfen." Das würde dazu führen, dass es am Ende nur Verlierer gebe.
Was denkt ihr? Ist Neuers Kritik am FC Bayern nachvollziehbar oder nicht? Stimmt ab!