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Fußball: Adrien Koudelka kämpft weiter für seinen Traum als Profi

Umweg Dänemark: Top-Talent will in die Bundesliga

Adrien Koudelka
Image: Adrien Koudelka (vorne) spielt zurzeit in Dänemark.  © Imago

Eineinhalb Stunden dauert die Überfahrt von Sjællands Odde nach Aarhus. Mit der Fähre zu Auswärtsspielen - für Profis in Dänemark alles andere als unüblich. Auch Adrien Koudelka hat sich mittlerweile daran gewöhnt.

Die Karriere des einstigen Top-Talents, das fester Bestandteil in der deutschen U17-Nationalmannschaft war, verläuft nicht schnurstracks nach oben. Schon mehrfach ist sie, wie die Fähre auf der Ostsee, heftig ins Wanken geraten. Dennoch trotzt der 21-jährige Innenverteidiger sämtlichen Widrigkeiten und gibt seinen Traum nicht auf, egal wie oft er dafür aufstehen muss.

Mehrfach schon stand er vor dem großen Durchbruch - doch immer wieder kam etwas dazwischen. Mal wegen schlampiger Bürokratie - oder wegen Last-Minute-Wechseln seiner Förderer.

Lamentieren bringt nichts

"Es ist, wie es ist", sagt Adrien Koudelka zu Sky. "Ein paar Dinge sind scheiße gelaufen. Aber es nützt mir überhaupt nichts, zurückzublicken und zu lamentieren. Ich verschwende keine Energie, indem ich mich über verpasste Chancen ärgere. Ich werde so lange weiterschuften, bis ich mein Ziel erreicht habe."

Eigentlich stand er im Mai 2019 ganz kurz davor, seinen Traum zu erfüllen. Er sollte mit den Profis des FC Augsburg mit zum letzten Bundesligaspiel nach Wolfsburg fahren. In einer entsprechenden Text-Nachricht eines Teambetreuers an Koudelkas Vater Peter hieß es: "Wir würden Ihren Sohn gerne für die Profimannschaft spielberechtigt machen. Daher bitten wir Sie Formulare unterschreiben zu lassen, sodass Ihr Sohn am Samstag potenziell eingesetzt werden könnte."

Martin Schmidt, heute Sportdirektor bei Mainz 05, war Trainer der Fuggerstädter. Seine Mannschaft hatte den Klassenerhalt vorzeitig erreicht, war 14. Ein idealer Zeitpunkt, um Talenten wie Koudelka die Möglichkeit zu geben, Bundesligaluft zu schnuppern.

Doch der FCA hatte übersehen, dass Koudelka noch keine 17 Jahre alt war. Die DFL setzte erst im April 2020 das Mindestalter auf 16 Jahre herab, um regulär in der Bundesliga spielen zu dürfen. Pech für Koudelka, dem ein Debüt bei den Profis von Augsburg verwehrt blieb.

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Sprung zu den Augsburg-Profis war Frage der Zeit

Koudelka, der in Unterhaching mit dem Fußballspielen begonnen hatte, malte sich diese Reise schon genau aus. Er hatte sich vorgestellt, wie es sein würde, erstmals neben den Stars im Bus zu sitzen und der Spielansprache von Martin Schmidt zuzuhören. In seinem Kopf hatte er das Klackern der Stollenschuhe gehört, kurz bevor alle zusammen aus den Katakomben hervortreten, das Abklatschen und gegenseitig Mut machen mit all diesen gestandenen Persönlichkeiten. Es blieb bei der Vorstellung.

In Wirklichkeit war er aber zumindest weiterhin hautnah im Trainingsbetrieb an den Profis dran. Selbst nach der Freistellung von Martin Schmidt, auf den Heiko Herrlich folgte, durfte er häufig bei den Profis trainieren. Nach einem Testspiel gegen Regensburg lobte Herrlich den Jungen für seinen Fleiß und die Leidenschaft.

Es schien keine Frage mehr, ob Koudelka bei den Profis ankommen würde, sondern wann. Doch dann veränderte Corona die Welt und auch den Fußball. Zwar durften die Profis dank engmaschiger Testverfahren, harter Auflagen und auch wegen teils strenger Isolation zeitnah weiterspielen. Aber der Kreis rund um die Stars wurde dementsprechend reduziert. Je weniger miteinander in Kontakt kamen, desto geringer war die Gefahr, Spielausfälle zu riskieren. Nicht nur Koudelka wurde so aus dem Kreis der Profis gespült.

Koudelka spulte Kilometer um Kilometer ab

Jugendspiele, an denen Koudelka noch hätte teilnehmen können, wurde abgesagt, irgendwann die Liga eingestellt. Der Versuch, die Liga später wieder aufzunehmen, scheiterte nach wenigen Monaten. Für Koudelka und Co. hieß es Kleingruppentraining. Er lief für sich allein durch den Englischen Garten in München, spulte Kilometer um Kilometer ab. Bis zu zehn Kilometer am Tag.

