FC Bayern: Tuchel & FCB vor Manchester City: Erst schockverliebt, jetzt ratlos?

Tuchel beim FC Bayern: Erst "schockverliebt", jetzt ratlos

Thomas Tuchel fand gegen Hoffenheim keine Lösungen, um die Bayern auf die Siegerstraße zu führen.
Image: Thomas Tuchel fand gegen Hoffenheim keine Lösungen, um die Bayern auf die Siegerstraße zu führen.  © DPA pa

Dem FC Bayern gelingt auch gegen die TSG Hoffenheim nicht der erhoffte Befreiungsschlag. Nicht nur vom Ergebnis her enttäuschten die Bayern, auch die spielerische Leistung sorgte im Nachgang für Kopfzerbrechen.

Wenn es nach dem FC Bayern ginge, hätte das Spiel gegen die TSG Hoffenheim am Samstagnachmittag zur Wundheilung nach dem 0:3 gegen Manchester City vergangenen Dienstag taugen sollen. Der Rekordmeister war fest entschlossen, gegen den Abstiegskandidaten Selbstvertrauen zu tanken. Statt neue Hoffnung zu schöpfen, dürfte das 1:1 gegen die TSG jedoch eher das letzte Fünkchen dieser auf ein Champions-League-Wunder zunichtegemacht haben.

Die Enttäuschung war im Nachgang auch den Verantwortlichen anzumerken. Thomas Tuchel, Thomas Müller und Matthijs de Ligt sprachen am Sky Mikro unisono von mangelnder Überzeugung, fehlender Energie und Verunsicherung in der Mannschaft. Eine Lösung für die Probleme hatte aber niemand von ihnen parat. Nach nur zwei Siegen aus den vergangenen sechs Pflichtspielen herrschte in der Allianz Arena nach dem Spiel vor allem eins: Ratlosigkeit.

Tuchel ratlos: "Habe ich nicht kommen sehen"

Angesprochen auf die Verunsicherung innerhalb des Teams und woher diese komme, konnte Tuchel keine Antwort geben. "Ich weiß es nicht. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe das nicht kommen sehen", erklärte der Bayern-Trainer gegenüber Sky. "Ich war mir sicher, dass wir ein anderes Gesicht zeigen würden", so Tuchel, der seinem Team eine gute Vorbereitung attestierte.

Auch Müller sah die Mannschaft gut auf das Spiel präpariert, sagte aber treffend: "Es ist schwierig zu erklären, weil wir eigentlich gut trainiert haben, mit Energie. Aber das Spiel ist am Samstag, nicht am Freitag."

Bayern fehlt erneut Konsequenz - wieder trifft ein Abwehrspieler

Wie schon in Freiburg ließen die Bayern in der Offensive die letzte Konsequenz vermissen und schafften es dadurch nicht, den Vorsprung auszubauen. Das ließ die Münchner schon gegen Freiburg zittern und hätte gegen Hoffenheim noch schlimmere Konsequenzen haben können als das Remis. "Wir haben am Ende noch Glück gehabt, dass es das 1:1 geworden ist", sagte de Ligt nach der Partie bei Sky.

Aus 22 Schüssen resultierte am Ende wieder einmal nur ein Tor. Schaut man sich die Chancenqualität an, war auch nicht viel mehr drin als das eine Tor (expected Goals: 1.6). Und wieder einmal war mit Pavard ein Verteidiger der Torschütze der Bayern. Er war es auch, der am 2:1 schnupperte, jedoch dabei kurz vor Schluss im Abseits stand. Die drei letzten FCB-Tore erzielten allesamt Abwehrspieler, von den letzten 13 Treffern sind es insgesamt sogar sieben Tore, die durch Verteidiger geschossen wurden.

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"Das müssen wir erstmal verarbeiten. Das ist auf jeden Fall ein großer Rückschritt von der Leistung und von der Überzeugung", so Tuchel. Sie seien vieles schuldig geblieben, sagte Tuchel dann während der Pressekonferenz. Der Bayern-Coach, der nach dem Spiel in Manchester noch davon sprach, sich in seine Mannschaft "schockverliebt" zu haben, wirkte nach der Partie gegen die Kraichgauer nachdenklich: "Es ist eine Enttäuschung für uns und für mich."

