Der HSV hat in der Saisonvorbereitung noch einige Baustellen. Klub-Ikone Horst Hrubesch soll sich derweil um den Nachwuchs kümmern und mehr Youngster zu den Profis hochbringen. Eine große Chance, die in Hamburg aber auch Probleme mit sich bringen kann.
Der mürrische Gesichtsausdruck gehört bei Horst Hrubesch zum Gesamtkunstwerk. Eigentlich also kein Grund zur Beunruhigung. Als der 69-jährige neue Nachwuchschef des HSV unlängst dem insgesamt ungenügenden Testauftritt der Thioune-Truppe gegen biedere Dänen aus Randers beiwohnte, verfinsterte sich seine Miene allerdings zusehends.
Möglicherweise wurde dem Klub-Idol während der ernüchternden 90 Minuten noch einmal bewusst, wie sehr es auf ihn und seine Arbeit ankommt. Kostspielige Transfers sind für den klammen Zweitligisten auf absehbare Zeit nicht möglich. Der Blick auf die Bordmittel beim Hamburger SV macht derweil nicht sonderlich viel Mut.
Markige Ansprache neu für manchen HSV-Mitarbeiter
Während die Profi-Truppe im Trainingslager in Kufstein offenbart, dass der aktuelle Kader noch überaus lückenhaft daherkommt, fahndet Hrubesch im heimischen Nachwuchsleistungszentrum nach Möglichkeiten, die Durchlässigkeit nach oben zu verbessern und den Vom-Talent-zum-Profi-Prozess zu beschleunigen.
An seine markige Ansprache muss sich mancher Mitarbeiter noch gewöhnen, wie man hört. Dass das traditionsbewusste Kopfball-Ungeheuer a.D. den im Verein etablierten Begriff der "Young talents" offenbar als unangemessen deklariert hat, gilt hausintern derweil noch nicht als Indiz für einen entscheidenden Durchbruch in der Nachwuchsförderung.
Hrubesch will Details fürs große Ganze ändern
Der hochdekorierte Ex-U21-Nationalcoach will offenbar an die Details ran, um das große Ganze in Bewegung zu bringen. Konkrete Einblicke in sein inhaltliches Konzept sind zur Zeit jedoch allenfalls undeutlich zu erkennen. Bislang hat Hrubesch lediglich den vereinseigenen Kanälen Auskunft erteilt - im klassischen "Homepage-Sprech" mit überwiegend unverfänglichen Ankündigungen:
"Der Hamburger SV braucht eine Philosophie, die ohne Wenn und Aber gelebt wird. Eine einheitliche sportliche Ausrichtung aller Teams sowie definierte Parameter bei der Ausrichtung und Vorgehensweise der Kaderzusammenstellungen. Dieser Rote Faden bildet die unabdingbare DNA des Vereins." Gedanken, die so oder so ähnlich nicht zum ersten Mal formuliert, aber allzu selten mit Leben erfüllt worden sind. Letzteres muss der ehemalige Mittelstürmer ändern.
Zweifel an "Entwickler" Hrubesch
Hrubesch startet in Hamburg mit einem speckigen Vertrauenspolster. Neben Felix Magath ist "der Lange" wohl DER Protagonist der erfolgreichsten Ära der Klub-Historie. Seine Erfolge mit dem DFB-Nachwuchs haben ihm zudem Respekt eingebracht und überdies den Ruf, ein Händchen für die Arbeit mit jungen Spielern zu haben.
Zweifler betonen, dass seit Hrubeschs Zeit als Torjäger im Volkspark fast 40 Jahre vergangen sind und legen Wert auf den - gewiss gehaltvolleren - Vorbehalt, dass es bei der Arbeit als U-Trainer beim DFB eher ums Verwalten geht und nicht so sehr ums Entwickeln. Die Talente, die beispielsweise den EM-Titel 2009 nach Deutschland geholt haben, wurden von Hrubesch auf Turnierschärfe getrimmt, aber in den Vereinen ausgebildet.
Sorgt Hrubesch für Frustration?
Dass der gebürtige Hammer auch konzeptionell den Nagel auf den Kopf trifft, muss er erst noch belegen. Ob es sinnvoll war, das Rentnerleben auf standby zu schalten und die geliebte Angel zu vernachlässigen, um sich mit computergesteuerten Analysesystemen auseinanderzusetzen, wird er für sich selbst bewerten müssen.
Gemütlich wird's jedenfalls nicht beim Ex-Dino - weder für Hrubesch noch für seine Mitarbeiter. Ob sein robustes Auftreten als Wachmacher wirkt oder vielleicht hier und da auch für Frustration sorgt, wird interessant sein zu beobachten. Auch sein Vorgesetzter Jonas Boldt und Trainer Daniel Thioune werden kritische Einlassungen aushalten müssen. Hrubeschs Input zu ignorieren, würde zudem die durchaus verbreitete Annahme befeuern, die spektakuläre Verpflichtung wäre in erster Linie ein PR-Manöver.
HSV braucht noch Verstärkungen
Für eine kurzfristige Qualitätssteigerung im Profi-Kader wird Hrubesch jedenfalls nicht sorgen können. Da sind in erster Linie Boldt und Sportdirektor Mutzel gefragt. Wie erheblich der Bedarf ist, haben die jüngsten Auftritte gezeigt.
Zu den ablösefreien Verpflichtungen von Onana, Gjasula und Terodde werden vor allem in der Innenverteidigung und womöglich auch auf den offensiven Außenbahnen weitere kostengünstige Soforthilfen geholt werden müssen, um die Hoffnung auf Konkurrenzfähigkeit im oberen Zweitligadrittel zu nähren.
Sollten die Bestrebungen diesbezüglich ins Stocken geraten, wird Hrubesch seine Meinung vermutlich vernehmlich kundtun. Der ausgewiesene Kopfballspezialist ist schließlich nicht zum Abnicken an die Elbe zurückgekehrt.