Jack Grealish im Porträt vor Wechsel von Aston Villa zu Manchester City
Jack Grealish im Porträt: Ex-Bad-Boy als fehlendes Puzzleteil für City?
11.08.2021 | 23:53 Uhr
Jack Grealish wechselt von Aston Villa zu Manchester City. Der englische Meister ist bereit fast unglaubliche 117 Millionen Euro für den in Deutschland größtenteils noch unbekannten Kapitän der Villans auf den Tisch zu legen. Sky Sport stellt den 25-Jährigen vor.
Gareth Bale war im September 2013 der Erste. Real Madrid zahlte damals als erster Klub überhaupt eine dreistellige Millionensumme für einen Fußballer an Tottenham Hotspur. Neun Spieler haben den Waliser und seine 101 Millionen Euro seitdem überholt.
Sämtliche Spieler konnten dabei in zwei Klassen aufgeteilt werden: Zum einen waren da Superstars wie Neymar, Cristiano Ronaldo oder Eden Hazard, auf der anderen Seite gab es junge Mega-Talente wie Kylian Mbappe, Joao Felix oder Ousmane Dembele.
Grealish ist weder Superstar noch Toptalent
Mit Jack Grealish hat Bale nun erstmals ein Spieler überholt, der keiner der beiden Klassen zugeordnet werden kann. Der Mittelfeldspieler von Aston Villa kann keinesfalls als Superstar bezeichnet werden, denn er hat noch nicht einmal 100 Premier-League-Spiele auf dem Buckel und die Champions-League-Hymne kennt Grealish auch nur vom Fernsehschauen.
Aber für ein Supertalent ist der Mittelfeldspieler mit seinen 25 Jahren schon zu alt. Dennoch wollte Pep Guardiola den englischen Nationalspieler unbedingt und zahlt am Ende 117 Millionen Euro. Grealish ist damit nicht nur der teuerste Engländer der Geschichte, sondern auch der teuerste Profi in der Historie der Premier League.
Zum Durchklicken: Die teuersten Fußballer der Geschichte
Doch wer ist Jack Grealish eigentlich? Der Vize-Europameister wurde in einem Vorort von Birmingham geboren und durchlief seit seinem sechsten Lebensjahr sämtliche Jugendmannschaften seines Heimatklubs Aston Villa. Sein Profidebüt feierte er allerdings für Drittligist Notts County, wo er in der Saison 2013/14 für eine Spielzeit ausgeliehen war. Seitdem spielt er ununterbrochen für seinen Herzensklub und ist seit März 2019 auch Kapitän.
Sieht nach Bilderbuchkarriere aus, war es aber keinesfalls. 2015 geriet Grealish beispielsweise als 19-Jähriger in die Schlagzeilen, weil er sich während eines Sommerurlaubs in Teneriffa fast bewusstlos gesoffen hatte.
Skandal als 19-Jähriger auf Teneriffa
Bei Twitter tauchten Bilder auf, die Grealish mit ausgebreiteten Armen - flankiert von Zigarettenschachteln - dabei zeigen, wie er bei Tageslicht seinen Rausch ausschläft. Für den englischen Boulevard natürlich ein gefundenes Fressen und der Ruf des damaligen Talents litt gewaltig.
Sein damaliger Trainer Tim Sherwood fand deutliche Worte: "Wir können dieses Verhalten nicht gutheißen. Er ist jetzt in einer verantwortungsvollen Position als Profifußballer, er muss dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr vorkommt, er hat mir versichert, dass es nicht mehr vorkommt."
Grealish selbst hat mit den Vorfällen von damals abgeschlossen, wie er in einem Interview mit Sky Sports im Februar 2020 erklärte: "Jeder weiß, dass ich ein bisschen schlechte Presse hatte, als ich noch etwas jünger war. Aber alles, was in meinem Leben passiert ist - ob gut oder schlecht - hat mich fußballerisch zu dem gemacht, was ich heute bin. Ich würde nichts ändern wollen", so der Mittelfeldspieler, der zudem betonte, dass er ein völlig neuer Mensch sei.
