Beim FC Bayern ist die Personaldecke vor dem Rückrundenstart sehr dünn. Sky Reporter Torben Hoffmann analysiert die Situation beim Rekordmeister vor dem Spiel gegen Hertha BSC.
Der FC Bayern steht vor einer schwierigen Rückrunde. In der Bundesliga läuft der Rekordmeister einem Vier-Punkte-Rückstand auf RB Leipzig hinterher, zudem haben die Münchner in der Champions League und im DFB-Pokal ambitionierte Ziele. Die dünne Personaldecke bereitet allerdings große Sorgen.
Sky Reporter Torben Hoffmann erklärt, weshalb es mit diesem Kader schwierig werden könnte, die hoch gesteckten Ziele zu erreichen. Zudem schätzt er die Personalien Jerome Boateng und Philippe Coutinho ein und analysiert, wie es auf der Trainerposition weitergehen könnte.
Torben Hoffmann über den dünnen Kader und die Verletzungsanfälligkeit einzelner Spieler ...
"Ich glaube, dass man das mitunter unterschätzt hat: Man kennt die Verletzungshistorie von Lucas Hernandez, man kennt die muskuläre Problematik bei Serge Gnabry, bei Kingsley Coman waren es ab und an auch Kontaktzweikämpfe. Das muss man sagen. Da kannst du nie davon ausgehen, dass sie alle Spiele über eine Saison bestreiten. Im Gegenteil, da fallen sie mal zehn oder 15 Spiele aus. Aufgrund dieser Kaderzusammenstellung sehe ich persönlich auch schwarz, was diese angestrebten Ziele beim FC Bayern angeht - wenn jetzt eben nicht nochmal ein bis zwei Neuverpflichtungen getätigt werden."
... über die Belastung in der Rückrunde
"Das Gute ist: Es sind am Anfang keine englischen Wochen, aber die Spieler kommen nach so langen Verletzungen nicht alle zurück und sind sofort wieder da und auf einem hohen Level. Deshalb sehe ich die Kaderzusammenstellung beziehungsweise die Kaderkonstellation momentan äußerst kritisch bei den Bayern, denn sie sind nicht Erster, sie sind Jäger, sie müssen fast alle Spiele gewinnen bzw. dürfen sich keine großen Ausrutscher erlauben. Sie kämpfen gegen ein stabiles RB Leipzig, dann kommt Dortmund, die ich in der Rückrunde für relativ stark halte, Gladbach ist dabei. Das heißt, du darfst dir national keine großen Ausrutscher mehr erlauben. Und dann hast du noch den DFB-Pokal und die Champions League, wo du mal weiter kommen musst als das Achtelfinale - gerne ins Finale. Diese geballte Anzahl an Spielen, diese Belastung kannst du mit diesem schmalen Kader nicht auffangen."
... über mögliche Neuzugänge wie Nelson Semedo oder Joao Cancelo
"Klar werden diese Namen gespielt, aber Hasan Salihamidzic hat im Trainingslager oftmals wiederholt, dass es bei keinem Spieler kurz vor dem Abschluss steht - dass es überhaupt nirgendwo richtig heiß ist. Das zeigt, dass diese Konstellation schwierig zu durchbrechen ist. Qualitativ hochwertige Spieler zu holen, ohne finanziellen Unsinn zu machen. Das ist eine komplizierte Aufgabe für Salihamidzic."
... über einen möglichen Abgang von Jerome Boateng
"Du kannst ihn in diesem Winter nicht abgeben. Er ist momentan der einzige gelernte Innenverteidiger - auch wenn David Alaba jetzt Innenverteidiger ist und sich als vermeintlicher Abwehrchef sehr gut macht. Hernandez wird wohl erst Anfang Februar zurückkommen. Da muss man auch erstmal schauen, er hatte viele Verletzungen und ist lange ausgefallen. Niklas Süle wird vielleicht am Ende der Rückrunde oder gar nicht mehr zur Verfügung stehen und auch Javier Martinez fällt noch einige Zeit aus. Wenn du Boateng abgibst, ohne einen adäquaten Ersatz zu bekommen, das kannst du nicht."
... über die Entwicklung von Philippe Coutinho
"Ich habe ihn im Trainingslager durchwachsen erlebt. Die komplette Integration ist den Bayern nicht gelungen - bzw. ihm selbst auch nicht. Ich glaube da gehören auch immer zwei Parteien dazu. Auf dem Platz hat er immer wieder brillante Momente - auch im Training. Aber manchmal ist das einfach zu wenig, was das Umschalten angeht oder die Zweikampfführung. Nach vorne mit Platz und Raum oder auch mal unter Gegnerdruck ist das hervorragend, was er macht. Aber er ist trotzdem nicht der Faktor, der Spiele alleine entscheidet, der das Spiel an sich reißt, der so präsent ist, dass du sagst, für den legen wir 100 oder 120 Millionen auf den Tisch."
... über die Situation von Hansi Flick
"Ich glaube, dass die Bayern die Rückrunde abwarten wollen, weil sie aus der Verpflichtung von Niko Kovac gelernt haben. Einen Trainer zu holen, der noch nicht diese Erfahrung hat, vor allem nicht mit dieser Mannschaft, mit diesen Top-Stars, mit dem Druck umzugehen. Flick hat es gut gemacht. Er hat das Team wieder ins richtige Fahrwasser gebracht. Was das Spielsystem angeht, was die Stabilität angeht, was die Empathie und die Ansprache an die Spieler angeht. Die Stimmung innerhalb der Truppe ist richtig gut. Aber man hat noch ein bisschen Skepsis. Die Bayern trauen dem Braten noch nicht, man will sich die Option offen halten, um zu gucken, was in der Rückrunde bei Bayern, aber auch international passiert bei anderen Vereinen."
... über das Verhältnis Flick-Salihamidzic
"Ich kann beide Seiten zu 100 Prozent verstehen. Hansi Flick wird am Erfolg gemessen, an dem, was er in der Rückrunde abliefert. Er ist erstmal bis zum Sommer Chef, das heißt: Er muss performen. Das kann er nur, wenn er eigene Dinge einbringt in die Mannschaft, aber dann natürlich auch ein Portfolio an Spielern in der Breite zur Verfügung hat, um diese Spiele auch erfolgreich bestreiten zu können. Auf der anderen Seite haben wir Hasan Salihamidzic. Der weiß, wie kompliziert das Wintertransferfenster ist. Du musst einen oder zwei qualitativ hochwertige Spieler holen, die den Bayern weiterhelfen. Diese Spieler findest du nur bei europäischen Top-Klubs, die aber alle meist noch international vertreten sind. Sie bekommen oft nicht die Freigabe von ihrem Verein oder kosten eine horrende Summe. Das ist momentan ein brutaler Kreislauf, den Salihamidzic versuchen muss zu durchbrechen. Er braucht aber dann auch nicht diese Ansage des Trainers in der Öffentlichkeit, der dadurch nochmal Druck aufbaut."