"Talente müssen ohnehin außergewöhnlich trainieren, um eine Chance zu erhalten, zu den Profis vorzustoßen. Aber durch Corona, das wird schnell vergessen, ist diese Kluft noch viel größer geworden. In der wohl entscheidendsten Phase ihrer Karriere haben zahlreiche hochbegabte Nachwuchsspieler ein Jahr verloren. Die Profis haben weitertrainiert und gespielt, während Talente gezwungen waren, zuzuschauen. Selbst wenn Jungs eine hohe intrinsische Motivation hatten, viel für sich gearbeitet haben, die Wettkampferfahrung kann durch nichts ersetzt werden. Corona hat viele Spieler, die im Übergangsbereich zu den Profis waren, regelrecht verschluckt", erklärte Levent Sürme, der früher Trainer von Adrien Koudelka war, und heute Cheftrainer der türkischen U21-Nationalmannschaft ist.

Koudelka aber wollte sich nicht verschlucken lassen. Er lief und lief und lief. Dazu meldete er sich bei Online-Plattformen an, probierte dort unter anderem Yoga aus, um an seiner Beweglichkeit zu arbeiten.

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Blessin hätte Koudelka zweimal gerne geholt

Trotzdem verlor er, wie viele andere, den Anschluss. Ab Sommer 2021 gehörte er zur zweiten Mannschaft des FC Augsburg, spielte mit ihr in der Regionalliga Bayern.

Alexander Blessin verfolgte seinen Weg. Als er Jugend-Trainer bei RB Leipzig war, hätte er Koudelka gerne aus Augsburg weggelockt. Doch weil der FCA eine zu hohe Ablöse forderte, funktionierte es nicht. Nun wollte Blessin, der mittlerweile Trainer in der ersten belgischen Liga war, einen neuen Versuch starten, immerhin lief der Vertrag des Jungen nun aus. Er lud ihn ein halbes Jahr vor Vertragsende nach Ostende ein, um ihn nach der langen Corona-Pause zwei Wochen lang im Dezember mit seiner Mannschaft trainieren zu lassen - und sich einen Eindruck zu verschaffen, ob Koudelka gut genug wäre, seiner Mannschaft weiterzuhelfen.

Am Ende des Probetrainings war Blessin überzeugt, einen Spieler mit enormen Entwicklungspotenzial gefunden zu haben, den er formen und weiterbringen wollte. Verhandlungen wurden begonnen. Doch dann bekam Blessin ein Angebot und verließ Ostende in Richtung Italien. Damit war ein Wechsel in die erste belgische Liga vom Tisch.

"Es waren intensive zwei Wochen", erinnert sich Koudelka. "Es war mal wieder knapp davor, einen richtungsweisenden Schritt zu machen. Aber es sollte nicht sein."

Der nächste Traum platzt

Statt in der ersten Liga Belgiens zu spielen, ging es zurück nach Deutschland in die vierte Liga. Dort musste er sich wieder hinten anstellen, immerhin hatte er ja klar geäußert, eigentlich gehen zu wollen.

Der zweite geplatzte Traum binnen kürzester Zeit. Doch auch jetzt kämpfte Koudelka weiter. Er akzeptierte, dass es für ihn zunächst darum ging, Spielzeit zu sammeln. Dafür entschied er sich, einen Schritt zur Seite zu machen und bei Freiberg in der Regionalliga Südwest zu unterschreiben. Der Aufsteiger setzte voll auf ihn, so dass er schnell zum Anführer wurde und ständig auf dem Platz stand. Dort wurde er von dänischen Scouts entdeckt.

Seit nicht ganz einem Jahr spielt Koudelka nun bei AB Gladsaxe, einem ambitionierten Verein in Kopenhagen in der 2. Division. Er spricht mittlerweile fließend Dänisch. Und Englisch. Weil er sich so schnell akklimatisiert hat, war er zwischenzeitlich sogar schon Kapitän.

"Der dänische Fußball ist hart. Sehr körperbetont", sagt Koudelka zu Sky. Mit seinen 1,90 Metern kann er gut mit- und dagegenhalten. Seine Schnelligkeit kommt ihm entgegen. Er ist unangefochtener Stammspieler und traut sich lautstark von hinten heraus Kommandos zu geben.

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Glatzel bekommt Koudelkas Selbstvertrauen zu spüren

Sein neues Selbstvertrauen hat sogar schon Robert Glatzel, die Tormaschine vom HSV, zu spüren bekommen. In der Sommerpause spielten beide gegeneinander in München in einer Hobbyrunde Fußball. Meist vier gegen vier auf einem Soccerplatz. Koudelka machte mehrfach mit seinen langen Gräten im letzten Moment Chancen von Glatzel zunichte. Bis der entschied, dass er Koudelka lieber in seine Mannschaft wählte.

"Ich will meine Chance in Dänemark einfach nutzen", sagt Koudelka. "Ich muss nicht schnell oben ankommen. Wichtig ist, dass ich niemals aufhöre, fest daran zu glauben, dass ich es nach oben schaffen werde."

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