Negativ-Rekord in der Premier League für Grealish
Doch Grealish hatte nach der Teneriffa-Episode auch sportlich bei Villa zu kämpfen. 2015/16 stiegt der Traditionsklub sang- und klanglos als Letzter aus der Premier League ab und Grealish stellte einen absoluten Negativrekord auf: Er kam in der Liga 16 Mal zum Einsatz und sein Team verlor alle 16 Spiele. Er löste damit Sunderlands Sean Thornton ab, der 2002/03 ebenfalls alle seine Partien verlor, aber nur elf Mal zum Einsatz kam.
Auch in der Championship, der zweiten englischen Liga, lief es nicht nach Wunsch. Im ersten Jahr verpasste der Klub den direkten Wiederaufstieg als Tabellen-13. deutlich und im Sommer 2017 erlitt er bei einem Vorbereitungsspiel gegen Watford eine lebensbedrohliche Verletzung, bei der seine Niere an zwei Stellen zerrissen wurde.
Er musste mehrere Monate pausieren und kehrte erst im November des Jahres zurück. Doch seitdem geht es für Grealish fast nur noch bergauf. Zwar verpasste Villa als Tabellenvierter den Aufstieg in den Playoffs denkbar knapp, aber im dritten Anlauf klappte es zwölf Monate später und Grealish war mittlerweile Villas bester und wichtigster Spieler.
John Terry lässt Grealish umdenken
Grund dafür ist vor allem eine völlig neue Einstellung beim Techniker, der sich viel von John Terry abschaute, als die Chelsea-Legende seine Karriere noch beim Zweitligisten ausklingen ließ.
"Ich habe das Gefühl, dass ich erwachsen geworden bin. Man lernt Dinge, vor allem in der Nähe von John Terry, der einem ständig ins Ohr flüstert, was man auf und neben dem Spielfeld tun soll", so der Rekordmann in einem exklusiven Interview mit Sky Sports im Mai 2018.
Und weiter: "Als Terry zu uns kam, war das ein großer Schock, ich musste mich selbst ein bisschen kneifen und war ein bisschen beeindruckt. Aber man sieht sofort, wie viel Qualität er auf dem Trainingsplatz zeigt. Er war eine große Hilfe für mich und einer der ersten, die mich im Krankenhaus angerufen haben."
Mittlerweile ist Grealish vom Bad Boy zum Musterprofi gereift und das zeigt sich auch auf dem Platz, denn Grealish wurde so etwas wie der Talisman seines Herzensvereins: Mit dem Mittelfeldspieler in der Startelf ist die Siegquote (37 Prozent) fast doppelt so hoch wie ohne ihn (19 Prozent).
Talisman von Aston Villa
In der abgelaufenen Spielzeit war die Abhängigkeit noch größer: In 24 Spielen mit Grealish holte Villa im Schnitt 1,8 Punkte und die Siegquote lag bei 54,2 Prozent. In den 14 Spielen ohne ihn fiel diese auf 21,4 Prozent und nur 0,9 Punkte pro Spiel. Der 25-Jährige kommt dabei meist über die linke Angriffsseite, ist aber dennoch der Fixpunkt in der Offensive des siebenfachen englischen Titelträgers. (Die Premier League ist auch in der kommenden Saison live und exklusiv nur bei Sky zu sehen)
Sein zukünftiger Trainer Pep Guardiola schwärmte bereits im Vorfeld des Ligapokal-Finals im Januar 2020 vom Spielmacher: "Mit Jack Grealish haben sie einen der besten Spieler der Premier League, Ich bin ein großer Fan von ihm."
Seit 2020 auch Nationalspieler
Und Guardiola ist damit nicht allein, denn nachdem Grealish in den U-Teams noch für Irland auflief, wechselte er ab der U21 zum englischen Verband und hat mittlerweile auch den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft. Sein Debüt für die Three Lions feierte er im September 2020 im Nations-League-Spiel gegen Dänemark und auch bei der Euro war er dabei, auch wenn er nicht zum Stammpersonal zählte.