Matthäus sieht unruhiges Umfeld als Faktor

Mannschaft und Trainer scheinen sich der Gründe für die schwache Leistung bewusst zu sein, sie wissen aber nicht, wie sie das abstellen können. Für Sky Experte Lothar Matthäus ist unter anderem die Unruhe im Umfeld des Vereins ein nennenswerter Grund für die Verunsicherung innerhalb des Teams: "Drumherum gibt es eine Schlagzeile nach der anderen und vielleicht deshalb auch die Ergebnisse", so der frühere Bayern-Star.

"Ich habe immer gesagt, wenn du im Umfeld Unruhe hast, dann überträgt sich diese automatisch auf den Platz." Matthäus sieht da vor allem Schwächen in der öffentlichen Kommunikation im Rahmen des Mane-Eklats, die Diskussionen um das Interview von Manuel Neuer und die Maulwürfe. Der Rekord-Nationalspieler sieht in diesem Falle die Führung in der Verantwortung.

Doch nicht nur die Unruhe im Umfeld könnte laut Matthäus beim heutigen 1:1 eine Rolle gespielt haben. "Die Spieler performen nicht, der Trainer hat vielleicht kein glückliches Händchen - erst nach seinem Dreier-Wechsel kam das 1:1. Hat das vielleicht dazu beigetragen, dass man den Spielfluss verloren hat? Et cetera, et cetera. Das sind alles Kleinigkeiten, die da zusammenkommen. Deswegen sind das unruhige Zeiten an der Isar."

Hamann: "Jeder spielt für sich"

Sky Experte Didi Hamann sieht noch einen anderen Grund für die Verunsicherung innerhalb des Teams. Ihm fehle der Zusammenhalt. "Dass einer für den anderen da ist, dass einer den Fehler eines anderen wettmachen will, das sehe ich nicht. Man hat das Gefühl, jeder spielt für sich", so Hamann.

Wenn viele Spieler mit sich selbst beschäftigt sind, fehle der Blick für das Ganze, erklärt Hamann. "Sie haben zu wenig stabile Spieler, die in der Lage sind, über ihre Leistung hinweg auf andere zu schauen. Im Moment habe ich das Gefühl, dass da elf Einzelspieler spielen. Das Zusammenspiel ist weder in der Offensive noch in der Defensive zu sehen."

Wie Tuchel diese Probleme in den Griff kriegen könne, weiß Hamann auch nicht. Man müsse sich endlich mal belohnen. "Du kannst kurzfristig den Mane reinschmeißen und hoffen, dass er die 90 Minuten seines Lebens spielt. Mir fehlt im Moment die Fantasie, wie sie auch nur annähernd das Spiel am Mittwochabend drehen sollten."

In München können sie zumindest glücklich darüber sein, dass die Dortmunder im Parallelspiel den Bayern-Patzer nicht ausnutzten und sich mit dem 3:3 selbst um eine große Chance im Kampf um die Meisterschaft brachten.

Kurzfristiger Tuchel-Effekt nicht eingetreten

Die Bayern bringen die Qualität, die sie auf dem Papier haben, derzeit nicht auf den Platz. Das Resultat: die schwächste Saison seit zwölf Jahren, eineinhalb verspielte Titel und viele Diskussionen. Hinzu kommt, dass auch der Trainerwechsel (noch) nicht die erhofften Früchte trägt.

Zeigte sich Tuchel nach den vorangegangenen Partien und in den Spieltags-PKs größtenteils euphorisch, war am Samstag nach dem Hoffenheim-Spiel schon deutliche Ernüchterung zu spüren. Nicht einmal ein Alibi-Satz wie "Im Fußball ist alles möglich", brachte Tuchel mit Blick auf das CL-Spiel am kommenden Mittwoch gegen Manchester City über die Lippen.

"Es war der Moment, einen draufzusetzen, das Spiel mit aller Macht zu gewinnen, aber auch eine Energie zu zeigen, Energie im Stadion zu wecken, Feuer und Zuversicht zu wecken", sagte er und weiter: "Das ist uns alles nicht geglückt. Deswegen sind wir jetzt nicht komplett chancenlos, aber die Aufgabe, die schon extrem schwer ist, ist auf jeden Fall nicht leichter geworden."

Eines lässt sich damit schon sagen: Der kurzfristige Tuchel-Effekt ist ergebnistechnisch nicht eingetreten. Und direkt nach dem Spiel wirkte es auch nicht so, als hätte der Bayern-Trainer eine schnelle Antwort darauf.

Mehr zum Autor Max Georg Brand