Guardiola ist das egal, manch ein Fan wird sich aber fragen, was Grealish so besonders macht, dass der Katalane bereit ist, 117 Millionen Euro für den Rechtsfuß zu zahlen. Auf den ersten Blick passt Grealish nämlich gar nicht zur Guardiola-Philosophie, denn er ist ein "Ballschlepper":
Letzte Saison hatte er den Ball etwas mehr als sieben Kilometer am Fuß. Nur fünf Spieler in der Liga übertrafen diesen Wert und vier davon waren Verteidiger, die normalerweise den Ball aus tieferen Positionen nach vorne bringen.
Wie passt Grealish zu ManCity?
Wie lässt sich dies mit dem Kurzpassspiel der Citizens vereinen? Einfach: Guardiola fordert zwar von seinen Spielern, dass der Ball zirkuliert, vor allem will der Coach aber, dass das Spielgerät in den eigenen Reihen bleibt. Und wenn der Ball doch verloren geht, attackieren die Sky Blues extrem hoch, um ihn sofort zurückzuerobern. Und genau das macht Grealish auch. Nur Southamptons Nathan Redmon, Matheus Pereira von West Brom und sein künftiger Teamkollege Kevin De Bruyne eroberten beispielsweise mehr Bälle im gegnerischen Drittel.
Doch Grealish würde dem Scheichklub noch viel mehr bieten, denn er ist auch der meistgefoulte Spieler der ganzen Premier League. Vergangene Saison wurde er im Schnitt 4,5 Mal pro 90 Minuten gefoult, 2019/20 waren es sogar 4,7 Mal. Sehr oft wurde er dabei in gefährlichen Zonen zu Fall gebracht, was Citys Stärke bei Standards von De Bruyne nur noch verstärken würde.
Aber auch aus dem Spiel heraus bietet Grealish eine Menge an: Pro Partie legt er im Schnitt fast drei Torschüsse auf, geht über vier Mal ins Dribbling und gewinnt erstaunliche 56 Prozent seiner Versuche. Überhaupt ist seine Zweikampfquote von 61 Prozent in den zwei Saisons seit dem Aufstieg für einen Offensivspieler herausragend.
Mischung aus Sterling und De Bruyne
Seine 14 Tore und 16 Vorlagen in besagtem Zeitraum demonstrieren seine Klasse zusätzlich. Grealish ist nicht so torgefährlich wie Sterling und ohne Zweifel ist De Bruyne ein besserer Passspieler als der Villa-Kapitän, aber Grealish ist fast so etwas wie eine Mischung aus den beiden. Ein technisch perfekter Mittelfeldspieler mit enormem Zug zum Tor, einem guten Abschluss und einer ganz starken Übersicht, die dafür sorgt, dass er seine Mitspieler besser macht.
Der Vergleich zwischen Grealish und den aktuellen Offensivspielern der Citizens zeigt, dass der Rekordmann definitiv ein neues Element ins Spiel des Titelverteidigers bringt und mit seiner Dribbelstärke und seinem Auge definitiv verstärken wird.
Die Frage bleibt nur, wo Grealish in einer Mannschaft mit De Bruyne, Riyad Mahrez, Raheem Sterling, Phil Foden, Ilkay Gündogan, Bernardo Silva, Gabriel Jesus oder Ferran Torres überhaupt seinen Platz finden soll. Bei den Villans kam er wie in der folgenden Grafik zu sehen ist, fast ausschließlich über den linken Flügel.
Muss Gündogan weichen?
Schlechte Nachrichten für Sterling, der nach einer tollen Euro eigentlich auch im Verein wieder angreifen wollte und eigentlich auch dort zu Hause ist. Aber wie The Athletic schreibt, sieht ihn Guardiola eher als Achter und damit als direkten Konkurrenten zu Gündogan, mit dem sich Grealish abwechseln soll. Diese Variabilität ist ein weiterer Pluspunkt, der für bald teuersten Engländer der Welt spricht.
Ob er die gigantische Summe letztlich wert ist, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. Klar ist aber, dass Grealish in den vergangenen zwei Saisons zu den besten Spielern der vielleicht besten Liga der Welt gehörte. Also vergleichbar mit Gareth Bale im Jahr 2013...